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21.12.2024

Ein Zeichen, dass sie noch dazugehören

Im Pfarrbüro können die Ehrenamtlichen die Päckchen abholen, die sie zu den Besuchen mitbringen: Kleine Aufmerksamkeiten wie Lebkuchen oder Abreißkalender und einen Brief von Pfarrer Franz-Josef Gerner (l.). Foto: Helene Holzer.

Hilpoltstein - „Gesucht: Ehrenamtliche Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen für den Weihnachtsbesuchsdienst“. Diese kleine Notiz fand sich im September, als noch kaum jemand an Christbaumkauf und Plätzchenbacken dachte, im Hilpoltsteiner Pfarrmagazin „Voll vernetzt“. Schließlich wollte man sichergehen, dass eine bewährte Tradition noch möglichst lange fortgeführt werden kann: In der Pfarrei Hilpoltstein bekommen die über 80-jährigen Seniorinnen und Senioren kurz vor dem Fest Besuch. Die Freiwilligen, die diesen Dienst übernehmen, bringen nicht nur Zeit mit, sondern auch einen Brief des Pfarrers und eine kleine Aufmerksamkeit. Für einige der älteren Leute, die Besuch bekommen, ist es ein Perspektivwechsel: Früher waren sie selbst als Ehrenamtliche unterwegs von Tür zu Tür.

Mehr als 50 Aktive zählt die Initiative, darunter „auch ein paar Männer“, wie Birgit Landmann Auskunft gibt. Die 58-Jährige koordiniert seit 2017 den Besuchsdienst, dem sie aber schon weitaus länger angehört. „Meine jüngste Tochter war noch im Maxi Cosy dabei“, erinnert sie sich daran, wie sie zur Freude der Senioren mit Baby aufkreuzte. Der Ursprung des Besuchsdienstes gehe aber noch weiter, bis Anfang der 1980er-Jahre zurück, berichtet Landmann. Die engagierte Pfarrgemeinderätin Katharina Wagner ergriff damals die Initiative und heuerte zunächst die Firmmütter an. Zum Auftakt, so erzählt die Chronik, „besuchten elf Frauen 79 ältere Pfarrangehörige, 1990 waren es schon 25 Frauen und 145 Senioren“. Und die Initiative schlief nicht wieder ein, im Gegenteil: 2001 schauten 43 Besucherinnen in der Vorweihnachtszeit bei 210 Senioren in der Pfarrei Hilpoltstein und den Filialen Heuberg, Hofstetten und Mörlach vorbei. Zusätzlich erstreckte sich die Aktion auf die beiden Hilpoltsteiner Seniorenheime. Zum 20-jährigen Bestehen hieß es im Weihnachtspfarrbrief: „Es ist gerade in der heutigen Gesellschaft wichtig, sich seiner Mitmenschen anzunehmen und sich etwas Zeit für den Anderen, sei es für ein Gespräch oder nur zum Zuhören, zu nehmen“. Außerdem seien die Besuche „auch ein Zeichen der Verbundenheit mit der ganzen Pfarrgemeinde“.

„Man kann sich Zeit nehmen“

Inzwischen stehen auf Birgit Landmanns Liste, die stets aktualisiert wird, 360 Namen. Zugleich werde es natürlich, wie auf dem gesamten Feld der ehrenamtlichen Arbeit, immer schwieriger, die aus Altersgründen ausscheidenden Besuchsdienstmitglieder zu ersetzen. Immerhin, durch den Aufruf im Pfarrmagazin „haben wir heuer zwei Neue gefunden“, informiert Landmann. Rita Brandl ist eine davon. Die 65-Jährige aus der Filiale Mörlach ist gleich für elf Besuchstermine eingeteilt worden. Einer davon geht zu ihrer Tante, die im Frühjahr 90 wird. Die anderen Senioren sind ihr nicht so vertraut, aber sie geht davon aus, dass sie einige zumindest vom Sehen kennt. Denn bevor sie vor einem Jahr in Rente ging, war sie Verkäuferin in einer Metzgerei. Nun tritt an die Stelle des Kundenkontakts das persönliche Gespräch. Dass das vielleicht mancher gar nicht will und schon an der Haustür dankend abwinkt, das ist Brandl bewusst, „und ich bin da auch echt nicht beleidigt“, versichert sie. Auf der anderen Seite weiß sie aber aus Erfahrung, dass manche alten Menschen, deren Aktionsradius immer kleiner wird,  Abwechslung und Ansprache herbeisehnen. Gern erinnert sie sich an eine alte Dame in ihrem Nachbarort, die 99 Jahre alt wurde. Sie habe jedes Jahr eine Krippe aufgebaut und die Leute hereingebeten, auch die Sternsinger. Deren Begleiter wiederum war Brandls Ehemann, der schon seit seinem 14. Lebensjahr Mesner in Mörlach ist, seit mittlerweile 55 Jahren. Ehefrau Rita übernimmt den Blumenschmuck und schwingt auch ab und zu den Putzlappen in der Filialkirche, „wie’s halt so ist“, sagt sie. Außerdem engagiert sie sich im Frauenbund, zum Beispiel beim Kränzebinden im Advent. Jetzt sei sie neugierig auf den neuen Dienst und freue sich auf neue Kontakte, auf die Menschen hinter Türen, an denen man mit dem Auto schon x-mal vorbeigefahren ist.

Erna Meixner war früher viel mit dem Fahrrad unterwegs. „Das war‘ halt a Sach‘! Aber jetzt, mit einem künstlichen Knie?“, fragt die 86-jährige Witwe, die bis letztes Jahr zum Besuchsdienst-Team gehörte. Sie musste aufhören, weil ihr die Wege zu Fuß zu weit geworden waren. Zuletzt habe ihre Tochter Chauffeurdienste geleistet, „aber das kann ich nicht verlangen, sie geht ja auch zur Arbeit“. In jüngeren Jahren war Meixner Caritassammlerin und engagierte sich im Mütterkreis. Auch im Besuchsdienst half sie gern mit. Kontaktfreudig sei sie ja,  lacht die Seniorin schelmisch, „das Reden fällt mir nicht schwer“. Ihr Engagement beschränkte sie nicht nur auf die Vorweihnachtszeit. Bei einer Frau schaute sie bis zu deren Tod mit fast 100 Jahren eine Zeitlang beinahe täglich vorbei. „Sie hatte nur einen Sohn, der auswärts wohnte“. Unterhaltungen, die sich nur um Krankheiten und Gebrechen drehen, „das mag ich weniger gern“, meint Meixner. Aber sie kann gut verstehen, dass alte Menschen viel von früher reden. „Mir geht’s ja selber so“, gesteht sie, „und man kann ja die Gegenwart manchmal nicht mehr sehen“.

Autofahren geht nicht mehr

So wie Erna Meixner hat auch die gleichaltrige Luise Schneider ihre Mitarbeit im Besuchsdienst aufgeben müssen. „Wegen meiner Augen darf ich nicht mehr Autofahren und bin nur noch mit dem Rollator unterwegs“ meint sie, schickt aber gleich hinterher: „Man darf froh sein, wenn man noch jeden Tag aufstehen kann“. Schließlich braucht ihr Mann noch ihre Unterstützung. „Ich hab’s gern gemacht“, sagt sie über ihre vielen Besuche bei den Senioren. Sie half früher auch regelmäßig beim Kirchputz und unternahm viele schöne Fahrten mit dem Frauenbund. Noch immer hat sie Interesse am Leben der Pfarrei und freut sich deshalb, wenn nun jemand vom Besuchsdienst vorbeikommt.

Birgit Landmann erlebt immer wieder, dass sie zum Weihnachtsbesuch in Häuser kommt, in denen sie vor einem Jahr noch ein Ehepaar antraf und wo jetzt einer der beiden verstorben ist. „Natürlich kommen da Emotionen hoch“, weiß sie. Das ist auch ihre Motivation für den Besuchsdienst, „dass man sieht, dass es den Leuten guttut“. Pfarrer Franz-Josef Gerner ist dankbar für die Unterstützung. Er selbst besucht, so wie auch Diakon und Kaplan, die Senioren zum Geburtstag, Aber auch vom Weihnachtsbesuchsdienst höre er immer wieder, „dass die Leute wirklich drauf warten. Es geht dabei nicht um die Größe des Geschenks, sondern um die Geste. Die Menschen, von denen früher viele ja auch in der Pfarrei mitgearbeitet haben, wollen im Alter nicht vergessen werden.“

Gabi Gess für [inne]halten – Die Kirchenzeitung für das Bistum Eichstätt