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Mehr Verständnis mit Dunkeljurte

Die Pfadfinder der DPSG nehmen das Thema Inklusion auf ihrem Lager ernst

Dutzende Zelte, hunderte Pfadfinder: Wenn man durch das Lagertor auf dem Willy Brandt-Zeltlagerplatz in Reinwarzhofen bei Thalmässing tritt, steht man mittendrin im bunten Treiben. Die Pfadfinder der Deutschen Pfadfinderschaft St. Georg (DPSG) aus dem Diözesanverband Würzburg hielten hier kürzlich auf dem Gebiet des Bistums Eichstätt ihr Diözesanlager unter dem Namen „Funkenflug“ ab.

Dabei reichte schon ein kurzer Gang durch die aufwändig errichtete Zeltstadt, um einige Besonderheiten zu entdecken. Beispielsweise das Konzept für die verschiedenen Altersstufen, die alle eigene Aufgaben und Teillager bekamen. So haben die Wölflinge, die jüngsten Pfadfinder, eigene Dörfer errichtet, während die Älteren beispielsweise einen Pizzaofen aus Lehm oder einen Pool gebaut haben. Auch die Internationalität (Brasilianer, Algerier, Franzosen und Spanier waren mit vor Ort) zeichnete das Lager aus. Und gerade die aufwändig errichtete Infrastruktur mit 24-Stunden-Rezeption im Zelt und eigenem Leitercafé zeigte, dass hier echte Freizeitlager-Profis am Werk waren.

Miteinander auf Lager

Doch es ist eine weitere Besonderheit, die nochmals gesonderte Aufmerksamkeit verdient. Der Diözesanverband Würzburg ist nämlich vorne dabei, wenn es um das Thema „Inklusion“ (Miteinander von Menschen mit und ohne Behinderung) geht und setzt dieses auch auf Lagern wie dem diesjährigen Diözesanlager um. Sebastian Ebert ist einer der Pfadfinder auf dem Lager, der sich schon intensiv mit den Themen Inklusion und Behindertenarbeit auseinandergesetzt hat. Er studiert Soziale Arbeit und absolvierte sein Praxissemester im Würzburger Diözesanbüro der Georgspfadfinder. Hier kam er mit diesem Thema in Berührung und arbeitete bei Projekten mit. Der Arbeitskreis „Bm²“ ist dabei die Anlaufstelle. „Die Bezeichnung steht für Behinderte machen mit“, erklärt Ebert.

Man sitzt hier bei den Pfadfindern auf Strohballen im Zelt, einen dampfenden Kaffee im Haferl vor sich, während Sebastian Ebert die Herausforderungen seiner Arbeit schildert. „Das geht schon damit los, wenn es nach einem Regen nass ist und der Boden weich ist. Das kann ein Problem für Rollstuhlfahrer sein“, sagt Ebert. Um Lager auch für Menschen mit Behinderung zu ermöglichen, habe man deswegen immer spezielle Betreuer und Ausstattung mit dabei.

Wichtiger Arbeitskreis

Darüber hinaus organisiert der Arbeitskreis „Bm²“ auch besondere Treffen wie Segelfreizeiten für die Mitglieder. Das in dieser Richtung so viel möglich ist, liegt an der dicken Personaldecke: mit Frederik Merkt gibt es in Würzburg bei den Pfadfindern einen eigenen Referenten für Behindertenarbeit, der zudem auf viele Ehrenamtliche zurückgreifen kann. Und auch ganz konkret vor Ort wird Aufklärungsarbeit geleistet: mit der Dunkeljurte. Hier haben die Georgspfadfinder das Prinzip des Dunkelcafés auf den Zeltplatz übertragen und ein besonderes Dunkelzelt gebaut. In eines der großen, schwarzen, typischen Pfadfinderzelte wurde ein zweites, etwas kleineres Schwarzzelt gesetzt, das nochmal speziell abgedichtet und mit einem Lüftungsrohr versehen wurde. In diesem zweiten Zelt ist es wirklich komplett dunkel.

„Hier können die Besucher den Umgang mit Blindheit näher kennen lernen“, erläutert Ebert bei einem kleinen Rundgang, bei dem eine kleine Taschenlampe leuchten darf, um zumindest ansatzweise die Orientierung in der Jurte zu ermöglichen. Im Dunkeln zeigen Blinde den Besuchern, wie beispielsweise das Radar-Gehen mit dem Blindenstock funktioniert, oder wie man blind ein Glas einschenken kann, ohne das etwas überläuft. Und in Gesprächen im Dunkeln kann man noch einiges mehr erfahren. Zusätzlich gibt es spezielle Brillen, um unterschiedliche Seh-Handicaps zu simulieren oder Vorrichtungen, die beispielsweise beim Schreiben die Himmelsrichtungen vollkommen umkehren. Eine Schlangenlinie zeichnen kann dann schon zur Herausforderung werden.

Alle Angebote von „Bm²“ haben insgesamt jedoch das selbe Ziel. „Behinderung als Begriff soll es irgendwann nicht mehr geben“, findet Ebert. „Nicht auf die Wörter kommt es an, sondern darauf, dass die Menschen im Umgang mit Behinderung sensibilisiert werden.“ Ganz ähnlich sehen das auch Simi Guichard und Jasmin Fleischmann vom Arbeitskreis „Bm²“. Simi sitzt selbst im Rollstuhl, engagiert sich als Pfadfinderin und im Arbeitskreis und ist ein aktives Lagermitglied – ganz selbstverständlich. Jasmin Fleischmann drückt es so aus: „Die Ziele von, „Bm²“ sind, Pfadfinder in jedem Alter für die Themen Behinderung und Inklusion zu sensibilisieren und es Kindern mit Behinderung zu ermöglichen, Pfadfinder zu sein und an Lagern teilzunehmen. Der Idealfall wäre dann natürlich Inklusion in Gruppenstunden.“

Florian Lange, Kirchenzeitung Nr. 35 vom 31. August 2014