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09.09.2022

„Das Kind im Mittelpunkt“: Diözesane Schulen unterrichten nach Marchtaler Plan

Foto: Maria-Ward Realschule Eichstätt

Mit dem Morgenkreis beginnt die Unterrichtswoche nach dem Marchtaler Plan. Foto: Maria-Ward Realschule Eichstätt

Foto: Regina Greck/pde

Vitus Lehenmeier leitet seit 2021 die Hauptabteilung Religionsunterricht, Schulen und Hochschulen im Bischöflichen Ordinariat Eichstätt. Foto: Regina Greck/pde

Fünf allgemeinbildende Schulen unterhält die Diözese Eichstätt: die Mädchenrealschule Marienburg in Abenberg, die Maria-Ward-Realschule und die Knabenrealschule in Rebdorf bei Eichstätt, die Gnadenthal-Mädchenrealschule und das Gnadenthal-Gymnasium in Ingolstadt. Unterrichtet wird in diesen Einrichtungen nach dem sogenannten Marchtaler Plan. Was es mit diesem Plan auf sich hat, erklärt der Leiter der Schulabteilung, Vitus Lehenmeier, im Interview.

In den diözesanen Schulen wird nach der Pädagogik des Marchtaler Plans unterrichtet. Wie erklären Sie diesen Plan für Menschen, die nicht Pädagoginnen oder Pädagogen sind?

Vitus Lehenmeier - Die katholischen Schulen der Diözese Eichstätt haben sich auf den Weg gemacht, den Anspruch, den die christliche Botschaft an Bildungsprozesse und –inhalte stellt, in den Alltag zu integrieren. Ausgehend vom biblisch-christlichen Menschenbild, in dem die Berufung des Menschen zu Freiheit und Verantwortung ein zentraler Aspekt ist, stellt sich die Frage nach einer folgerichtigen Umsetzung an der Schule. Hier kommt der Marchtaler Plan ins Spiel, der ein auf dem christlichen Menschenbild gründendes Verständnis von katholischer Schule für die Praxis konkretisiert. Die Pädagogik des Marchtaler Plans stellt das Kind als einzigartiges und wertvolles Geschöpf Gottes in den Mittelpunkt seiner Bemühungen. Das Kind wird nicht nur wahrgenommen, sondern angenommen und in seiner Ganzheitlichkeit, Personalität und als soziales und religiöses Wesen gefördert und gefordert. Entscheidend ist, dass vom Kind her gedacht wird. Die Probleme, auf die es in seiner Welt trifft, will es lösen. Eine durch die Lehrkraft geschaffene positive Atmosphäre leistet ihren Beitrag zur motivierten Arbeit an den Herausforderungen.

Was sind die Grundlagen und Vorzüge dieses Plans?

Lehenmeier - Eine wesentliche Überzeugung der Marchtaler-Plan-Pädagogik ist auf das christliche Menschenbild zurückzuführen: Dem Menschen wurde die Freiheit von Gott geschenkt, um in Gottes Schöpfung und als Geschöpf Gottes in der Welt Verantwortung zu übernehmen. Diese Überzeugung übersetzt der Machtaler Plan in die Organisation des Schulalltags. Mit vier Strukturelementen sollen die Schülerinnen und Schüler in der Schule gemäß ihrer Berufung zu Freiheit und Verantwortung den Umgang mit der ihnen geschenkten Freiheit erlernen und fähig werden, Eigenverantwortung zu übernehmen, damit sie die ihnen anvertraute Welt mit all ihren Herausforderungen entsprechend gestalten können.

Wo wird dieser Plan bereits umgesetzt?

Lehenmeier - Katholische Grund-, Mittel-, und Realschulen sowie Gymnasien in verschiedensten süddeutschen Diözesen orientieren sich am Marchtaler Plan, wobei je nach Schule im Zuge des Schulentwicklungsprozesses zwei, drei oder alle vier Strukturelemente umgesetzt sind.

Welche Strukturelemente sind das?

Lehenmeier - Die vier Strukturelemente „Morgenkreis“, „Fachunterricht“, „Freie Stillarbeit“ und „Vernetzter Unterricht“ prägen die Schulwoche. Mit jedem Element werden unterschiedliche Aspekte des christlichen Menschenbildes in der Praxis für die Schülerinnen und Schüler erlebbar gemacht. Die Woche beginnt an jedem Montagmorgen mit dem Morgenkreis, der der Ritualisierung und Rhythmisierung des Tagesablaufs dient, die Schülerschaft in der neuen Schulwoche in einer bewusst leistungsfreien Zeit ankommen lässt (und insbesondere am Montag den Einstieg in die Arbeitswoche erleichtert) und einen harmonischen Übergang vom Wochenende in den Schulalltag ermöglichen soll. Der Unterricht findet über die Woche im Stundenplan verteilt als Fachunterricht, Freie Stillarbeit und Vernetzter Unterricht statt.

„Freiarbeit“ gibt es auch in Montessori-Schulen. Inwiefern gibt es hier Parallelen?

Lehenmeier - Im Marchtaler-Plan werden auch Ideen der Reformpädagogin Maria Montessori aufgegriffen, um die christlichen Bildungs- und Erziehungsziele mit dem ganzheitlichen Ansatz zu erreichen. Der Marchtaler-Plan ist sozusagen eine Konkretisierung und Umsetzung verschiedener reformpädagogischer Ansätze. Sofern reformpädagogische Gedanken für die Ziele als wertvoll erkannt wurden, fanden sie auch Einzug ins Konzept.

Wie überall in Bayern gilt auch für die diözesanen Schulen der Lehrplan Plus. Wie kann dieser Plan im vernetzten Unterricht – dem Kern des Marchtaler Plans – umgesetzt werden?

Lehenmeier - Im Lehrplan Plus, der ein besonderes Augenmerk auf die Kompetenzorientierung legt, wird betont, dass wichtige Prinzipien einer kompetenzorientierten Bildungs- und Unterrichtsgestaltung die Vernetzung von Einzelinhalten, ihre Einbettung in größere Zusammenhänge (bereichsübergreifendes bzw. fächerverbindendes Lernen), Anwendungssituationen für erworbene Kompetenzen in verschiedenen Bereichen und die Reflexion des eigenen Lernens sind. Fächerübergreifende und -verbindende Unterrichtsvorhaben und projektorientiertes Arbeiten sind Möglichkeiten, die Vielschichtigkeit von Problemen und den inneren Zusammenhang der Unterrichtsfächer an bestimmten Themen für die Schülerinnen und Schüler anschaulich werden zu lassen und soziales sowie selbständiges und eigenverantwortliches Arbeiten der Schülerinnen und Schüler zu fördern. Gerade das Strukturelement des Vernetzten Unterrichts bietet hier den Rahmen für eine adäquate Unterrichtsgestaltung.

Könnten Sie mit einem Themenbeispiel schildern, wie der vernetzte Unterricht abläuft?

Lehenmeier - Das pädagogische Leitbild in der 5. Klasse ist: „Zu einer Gemeinschaft werden“. Bei der ersten Einheit des Vernetzten Unterrichts steht deshalb das Thema Heimat im Mittelpunkt. An der neuen Schule müssen die Schülerinnen und Schüler ankommen, sich neu orientieren und sollen Halt finden. Die verschiedensten Fächer (v.a. Katholische Religionslehre, Biologie, Geografie, Geschichte, Wirtschaft, Politik und Gesellschaft, ggf. ergänzt durch weitere Fächer wie z. B. Deutsch, Mathematik, Fremdsprache, Musik, Kunst) tragen durch ihre Inhalte im Vernetzten Unterricht zu einem Gesamtbild bei, das das Thema und damit die Welt adäquater abbildet und erfahrbar macht. Die ersten Wochen geht es unter Einbeziehung von Experten und mit Exkursionen an acht Unterrichtsstunden pro Woche um den Heimatraum (Schulwege, Wohnort, Schulort, regionale Besonderheiten), die Gestaltung des Lebens der Klassengemeinschaft, die Betrachtung der eigenen Herkunft, die neue Schule (Namensgeber, christliches Profil, Geschichte, Gebäude, Personen), Orte und Spuren des Glaubens (Pfarrgemeinde, Kirchengebäude, Kirchenpatron/-in, Bischof, Bistum), Bayern (Verwaltungsgliederung, Brauchtum und Dialekt, Flüsse, Gebirge, Großstädte, Bistümer) sowie Deutschland (Großlandschaften, Bundesländer, Nachbarstaaten). Diese Themen werden im gleichen Zeitraum zusätzlich vernetzt durch den Fachunterricht in Deutsch (z. B. Gedicht über mich, Sagen und Legenden im Heimatraum, Interview mit den Großeltern), in Mathematik (z. B. Maßstab, Statistik von Einwohnerzahlen), in Werken (z. B. Bayern modellieren), in Kunst (z. B. Gemeinschaftsbild erstellen, regionale Künstler), in Musik (z. B. Musikleben am Ort, Bayernhymne), in Englisch (z. B. family and friends, pets), in Sport (z. B. Volkstänze, regionale Sportzentren, Schulmannschaften). Nach den sechs Wochen Arbeit am Thema werden die Ergebnisse der Einheit in einem eigenen Buch, der sogenannten VU-Mappe, gebündelt und gesichert. Diese ganzheitliche Herangehensweise leistet einen wesentlichen Beitrag, dass die Schülerinnen und Schüler die Welt mit ihren Zusammenhängen selbstständig reflektieren können. Schließlich werden sie ggf. angeregt, sich z. B. an ihrer Schule, in der Pfarrei oder im Heimatverein für die Umwelt oder die Gemeinschaft zu engagieren.

Werden im vernetzten Unterricht auch tagesaktuelle Themen – auch kirchenpolitische Themen – aufgegriffen, welche die Schülerinnen und Schüler beschäftigen?

Lehenmeier - Die Einbeziehung aktueller Themen ist selbstverständlich Teil eines vernetzten Unterrichts. Gerade hier fügt sich das Ganze zu einem Gesamtbild und es wird die Relevanz für das Heute und die Zukunft nochmals besonders betont.

Worum geht es beim Morgenkreis?

Lehenmeier - Im Morgenkreis wird den Heranwachsenden durch die Schaffung einer gemeinschaftlichen Atmosphäre für das tägliche Miteinander in der Klassengemeinschaft und der gesamten Schule am Montagmorgen ein besonderer Raum für den Einstieg in den Schulalltag geboten. Die Schulwoche soll so als neu geschenkte Aufgabe wahrgenommen werden. Das Element des Morgenkreises lässt die Schüler/-innen unter Leitung der Lehrkraft zu sich selbst und zu Gott finden. Ästhetische Begegnungen mit der Schöpfung, dem Nächsten, mit aktuellen persönlichen wie politischen Themen, mit sich selbst und mit Gott sollen in diesem besonderen Unterrichtsrahmen frei von Lehrplaninhalten durch Stilleübungen und Sinnesschulungen Anregung zu Kreativität und Spontaneität geben. Außerdem werden die Schüler/-innen durch den besonderen Umgang miteinander in Glaubens- und Wertefragen sensibilisiert.

Sind die Schülerinnen und Schüler, die nach dem Marchtaler Plan lernen, genauso gut für den weiteren Bildungsweg gewappnet, wie diejenigen, die ganz normale staatliche Schulen besuchen?

Lehenmeier - Unsere katholischen Schulen sind staatlich anerkannte Schulen und ersetzen so z. B. eine staatliche Realschule bzw. ein Gymnasium in der jeweiligen Stadt. Daraus folgt, dass wir mindestens dieselben Rahmenbedingungen bieten, dass wir genau dieselben Aufgaben haben und dieselben Schulabschlüsse erreicht werden können. Unsere Einrichtungen genießen aber den großen Vorteil im Rahmen der Gesetze frei in der Entscheidung über Lehr- und Erziehungsmethoden und über die Unterrichtsorganisation zu sein. Dies erleichtert es uns, Maßnahmen der inneren Schulentwicklung umzusetzen, von denen wir überzeugt sind, dass sie für die Persönlichkeitsbildung der Schülerinnen und Schüler und ihr weiteres Leben, beruflich und privat, einen wesentlichen zusätzlichen Beitrag liefern.

Termine

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Freitag, 05. April
Wochenendseminar: Kräuterjahr I - IV
Ort: Kloster Plankstetten
Veranstalter: Benediktinerabtei Plankstetten und Diözesanbildungswerk Eichstätt e. V.
Donnerstag, 11. April
Ausbildung Kursleitung Waldbaden II / III
Ort: Kloster Plankstetten
Veranstalter: Benediktinerabtei Plankstetten und Diözesanbildungswerk Eichstätt e. V.
Freitag, 26. April
Oma - Mama - Enkel - Wochenende
Ort: Jugendtagungshaus Schloss Pfünz
Veranstalter: Diözesanbildungswerk Eichstätt e. V. - Bereich Ehe- und Familienbildung
Oma - Mama - (Enkel-)Kinder Wochenende ACHTUNG AUSGEBUCHT
Ort: Jugendtagungshaus Schloss Pfünz
Veranstalter: KDFB Bildungswerk Eichstätt in Kooperation mit dem Fachbereich Ehe- und Familienpastoral im Bistum Eichstätt
Samstag, 27. April
14.00 Uhr
Orgelworkshop - Historische Aufführungspraxis
Ort: Wallfahrtskirche Maria Heil der Kranken, Habsberg 4, 92355 Velburg
Veranstalter: Fachbereich Kirchenmusik
14.00 Uhr
Stadtführung "Hier stinkts gewaltig"
Ort: Ingolstadt-Mitte, Rathausplatz
Veranstalter: KDFB Zweigverein Ingolstadt St. Anton
Sonntag, 28. April
14.30 Uhr
Montag, 29. April
18.00 Uhr
Tag der Diakonin +plus: Du führst mich hinaus ins Weite - Kirche in der Welt von heute
Ort: Gasthaus Schraml Lauterhofen
Veranstalter: KDFB-Diözesanverband Eichstätt Bildungswerk e. V.

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