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Ökologische Solidarität am Seeufer

Ökumenische Schöpfungszeit startet mit Vesper in Muhr am See / Führung über die Vogelinsel

Mitte der 1970er-Jahre rollten die Bagger, wurden Wiesen und Felder umgegraben, gewaltige Erdmassen bewegt, Löcher ausgehoben, Hügel aufgeschüttet. In Mittelfranken entstand seinerzeit das Fränkische Seenland. Es war ein gewaltiger Eingriff in die Natur, in die Schöpfung, wenn man so will.
Genau in eben diesem Seenland, am Altmühlsee bei Muhr am See, gedachten jetzt Vertreter dreier christlicher Kirchen der Schöpfung bei der bayernweiten Auftaktveranstaltung zum Tag der Schöpfung. Auf einem Hügel bei der damals künstlich geschaffenen Vogelinsel feierten über 200 Gläubige eine ökumenische Vesper die ganz im Zeichen der „ökologischen Solidarität“ stand, wie es Dr. Seraphim Joanta in seiner Ansprache betonte.

Der Metropolit der rumänisch-orthodoxen Kirche erinnerte an Gottes Auftrag an die Menschen, sich die Erde untertan zu machen. Dies sei häufig „als Freibrief verstanden worden, die Erde auszubeuten“. Zwar habe es Fortschritte gegeben, aber „auch viele Schatten“. Die Ressourcen der Erde würden „so stark ausgenutzt, als hätten wir keine Nachfahren“, erklärte Joanta. In den „Wäldern und Steppen des Ostens“ hab es viele Mönche und Einsiedler gegeben, die „nicht die Herrschaft über die Erde übernommen“, sondern in Einklang mit der Natur gelebt hätten. „Sie haben Kräuter gesammelt und nur das genommen, was sie zum Überleben benötigten.“ Der Metropolit rief dazu auf, „der Gier und der Gefühlslosigkeit Grenzen zu setzen“. Die Menschen sollten „die Schöpfung in sich tragen, ihre Schönheit erkennen und sie heiligen“.

Liturgischer Kalender

In der orthodoxen Kirche ist der 1. September der Beginn des Kirchenjahres und wird als Tag der Schöpfung gefeiert. Auf dem Ökumenischen Kirchentag im vergangenen Jahr in München griffen die Mitglieder der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen (ACK) diesen Gedanken auf, und riefen den gemeinsamen Aktionstag und die ökumenische Schöpfungszeit aus. Heuer dauert diese vom 1. September bis zum 4. Oktober.

Der Tag der Schöpfung steht  zum ersten Mal im liturgischen Kalendarium des Bistums Eichstätt, berichtet Werner Hentschel. Der Liturgiereferent der Diözese erklärt im Gespräch mit der KiZ, dass „dieser Tag im amtlichen katholischen Kalender nicht verpflichtend“ sei, die Liturgiekommission aber einer Aufnahme zugestimmt habe. Der Tag solle dazu dienen „Aufmerksamkeit zu erregen“. Pfarreien können in der vorgebenen Zeitspanne das Thema Schöpfung aufgreifen, für eine ökumenische Feier. Das Umweltreferat des Bistums Eichstätt könne dazu Material zur Verfügung stellen, erklärt Lisa Amon. Da die Aktion aber noch neu sei, gebe es bisher nur ein Heft zum Erntedankfest, ergänzt die Umweltreferentin des Bistum. Die Texte dieser Arbeitshilfe, herausgegeben von der Katholischen Landvolkbewegung Bayern, ließen sich aber auch auf die Schöpfungszeit übertragen.
Viele Pfarreien würden „ja schon beim Erntedankfest“ ökologische Aspekte mit einbauen, sagt Hentschel. Den neu im liturgischen Kalender eingeführten Schöpfungstag sieht er daher mit gemischten Gefühlen. Von Aktionen aus den Pfarreien im Bistum weiß er nichts, und auch Lisa Amon hat noch keine Anfrage nach Infomaterialien bekommen. Für Hentschel wäre es schon „ein persönlicher Gewinn“ wenn in der kommenden Zeit bei Fürbitten der Schöpfungsgedanke aufgegriffen würde.

Bei der Vesper am Altmühlsee war dies (natürlich) der Fall, schließlich waren hier katholische und evangelische Umweltbeauftragte an der Vorbereitung beteiligt. Bei mehreren Treffen in Ansbach planten unter anderem Lisa Amon und Dr. Wolfgang Schürgen, Beauftragter der evangelischen Landeskirche Bayern für Umwelt- und Klimaverantwortung, diese Veranstaltung.

Begonnen hatte der Tag der Schöpfung mit einer Führung über die Vogelinsel. Antje Bölt vom Landesbund für Vogelschutz (LBV) begleitete eine kleine Gruppe Interessierter durch das Naturschutzgebiet im Altmühlsee. Bis zu 300 Vogelarten, darunter Silberreiher, Seeadler und auch Störche, könnten das ganze Jahr über beobachtet werden, erklärte die Leiterin der LBV-Umweltstation. Ausgestattet mit Ferngläsern konnten sich die Teilnehmer der Führung von einem neu errichteten Aussichtsturm auf der Insel selbst ein Bild verschaffen, von der Artenvielfalt in dem geschützten Gebiet.

Mitglieder des LBV beteiligten sich aktiv an der Vesper, beim Kabel ausrollen für die Lautsprecheranlage, aber auch mit Texten bei der Zeremonie. Martina Widuch stellte die Arbeit des LBV vor und nannte als wichtiges Ziel die „Bildung für nachhaltige Entwicklung“. Der LBV versuche „die Schätze und Kostbarkeiten der Natur, den Menschen näher zu bringen“. Auf der Vogelinsel ließe sich  „Artenschutz und sanfter Tourismus“ so verbinden, erklärte sie. An die Anwesenden appellierte die Biologin: „Jeder Gläubige sollte ein Naturschützer sein.“

Für die evangelisch-lutherische Kirche sprachen Dekan Klaus Mendel und Regionalbischof Christian Schmidt bei der Vesper.

Schmidt begrüßte den neu eingeführten Schöpfungstag, der anders als das Erntedankfest dazu da sei: „Gott zu loben, ohne gleich etwas von ihm zu verlangen“. Er erinnerte an das Umweltmanagement der evangelischen Landeskirche und die damit verbundene energetische Sanierung von Gebäuden. Dekan Mendel äußerte sich nach der Vesper kritisch zu dem gegenwärtigen Aktionismus: „Ich kann noch so viele Beschlüsse fassen, aber wenn es an die Umsetzung geht wird es schwierig.“ Die Ambivalenz sei ihm durchaus bewusst, betonte er.

Archimandrit Dr. Andreas A. Thiermeyer stellte den Wettersegen und den Sonnengesang Franz von Assisis in den Mittelpunkt seiner Rede. „Die Menschen erleben die Natur als Gefahr“, sagte er mit Blick auf Stürme, die beispielsweise die Ernte vernichten. „Da geht es ums Überleben“, betonte der Umweltbeauftragte des Bistums. Nicht umsonst würde um „gedeihliches Wetter für die Ernte und um die Verschonung vor Unwettern und Katastrophen“ gebetet.

Zu Zeiten Franz von Assisis sei der Begriff Umweltschutz noch nicht präsent gewesen, und doch habe der Heilige sich aktiv für den Erhalt seiner Umwelt eingesetzt. Er habe „die Schöpfung als Geschenk Gottes erkannt“ und entsprechend gehandelt. Thiermeyer brachte Beispiele aus dem Leben des Heiligen: „Franziskus befahl beispielsweise seinen Brüdern, einen Baum nicht völlig zu fällen, damit er wieder ausschlagen könne.“ Diese und weitere seiner Taten zeigten die Verehrung der Natur, die Ehrfurcht und auch den Dank Franz von Assis an Gott, den Schöpfer.

Andrea Franzetti, Kirchenzeitung Nr. 37 vom 11. September 2011

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