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Umweltschutz mit einer neuen Mystik

Gut besuchter Studientag in Eichstätt zur Enzyklika „Laudato Si“ / Kritik am Konsumverhalten

Der Papst lade alle Menschen ein „in die ökologische  Mitsorge einzutreten“, erklärte Bischof Gregor Maria Hanke  beim Studientag zur Enzyklika „Laudato Si / Die Sorge um das gemeinsame Haus“ in Eichstätt. Rund 130 Interessierte waren ins Priesterseminar gekommen, um gemeinsam der Frage nachzugehen: „Was zu tun ist?“, so der ganze  Titel der Veranstaltung des Referats Schöpfung und Klimaschutz im Bistum Eichstätt und des Landesbildungswerks der Katholischen Landvolkbewegung.

Nur im Dialog

Hanke machte in seiner Begrüßung deutlich, dass die ökologischen und sozialen Probleme dringend stärker in den Blick genommen werden müssten, und einen Dialog erfordern, „ohne den es keine Veränderung geben wird“. Ähnlich wie im Mönchtum sei eine von Achtsamkeit geprägte Einstellung zum Leben erforderlich, so der Oberhirte, der selbst dem Benediktinerorden angehört.

Den ersten Teil des Studientags bestritt der emeritierte Professor für Missionswissenschaft, Paulo Suess. Der Augsburger Diözesanpriester lebt seit 50 Jahren in  Brasilien und gilt als Vertreter der Theologie der Befreiung und der Inkulturation. Suess sprach offen das individuelle und kollektive Konsum- und Wirtschaftsverhalten an, dass zur Ausbeutung der Erde und „der ärmsten Menschen“ führe. Aus „Laudato Si“ schlage einem „pfingstliches Feuer entgegen“, sagte Suess. „Die brennende Zündschnur, die an den Planeten Erde angelegt ist, soll in den Staub  getreten werden!“ Papst Franziskus nehme, wie Jesus, konsequent den Blickwinkel der Armen und Unterdrückten ein. Die zentrale Aussage der Enzyklika ist aus Suess’ Sicht, dass sich soziale und ökologische Fragen nicht trennen lassen (siehe Interview Seite 5). Es gelte das Konsumverhalten konsequent zu hinterfragen und „zumindest in kleinen

Schritten“ zu ändern, um zu einem „weniger ist mehr“ zu kommen. Menschen und Einrichtungen sollten immer wieder etwas „umsonst“ machen – das schlage Schneisen in die Logik des Marktes, sagte Suess. Dafür brauche es eine neue Mystik, die es ermögliche, „unsere Gewohnheiten zu verändern“.

Am Nachmittag erlebten die Besucher des Studientags eine Podiumsdiskussion mit Vertretern aus Kirche, Politik, Gesellschaft, Wissenschaft und Wirtschaft. Unter der Leitung von Moderator Christoph Renzikowski von der Katholischen Nachrichtenagentur gaben zunächst alle Teilnehmer des Podiums ein kurzes Statement ab, über die Bedeutung der Enzyklika für ihren Bereich. Anschließend durften sie sich untereinander gegenseitig eine Frage stellen, ehe sich kurz Fragen aus dem Publikum anschlossen.

„Laudato Si“ lese sich für ihn wie ein Weckruf, erklärte  Ministerialdirektor Dr. Christian Barth, Amtschef des Bayerischen Umwelt- und Verbraucherschutzministeriums. Nachhaltigkeit im Sinne des Papstes bedeute Wohlstand erreichen ohne die Umwelt zu zerstören, führte der Staats- beamte fort. Hier seien im Bereich Klimaschutz oder Abfallwirtschaft in Bayern bereits Erfolge erzielt worden. Es gebe aber auch noch Defizite.

Professor Ulrich Bartosch zeigte sich beeindruckt, von der Art und Weise, wie Papst Franziskus über die Wissenschaft schreibt: mit Respekt und Distanz. Der Vorsitzende der Vereinigung Deutscher Wissenschaftler sei nach dem Erscheinen der Enzyklika im Juni vergangenen Jahres immer wieder von Kollegen angesprochen worden: „Wisst ihr eigentlich, was ihr da mit ‚Laudato Si‘ habt?“ In der Beschäftigung mit dem Schreiben stellte er fest, dass es ein Text sei, der „aus der Mitte kommt“, und der viele Themen und die Arbeit von vielen Jahren miteinander vereine. Die Katholische Universität werde sich  noch intensiver damit auseinander setzen, kündigte er an.

Auf die individuelle Verantwortung für die Schöpfungsbewahrung machte Ivo Parvanov aufmerksam. Der Vertreter der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft, versuchte die komplexen globalen Zusammenhänge deutlich zu machen: Geringeres Wachstum in wohlhabenden Ländern, ausgelöst beispielsweise durch Verzicht, könne zu mehr Armut in anderen Ländern führen.

Ökologie und Soziales dürften nicht gegeneinander ausgespielt werden, forderte Professor Hubert Weiger vom Bund Naturschutz. Die Enzyklika bezeichnete er als einen „gewaltigen“ ökumenischen Schritt nach vorne.

Prälat Dr. Lorenz Wolf lobte die Enzyklika, die „pointiert und aufrüttelnd“, Vieles wiedergebe, was eigentlich schon längst allen bekannt sei. Es sei jedoch erforderlich, dass Wissen anzuwenden. Das „Sein wollen wie Gott hat schon zu viel Elend gebracht“, bekannte Wolf.

Andrea Franzetti, Kirchenzeitung Nr. 11 vom 13. März 2016