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Schülern das Wertvollste mitgeben

Dr. Berthold Saup, einer der Väter des reformpädagogischen Marchtaler Plans, sprach in Eichstätt

Der Marchtaler Plan, das ist ein Begriff, der in der katholischen Schullandschaft der Diözese Eichstätt immer öfter zu hören ist. Die Maria Ward-Realschule Eichstätt setzt ebenso wie die Freie katholische Grundschule im Haus St. Marien in Neumarkt auf das reformpädagogische Konzept, das an der kirchlichen Akademie der Lehrerfortbildung in Obermarchtal (Diözese Rottenburg-Stuttgart) entwickelt wurde. Einer der Pioniere von damals, Dr. Berthold Saup, präsentierte die Grundidee des Marchtaler Plans bei einem Festvortrag vor Absolventen einer Weiterbildung in Reformpädagogik. Der promovierte Theologe sowie langjährige Lehrer, Schulleiter und Schulamtsdirektor sprach im Eichstätter Priesterseminar über „das biblisch-christliche Menschenbild als Fundament katholischer Schulen“.

Überflieger oder weniger Begabte, Wohlstandskinder oder solche, deren Eltern das Geld für die Klassenfahrt fehlt – die Vielfalt an Schülerbiographien führte Saup direkt zu der Frage: Was ist der Mensch? „Wenn wir uns als christliche Pädagogen dieser Frage stellen, so sind wir auf die Urkunde unseres Glaubens zurückverwiesen, auf die Heilige Schrift“, fügte er hinzu und formulierte anhand konkreter Bibelstellen sechs Grundaussagen zum Menschen. „Geschaffen und beauftragt“ lautete die erste davon. Abbild Gottes zu sein, „sein Statthalter in der Schöpfung“, daraus erwachse die Würde des Menschen, sagte Saup, „und diese Zuschreibung kommt jedem Menschen zu“. Nehme man diese Aussage im Schulleben radikal ernst, „dann darf ein Kind nie Objekt pädagogischer Versuche sein, niemals so hingebogen werden, dass es anderen Vorstellungen entspricht, sondern dann ist es unsere Aufgabe, es auf seinem Weg zu sich selber zu begleiten, ihm Rede und Antwort zu stehen in existenziellen Fragen nach Sinn und Ziel“.

„Gehalten und geborgen“, hieß die zweite Grundaussage: „Ich, Gott, kenne Deinen Namen, kenne jede Kleinigkeit an Dir.“ Gott schenke Zuwendung, wie sie gerade Heranwachsende in der Pubertät suchten. Auch wenn es nach außen oft anders aussehe, seien sie dankbar für klare Signale: „Du bist mir wichtig und wertvoll, so wie Du bist. Ich lasse Dich nicht fallen.“

Seine dritte Grundthese, „sündig und entfremdet“, die „passt so gar nicht zur Kuschelpädagogik“, führte der Referent aus. Aufgabe der Lehrkräfte sei es vielmehr, die Schüler sensibel zu machen für das Böse, das Dunkle, was mit dem alten Wort Gewissenserforschung gut umrissen sei. Ein erfahrener Jugendrichter habe ihm von einer erschreckenden Beobachtung berichtet: Die allermeisten jungen Straftäter seien heute unfähig, Reue zu zeigen. In der Schule gelte es, die Fähigkeit zur Reue, „aus der der Blick nach vorne erwachsen kann“, zu fördern.

„Neu geschaffen und erlöst“ lautete die vierte Grundaussage, die Saup ins Schulleben übersetzte: Wenn ein Schüler spüre, dass er trotz aller Niederlagen und Tiefschläge nicht weggeschoben werde, sondern kleine Zeichen der Ermutigung erfahre, „dann hilft das mehr als große Worte“.

Die fünfte Kernaussage, „zur Freiheit befreit“ sei ein wesentlicher Eckpunkt bei der Entstehung des Marchtaler Plans gewesen, stellte Saup fest. Freiheit sei zuallererst Gabe, aber sie sei nicht schrankenlos, sondern als „der siamesische Zwilling der Verantwortung“ auch Aufgabe. Für die Schule sei dies ein zentraler Auftrag. Katholische Pädagogik müsse Raum schaffen zum Erlernen des verantwortlichen Umgangs mit Freiheit.

Als letzten Punkt, den er unter dem Satz „zur Vollendung berufen“ zusammenfasste, forderte Saup seine Lehrerkollegen auf: „Geben Sie Ihren Schülern das Beste und Wertvollste mit auf den Weg, was Sie haben: Die Hoffnung, dass das Leben nicht vergebens ist, sondern in Gottes Fülle mündet.“

Viel Überzeugungsarbeit

Im Gespräch mit der KiZ beschrieb Saup anschließend die Situation, die zum Entstehen des Marchtaler Plans führte. Nach der Abschaffung öffentlicher Bekenntnisschulen in Baden-Württemberg Ende der 1960er-Jahre waren zahlreiche private Schulen auf der Basis von Elternvereinen entstanden, die sich schon bald die Frage stellten: Was ist uns wichtig? Was ist unser Spezifikum? „Dann wurde 1978 in Obermarchtal von den katholischen freien Schulen eine Akademie gegründet, und da kamen all diese Ideen zusammen.“ Es habe die Suche begonnen nach einer Konzeption, „die die Inhalte des christlichen Menschenbilds pädagogisch umsetzt. Und wir haben schnell gemerkt, dass wir dafür neue Elemente schaffen müssen“. Viel Überzeugungsarbeit sei bei den Schulbehörden zu leisten gewesen: „Es hieß lange: ‘Das geht nicht, dass Schüler still arbeiten’ oder ‘Es geht nicht, dass man die 45-Minuten-Einheiten abschafft’.“ Dass keine Schule gerne „heilige Kühe schlachtet“ und die Umstellung auf neue Formen des Lehrens und Lernens nicht leicht ist, nennt Saup auch als Grund, weshalb die Entdeckung des Marchtaler Plan durch andere Diözesen so lange gedauert hat.

Gabi Gess, Kirchenzeitung Nr. 40 vom 6. Oktober 2013