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Leseprobe der Kirchenzeitung

Zur Miete im Energiespar-Prototyp

St. Gundekar-Projekt in Ingolstadt mit rund 140 Wohnungen vor Abschluss / Energieeffizient gebaut

Ein Mietshaus sollte möglichst nicht Wohnungen einer Größe enthalten. Es ist besser, Kinderlose und Kinderreiche zusammenzubringen (...). Das eingerichtete Bad und die ausgebaute Besenkammer sollten zum selbstverständlichen Programm gehören. (...) Und wenn es irgend geht, muss eine Wohnung auch einen Balkon haben.“

Diese Forderungen wurden anno 1955 ins Protokoll einer katholischen Wohnungsbau-Tagung aufgenommen. Und sie zeigen: Es ging den kirchlichen Bauträgern damals nicht allein darum, die große Wohnungsnot der Nachkriegszeit durch die Errichtung bezahlbarer Unterkünfte zu mildern, sondern man machte sich auch schon über zeitgemäßes, fortschrittliches Bauen Gedanken. Dass man sich dieser Herausforderung bis heute stellt, zeigt das neueste Bauprojekt des St. Gundekar-Werks, das kurz vor seinem Abschluss steht: Die Wohnungs- und Städtebaugesellschaft der Diözese hat in Ingolstadt-Hollerstauden eine ökologisch mustergültige neue Wohnsiedlung errichtet, die zugleich dem Gedanken des Mehrgenerationen-Wohnens Rechnung trägt.

Niedrige Nebenkosten

Unter einer Handvoll Projekte in ganz Bayern wurde die neue Wohnanlage des Gundekar-Werks mit ihren insgesamt 142 Wohneinheiten in das Modellvorhaben „Energie-effizienter Wohnungsbau“ aufgenommen und somit durch den
Freistaat gefördert. Ziel des Modell-vorhabens ist es, im geförderten Wohnungsbau den möglichst sparsamen Umgang mit Energie in der Praxis zu erproben. Dieser „Niedrigstenergiestandard“ wird auch in Hollerstauden eingehalten.

Herzstück der Energieversorgung ist eine thermische Solaranlage. 1.200 Quadratmeter Solarfläche erstrecken sich über die Flachdächer des Gebäudekomplexes. Gespeichert wird die Energie in vier Schichtspeichern. Sinkt die Pufferwärme zu stark ab, kann der Restenergiebedarf durch Fernwärme gedeckt werden.

Auf den Geldbeutel der künftigen Mieter hat die moderne Technik erfreuliche Auswirkungen: Die monatlichen Heizkosten pro Quadratmeter Wohnfläche betragen lediglich 60 Cent. Innovativ, aber auch gewöhnungsbedürftig ist die kontrollierte Wohnraumlüftung. Wer ein wenig zum „Technikfreak“ neige, der sei hier durchaus richtig, meint der Geschäftsführer des St. Gundekar-Werks, Peter-Stephan Englert.

Drei Architekturbüros erhielten  den Zuschlag für das 26-Millionen-Projekt, das sich in drei Bauteile gliedert: So wurde eines der Mehrfamilienhäuser in Holzmassiv-
bauweise errichtet, ein weiteres aus Beton und das dritte in Holzständer-Bauweise. Weil aber in allen drei Häusern einheitliche Heiztechnik zum Einsatz kommt, kann der Bauherr langfristig die Verbrauchswerte analysieren und daraus Rückschlüsse ziehen, welche Art des Bauens den sparsamsten Energieverbrauch ermöglicht.

Was das St. Gundekar-Werk hier in Auftrag gab, findet auch überregional Beachtung: Kollegen aus ganz Deutschland hätten sich auf Info-Besuch angekündigt, so Geschäftsführer Engert. Darüber hinaus wird das Modellprojekt Hollerstauden auch wissenschaftlich begleitet – von Professoren der TU München, der Hochschule Augsburg und der Hochschule Coburg. Letztere forschen weniger nach Bautechnik und Energieeinsparpotential als vielmehr nach den Bedürfnissen der künftigen Bewohner. So werden Studenten eine Mieterbefragung durchführen. Damit es aber nicht bei der Theorie bleibt, hat sich das St. Gundekar-Werk den „Sozialdienst katholischer Frauen“ ins Boot geholt.

Einer der drei Bauteile bietet sich für Gemeinschaftsprojekte besonders gut an – das „Atriumhaus“ in Holzbauweise mit seinem überdachten und dadurch wetter-geschützten großen Innenhof. Generationenübergreifendes Wohnen schwebt den Planern hier vor. Junge Familien sollen ebenso einziehen wie Senioren. Sind einmal alle drei Bauteile bezogen, werden auf dem neu bebauten Areal zwischen 450 und 480 Personen leben – fast ein eigenes Dorf.

Zwei der insgesamt 35 Wohnungen im Atriumhaus sind rollstuhlgerecht. Auf wenig Schwellen und Barrieren wurde grundsätzlich bei der Planung geachtet. „Es könnte im Grunde in jeder Wohnung ein Senior leben“, so Englert. Herumgruppiert wurden die neuen Wohngebäude um eine bereits 1997 durch das Gundekar-Werk errichtete Seniorenmietwohnanlage mit 37 Wohnungen. Mit dem Erwerb von Baugrund in Ingolstadt-Hollerstauden, wo sich auch das Klinikum und die Behinderteneinrichtung „Hollerhaus“ befinden, bewiesen die Diözese Eichstätt und das St. Gundkar-Werk in den 90er- Jahren Weitsicht, auch wenn jetzt nicht, wie ursprünglich vorgesehen, eine soziale Einrichtung auf dem Gelände entstand.

Vielmehr wuchs der Stadtteil Hollerstauden, nicht zuletzt durch die Nähe zu Audi, kräftig und es war erschwinglicher Wohnraum gefragt. Der weitaus größte Teil der insgesamt 142 Wohneinheiten mit bis zu fünf Zimmern sind öffentlich gefördert (Sozialwohnungen); Bewerber benötigen einen Berechtigungsschein vom städtischen Wohnungsamt.

Nochmal Neues wagen

Darüber hinaus gibt es 15 frei finanzierte Mietwohnungen innerhalb der Anlage. Für eine davon haben sich Bernd und Ingeborg Barke entschieden. Sie ziehen in die in Holzbauweise errichteten „Laubenganghäuser“, voraussichtlich im August. Derzeit wohnt das Ehepaar, beide um die 70, noch in Etting, in einem Einfamilienhaus im Grünen.

Seit fast 40 Jahren leben sie dort, sind mit dem Vermieter stets gut ausgekommen. „Aber jetzt möchten wir uns einfach verkleinern“, erklärt Bernd Barke, „der Garten mit seinen 1.000 Quadratmetern, das wird uns auf die Dauer zu viel“. Deshalb „haben wir uns eben entschlossen: wir ziehen um!“, ergänzt seine Frau. „Und das müssen wir jetzt in Angriff nehmen, so lange wir noch fit sind. Wer weiß, was in drei, vier Jahren ist. Jetzt können wir uns  noch leichter eingewöhnen.“

Verschiedene Wohngegenden sahen sich die beiden an, sind „mit dem Radl rumgefahren“. Dann lasen sie einen Zeitungsbericht über die neue Anlage, die das
Gundekar-Werk in Hollerstauden errichtet und vereinbarten einen Besichtigungstermin in der Musterwohnung. Ihre künftige Wohnung haben sie sich im Parterre ausgesucht, denn „ich bin oberschenkelamputiert“, erzählt Bernd Barke.

Das künftige Heim ist groß genug, dass der jüngste Enkel auch mal bei den Großeltern übernachten kann. Die neuartige Lüftung, die das Öffnen der Fenster im Prinzip überflüssig macht, schreckt die beiden nicht ab: „Wir werden schon klar kommen. Die neuen Häuser muss man halt so bauen, dass nicht so viel Energie verbraucht wird.“

Bisher wohnte das Ehepaar recht ruhig. „Es ist uns schon klar, dass wir uns umstellen müssen“, meinen sie mit Blick auf die vielen Nachbarn, mit denen sie künftig auf kleinem Raum zusammenleben. „Vielleicht tut’s uns ja gut, wenn wir nicht so separat wohnen“, überlegt Ingeborg Barke. „Man kann sich im Sommer abends raussetzen, dann trifft man Leute.“ Spielplatzlärm in der Wohnanlage, „ich denke, das wird uns auch nicht stören. Uns ist schon klar, dass wir es nicht mehr so ruhig haben, aber Ruhe haben wir auf dem Friedhof noch genug“, lacht sie.

Das Grab ihrer Eltern auf dem Ingolstädter Westfriedhof, das sie pflegt, kann sie von der neuen Wohnung aus viel schneller mit dem Rad erreichen als bisher. Außerdem „sind Ärzte in der Nähe, das Klinikum, ein Busbahnhof. Und im Sommer kann man mit dem Rad zum Baggersee fahren“, schmiedet sie schon Pläne. Dass sich ihr neues Heim nicht in einem gediegenen Villenviertel, sondern inmitten von Sozialwohnungen für weniger Betuchte befindet, ist für die Barkes nicht ausschlaggebend – „nette Leute gibt’s überall!“

Gabi Gess, Kirchenzeitung vom 20. Februar 2011