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Mehr Kenntnis, mehr Vertrauen

Christlich-muslimischer Dialog im Bistum Eichstätt/Neue Arbeitsgruppe soll unterstützend wirken

Als der deutsch-iranische Schriftsteller Navid Kermani unlängst den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels erhielt, erzählte er in seiner Dankesrede von Pater Jacques, einem syrischen Christen, der in die Gewalt der IS-Terrormilizen geraten war und den muslimische Bekannte unter Einsatz ihres eigenen Lebens retteten. Dies zeige „dass Liebe über die Religionen hinaus funktioniert“. Eine Mut machende Vision für alle, die den interreligiösen Dialog suchen und fördern möchten – so wie eine neu eingerichtete Arbeitsgruppe der Diözese Eichstätt, die auf Initiative von Bischof Gregor Maria Hanke entstanden ist (die KiZ berichtete) und die sich zunächst auf den christlich-muslimischen Dialog konzentrieren will.

Dem neuen Arbeitskreis, der Handreichungen und Arbeitshilfen für Seelsorgeeinheiten und Pfarreien erarbeiten soll, gehören Pfarrer und Ordensleute ebenso an wie Vertreter von Schulen oder der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt. Bei einigen hat sich die KiZ nach ihren bisherigen Erfahrungen vor Ort erkundigt.

„Wir laden uns gegenseitig zu Veranstaltungen ein“, kann zum Beispiel der Pfarrer von Treuchtlingen, Matthias Fischer, berichten. Das Verhältnis zur örtlichen muslimischen Gemeinde, die eine eigene Moschee in Treuchtlingen hat, sei angenehm: „Wir sind draußen, wenn sie ihre Kermes wie ein kleines Volksfest feiern“. Umgekehrt freute sich der Pfarrer über das Interesse der Muslime am Tag des offenen Glockenturms in der katholischen Pfarrkirche. Zum Pastoralbesuch von Bischof Gregor Maria Hanke in der Pfarrei Treuchtlingen gehörte 2011 ein Gespräch mit der Leitung des islamischen Vereins, „und einen Gegenbesuch beim Bischof gab‘s auch“, erinnert sich Fischer.

Anerkennende Worte

Elisabeth Gsänger hat das Verhältnis von Christen und Muslimen aus unterschiedlichen Blickwinkeln kennengelernt. Mit der Pfarrei war sie im September in Jordanien und hatte dort den Eindruck, dass die beiden Religionen friedlich zusammenleben. Andererseits hat die Altdorfer Religionslehrerin eine Kollegin, die mit einem gebürtigen Syrer verheiratet ist. Immer wieder berichtet diese über die schlimme Situation der Christen im Heimatland ihres Mannes. „Im Juli hatten wir eine Nacht der offenen Kirche, dabei hat eine syrische Familie von ihrer Flucht berichtet“, erzählt Gsänger. Letztes Jahr gab sie Religionsunterricht in einer Klasse, deren Schülerzahl durch Zuzug von Flüchtlingskindern von anfangs 19 auf 29 angestiegen war, „da haben fast die Stühle nicht mehr gereicht“.

Steht im katholischen Religionsunterricht das Thema Weltreligionen auf dem Stundenplan, dann lädt die Lehrerin manchmal muslimische Schüler ein. Wenn die dann erzählten, wie sie beten, dann hörten die katholischen Schüler interessiert zu, „auch wenn sie umgekehrt nicht so viel dazu sagen können“, meint Gsänger nüchtern, „das ist die Realität“.

Anteilnahme zeigen

Auch Pfarrer Dr. Clemens Hergenröder aus Ingolstadt/St. Konrad findet anerkennende Worte darüber, wie selbstverständlich für Muslime der Glaube zum Leben gehört und im Alltag bekundet wird. Im Gesprächsforum Christlich-islamischer Dialog der Stadt Ingolstadt, das bis in die 1980er-Jahre zurückgeht, vertritt Hergenröder gemeinsam mit dem Pfarrer der Ingolstädter Pfarrei St. Pius, Martin Geistbeck, die katholische Kirche. Jüngste gemeinsame Veranstaltung war ein interreligiöses Friedensgebet auf dem Ingolstädter Paradeplatz. „Mehr übereinander erfahren“ lautete die Devise zum Beispiel bei Gesprächsabenden über den Umgang mit Tod und Sterben, über Eheschließungen zwischen Angehörigen verschiedener Religionen oder auch über die Frage, warum sich zwei Hauptgruppen des Islams, Schiiten und Sunniten, gegenseitig bekämpfen. Unter dem Eindruck des Anschlags auf das Satiremagazin „Charlie Hebdo“ ging es auch um die Themen „Terror und Religion“ und „Religion und Satire“.

Zum Fastenbrechen sind die Christen regelmäßig eingeladen, nicht nur die Mitglieder des Dialogforums. „Wir versuchen das auch in den Stadtteilen zu praktizieren“, berichtet Hergenröder und nennt ein weiteres Beispiel für Begegnung: An der Grundschule sind die muslimischen Kinder dabei, wenn der Pfarrer den Adventskranz segnet. Umgekehrt gratulieren die katholischen Schüler zum muslimischen Opferfest.

Bei allen Aktivitäten ist Hergenröder eines wichtig: „Wir suchen nicht den kleinsten gemeinsamen Nenner, sondern wir achten uns und nehmen Anteil an der Feier des anderen.“ Der Glaube an die Kraft des Gebets vereine die Religionen, etwa in der Verantwortung für Frieden und Gerechtigkeit, aber es sei „kein gemeinsames Beten, sondern Beten in Gegenwart des anderen“.

Hergenröder erzählt noch ein anderes Beispiel, mit traurigem Hintergrund: Von den Erzieherinnen eines Kindergartens wurde er um Beistand gebeten, als ein muslimisches Kind tödlich verunglückte. Nachdem er im Kreis der Kinder eine Kerze entzündet und ein Gebet gesprochen hatte, machte der katholische Pfarrer auch einen Besuch bei der trauernden Familie und sprach seine Anteilnahme aus. Später fand noch eine Gedenkfeier im Kindergarten statt, bei der auch der Imam dabei war.

Das Thema christlich-muslimischer Dialog „müsste man stärker in der Ausbildung berücksichtigen“, sieht Hergenröder hier eine Chance für die theologische Fakultät der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt, „es wäre ein Zeichen der Zeit.“

Auch die Katholische Erwachsenenbildung (KEB) könne zum Dialog beitragen, meint der Direktor des Diözesanbildungswerks Eichstätt, Dr. Ludwig Brandl, der auch Leiter der neuen diözesanen Arbeitsgruppe ist. Die Veranstaltungen der KEB könnten helfen, „die Kenntnis über den Islam zu verbessern, gegenseitigen Respekt zu fördern, Vertrauen mitaufzubauen für ein friedvolles Miteinander in einer lebenswerten Gesellschaft“. Konkret liefen auf Diözesanebene Planungen zu einem Studientag zum Thema Barmherzigkeit im Christentum, im Islam und im Judentum, kündigt Brandl an. Darüber hinaus sei eine Autorenlesung geplant. „Selbstverständlich wird der Arbeitskreis hier bei den Planungen mit einbezogen. Und auch mit den Kollegen von den Kreisbildungswerken werden wir den christlich-muslimischen Dialog intensiviert thematisieren.“

Ordinariatsrätin Barbara Bagorski regt als langjährige Frauenseelsorge-Referentin der Diözese auch die Frauenverbände an, Räume des Dialogs zu eröffnen – durchaus auch mit Themen aus dem Alltagsbereich, wie Erziehung oder Ernährung.

„Was tut ihr dagegen?“

Sehr begrüßenswert findet Dekan Monsignore Richard Distler die Gründung des neuen diözesanen Arbeitskreises. Der Seelsorger der Neumarkter Hofpfarrei gehört der Runde zwar nicht selbst an, ist aber seit Jahren in einem Dialogforum aktiv, bei dem abwechselnd der türkisch-islamische Vereins sowie der katholische und der evangelische Dekan Gastgeber sind. Wie es ins Rollen kam, kann Distler an einem ganz konkreten Ereignis festmachen: Als Papst Johannes Paul II. 2005 starb, „da sind Muslime von sich aus zum Requiem gekommen und haben mir als Dekan persönlich kondoliert“. Der Draht ist bis heute gut, die Worte durchaus deutlich: „Was tut ihr gegen radikale Hassprediger?“ erinnert Distler die muslimischen Gesprächspartner an ihre Verantwortung.

Dass Religionen radikal werden können und Machtgelüste an erster Stelle stehen, hat Schwester Clarissa Strnisko am Beispiel der Terrormiliz Boko Haram selbst mitbekommen. Die Ordensfrau der Apostolischen Schwestern vom heiligen Johannes, die in Velburg das Haus Betanien führen, hat neun Jahre in Kamerum gelebt und dort ein Kloster aufgebaut. Für die studierte Theologin gibt es nur eine Grundregel für den Dialog der Religionen: „Wir müssen immer zu deren Ursprung gehen. Wenn ich zum Ursprung gehe, ist da Friede.“

Gabi Gess, Kirchenzeitung Nr. 45 vom 8. November 2015