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So lernen beide Seiten voneinander

Maria-Ward-Realschule bietet Deutschunterricht für Flüchtlingskinder/Integration im Alltag

Es wird ein Kommen und Gehen geben, dessen waren sich die Verantwortlichen beim Start Anfang Januar bewusst. Mit 23 Kindern und Jugendlichen begann die ehrgeizige Initiative „Willkommensklasse“ an der diözesanen Maria-Ward-Realschule in Rebdorf (die KiZ berichtete). In der Faschingswoche drückten dann nur noch acht Flüchtlinge aus der Erstaufnahmeeinrichtung in Eichstätt die Schulbank. Und doch sei die Initiative wichtig, weil sonst so viel Ressourcen den Bach runtergehen würden, erklärt Schulleiterin Prof. Dr. Barbara Staudigl im Gespräch mit der Kirchenzeitung.

Gegen die Langeweile

Vom Gesetz her dürfen Kinder, die in Erstaufnahmeeinrichtungen leben, noch keine deutsche Schule besuchen. Erst nachdem sie in eine dezentrale Unterkunft umgezogen sind, werden sie auch schulpflichtig. In der Erstaufnahmeeinrichtung in den ehemaligen Maria-Ward-Gebäuden am Residenzplatz in Eichstätt sind die Menschen manchmal nur wenige Wochen, manchmal aber auch bis zu drei Monate lang. Da die Realschüler aus Rebdorf immer noch ihre alte Turnhalle mitten in der Stadt nutzen, bekamen sie hautnah mit, dass sich die Kinder in der Einrichtung dort vormittags oft langweilten, erzählen Staudigl und ihre Kollegin, Konrektorin Claudia Reil. Schüler und Lehrer überlegten, wie für Abhilfe gesorgt werden könnte. Wie ein Wink von oben kam dann im Juni vergangenen Jahres ein Brief von der Deutschen Bischofskonferenz.

Der Vorsitzende der Migrationskonferenz, Bischof Norbert Trelle, wandte sich darin an die Träger aller katholischen Schulen und die Schulreferate der Diözesen. Er sprach offen die Situation der Menschen an, „die sich ohne Aufenthaltstitel oder Duldung in Deutschland“ aufhalten. Gerade Kinder „bedürfen unserer besonderen Aufmerksamkeit“, schrieb der Hildesheimer Bischof. Er untermauerte seine Argumente mit einem Informationspapier des Katholischen Forums „Leben in der Illegalität“. In diesem zweiseitigen Dokument geht es vor allen Dingen um Menschen, die ohne gültige Papiere in Deutschland leben und denen katholische Schulen helfen könnten, weil sie gesetzlich nicht verpflichtet sind, „den irregulären Aufenthalt einer Familie an die zuständige Ausländerbehörde zu melden“. Auch beim Leiter der diözesanen Schulabteilung in Eichstätt, Dr. Peter Nothaft, landeten die Schreiben. Sie verschwanden jedoch nicht in der Schublade sondern dienten als Grundlage für Gespräche mit den Direktoren der diözesanen Schulen. Am Ende entwickelte sich die Idee weiter und es stand fest: Das probieren wir einfach aus.

„Wir mussten bei uns an der Schule nicht groß motivieren sondern nur alle Kräfte bündeln“, blicken Staudigl und Reil auf die letzten Monate zurück. Schüler, Lehrer und der Elternbeirat zeigten sich angetan von der Idee, Deutschunterricht für Flüchtlingskinder anzubieten. Schnell fanden sich engagierte Lehrer aus dem Maria-Ward-Kollegium bereit, hier mit einzusteigen. Mithilfe der Caritas stießen sie zudem auf Dorey Mamou. Der 32-Jährige hatte in seiner Heimat Syrien bereits als Englischlehrer gearbeitet. 2012 war er nach Deutschland gekommen. Als Christ war die Lage für ihn zu gefährlich geworden. „Ich musste täglich 60 Kilometer zu meiner Schule zurücklegen“, berichtet er. Der Weg dorthin wurde von Tag zu Tag gefährlicher. Außerdem stand der Militärdienst an. Er entschloss sich zur Flucht nach Deutschland, wo bereits seit 13 Jahren seine Schwester lebt.

Halbe Stelle geschaffen

Die Schulabteilung der Diözese schuf eine halbe Stelle, die vorerst bis zum Ende des Schuljahres befristet ist. Mamou gilt offiziell nicht als Lehrer sondern als Klassenleiter. Und die acht bis 16-Jährigen, die er täglich vier Schulstunden lang betreut, sind keine Schüler sondern Gäste an der Maria-Ward-Schule. Die Gesetzeslage schreibt das vor. Beim Weihnachtsgottesdienst der Schule stellte sich Mamou vor und nach den Weihnachtsferien legte er dann los.

Jeden Tag um 9.30 Uhr holt Mamou die Flüchtlingskinder in der Erstaufnahmeeinrichtung ab. Mit der sogenannten Sportbus-Linie geht es raus nach Rebdorf. Der Pendelbus ist nötig, weil am Realschulzentrum in Rebdorf noch keine Turnhalle zur Verfügung steht. Jeden Schultag bringt diese Linie die Schüler zur Halle an der alten Schule. Und wenn die ersten Klassen dort angekommen sind, nimmt der Bus die Flüchtlingskinder mit hinaus. Der Unterricht findet in Raum W 011, im zur Altmühl gelegenen Wasserbau der Schule, statt. Gut 20 Kollegen unterstützen Mamou. Meist in Kleingruppen werden die Kinder je nach Kenntnisstand unterrichtet. Auf dem Lehrplan stehen vor allen Dingen Schriftübungen, da viele der Gastschüler bisher nur die arabische Schrift gelernt haben. „Die Kinder sind unglaublich lernhungrig und wollen immer schnell eine Rückmeldung“, weiß Reil aus eigener Erfahrung. Für den Unterricht benutzt sie Lernmaterialien aus dem Internet. Keiner der Lehrer hat bisher große Erfahrungen mit Deutsch als Fremdsprache gehabt. Im Schulalltag sind sie für Mathematik, Englisch oder Sport zuständig. Auch Staudigl geht regelmäßig in einer ihrer Freistunden in die Gruppe. Alle Lehrer sind freiwillig im Einsatz, in ihrer Freizeit. Es gibt Pläne, wann wer Zeit hat und die Gäste mitbetreuen kann. Schülerinnen aus den zehnten Klassen sind ebenfalls mit von der Partie.

Für Eva Schroll aus der 10 c war es keine Frage, bei der Willkommensklasse mitzumachen: „Ich finde es gut, weil die Kinder durch den Unterricht integriert werden.“ Einmal in der Woche lernt sie in der sechsten Stunde mit den Gästen, die alle aus Syrien oder Afghanistan kommen, Deutsch oder spielt mit ihnen. Kevser Uzunkaya springt ebenfalls in ihrer Freistunde und in der großen Pause ein. Beim Ortstermin der Kirchenzeitung hilft sie zudem als Dolmetscherin. Einige der Flüchtlinge sprechen Türkisch und so erfährt sie von Abdul-Hakim, dass der Unterricht Spaß mache. „Ich bin glücklich hier zu sein“, sagt der junge Syrer. Wie groß die Solidarität der Maria-Ward-Schüler ist, zeigte sich kurz vor Weihnachten. In ihren Klassen hatte Konrektorin Reil zu Spenden aufgerufen, um die künftigen Gastschüler zu unterstützen. Es seien etliche Schultaschen, Hefte, Stifte und Malkästen zusammengekommen, berichtet sie erfreut.

Wer zahlt den Bus?

Tobias Geyer, Leiter der Erstaufnahmeeinrichtung in Eichstätt, sieht in der Willkommensklasse nicht nur ein Angebot für die Kinder. Der regelmäßige Schulbesuch gebe auch den Eltern Struktur im Alltag. Um sie noch stärker mit einzubinden, plant der Elternbeirat der Maria-Ward-Schule übrigens ein Elterncafé. Für die Kinder sei es wichtig, „auch mal raus zu kommen“, sagt Geyer. Zwar gebe es in der Erstaufnahme auch Deutschunterricht, doch die Busfahrten nach Rebdorf und der Besuch der Willkommensklasse „sorgen für ein anderes Klima“, weiß Geyer aus Erfahrung. An den Kosten für den Schulbus wäre die Initiative allerdings beinahe gescheitert. Wie Reil berichtet, sei der Sozialfonds Nachbar in Not, an dem Caritas und Diözese beteiligt sind, hier eingesprungen.

Schulleiterin Staudigl ist nach dem ersten Monat Willkommensklasse immer noch ganz begeistert von dem Projekt. Die Flüchtlinge und ihre Schüler kämen miteinander in Kontakt. Es könnten „beide Seiten voneinander lernen“, stellt sie zufrieden fest.

Ein Video zur Willkommensklasse finden Sie unter „www. bistum-eichstaett.de/video“.

Andrea Franzetti, Kirchenzeitung Nr. 7 vom 14. Februar 2016