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Wenn Hirtenkinder nicht schlafen können

Ob traditionell oder zeitgemäß – Krippenspiele brauchen eine Botschaft/Experten berichten

So, jetzt sind alle wieder ruhig und Maria und Josef hören auch auf zu blödeln!“ Religionslehrerin und Gemeindereferentin Antonia Umlauf studiert auf den Altarstufen der Ingolstädter Pfarrkirche St. Augustin gerade mit einer Gruppe quirliger Drittklässler das Spiel für die Kinderkrippenfeier an Heiligabend ein. Insgesamt fünf Proben stehen auf dem Programm, teils im Unterricht in der Grundschule, teils in der Kirche. Umlaufs Chef, Pfarrer Erich Schredl, mischt sich bewusst nicht in die Gestaltung des Spiels ein. Denn, so weiß er aus Erfahrung, „wenn ich mit dabei bin, dann verändere ich alles“. In Sachen Krippenspiele ist der Geistliche nämlich  alles andere als ein unbeschriebenes Blatt, hat er doch im Auftrag des Herder-Verlags erst vor kurzem ein Buch darüber herausgegeben (die KiZ berichtete).

Immer neue Stücke

Schredl kann sich nicht daran erinnern, als Kind selbst schon einmal einen Hirten, Herbergsvater oder Engel dargestellt zu haben. Sein Interesse am Krippenspiel „ging eigentlich erst richtig los, als ich Pfarrer in Spalt war“, erzählt er. „Die Gruppe, die sich um die  Krippenspiele gekümmert hatte, löste sich auf, weil ihre Kinder zu groß geworden waren. So mussten wir eine neue finden.“ Schredl wurde  Teil dieser „lockeren und lustigen Truppe“, die zwischen 2005 und 2010 immer neue Stücke verfasste. Eine spannende Zusammenarbeit habe sich auch mit der Leiterin des Kindergartens Großweingarten, Rita Maurer, entwickelt, berichtet Schredl. Mit ihr hat er zum Beispiel eine nachdenkliche Spielszene rund  um eine alttestamentliche Gestalt entwickelt – den Seher Bileam, der auf Geheiß des Königs von Moab die  durchziehenden Israeliten vertreiben  soll. „Diese fremden Menschen werden uns alles wegnehmen“, lautet ein Satz des Spiels, der beklemmend an heutige Stammtischdiskussionen erinnert. Nichts gegen das traditionelle Krippenspiel, meint Schredl im ersten Kapitel seines Buchs. Aber es müsse auch eine Botschaft dahinter sichtbar werden.

Wer zu Jesus an die Krippe geht, der kommt zur Ruhe – so fasst die Gemeindereferentin die Botschaft des diesjährigen Spiels zusammen. Deswegen wird auch eine Szene  geprobt, in der die Hirtenkinder  sich vor der Krippe gemütlich zusammenrollen und schlafen. „Keine  Angst, alles ist gut! Ruhe aus, habe Mut“, lautet einer der Verse, den die kleinen Darsteller vortragen. Ungewöhnlich ist der Titel des Stücks: „Ich kann nicht schlafen, meine Augen sind kaputt“. Diesen Satz hörte die Autorin Ursula Gerl einst aus dem Mund ihres damals dreijährigen Sohns, der sich allerlei Ausreden einfallen ließ, um noch aufbleiben zu dürfen. Jahrzehnte später hat Gerl, Religionslehrerin mit Gemeindeauftrag in Ingolstadt/St. Anton, um diese Anekdote herum ein kurzes Spiel über ein Hirtenkind gemacht, das einfach nicht einschlafen will. Weil die Nacht so hell ist, macht es sich mit seiner Mutter auf den Weg, um nachzusehen, woher dieses Licht kommt.

Jugendliche mit dabei

Gerl hat auf Bitten von Pfarrer  Schredl noch einige weitere  Krippenspiele zu seinem Buch  beigesteuert. Dazu gehört auch „Betlehem ist überall“, das sie  gerade in ihrer eigenen Pfarrei einstudiert. Der erste Teil ist ein kurzes klassisches Krippenspiel  mit Grundschülern. Ihren ersten Auftritt haben sie bei der Kinderkrippenfeier für die ganz Kleinen. In der anschließenden Kinderchristmette, zu der auch viele ältere Leute kommen und die Kirche proppenvoll ist, folgt noch ein zweiter Teil, der von Jugendlichen präsentiert wird: Eine Familie kommt vom idyllischen Krippenspiel nach Hause, schaltet den Fernseher ein – und landet bei  einer Reportage über das von  Gewalt erschütterte, durch eine Sperrmauer getrennte Betlehem. „Wenn die Jugendlichen spielen, sind die Leute wie gebannt“, erzählt Gerl. Die jungen Leute, die eigentlich eine Theatergruppe in der Pfarrei bilden, machen seit vier Jahren – mit Unterstützung des Jugendchors – auch beim Krippenspiel mit. „Einer von ihnen, der hätte als Kind nie bei einem  Krippenspiel mitgemacht“, weiß Gerl, „aber jetzt gefällt‘s ihm!“

Manchmal baut Gerl in ein  Krippenspiel auch Sätze ein, die sie im Religionsunterricht oder in der Gruppenstunde von den Kindern hört und die ihr nachgehen. „Wenn sie nur aufhören würden zu streiten“, vertraute ihr etwa eine Neunjährige an, die Angst hatte, die Eltern könnten sich trennen.

Junge Darsteller zu finden, damit  hat Gerl keine Probleme. Die Kinder seien durch Schülergottesdienste und Ministrantendienst so geübt, dass sie sich in der Kirche ganz unbefangen und ohne Angst bewegten. Von einer Vorliebe kann sie jedoch berichten: „Die Kinder möchten am liebsten alle Hirten spielen.“

Gabi Gess, Kirchenzeitung Nr. 51/52 vom 20./27. Dezember 2015