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Endlich wieder die Predigt verstehen

Moderne Technik hilft Hörgeschädigten. Vielerorts aber fehlen Anlagen oder sind defekt

Christen sollen sich leiten lassen von einer Haltung des Hörens, das kommt in vielen Predigten zum Ausdruck. Und da fängt für manche Gottesdienstbesucher das Problem schon an: Sie können wegen einer Hörbeeinträchtigung rein akustisch nicht verstehen, was der Pfarrer sagt – selbst wenn sie ein Hörgerät tragen. Denn dieses verstärkt auch Hall- und Nebengeräusche im Raum und lässt die gesprochenen Worte nur noch diffus beim Empfänger ankommen. Der Einbau induktiver Höranlagen in Gotteshäuser könnte Abhilfe schaffen, aber das sei hierzulande oft noch „ein Begriff vom anderen Stern“, bedauert Edeltraud Kerschenlohr, die seit vielen Jahren selbst hörgeschädigt ist und sich für den Einbau solcher Anlagen in öffentlichen Gebäuden ihrer Region einsetzt. Umso mehr freut sich die 67-Jährige, dass es in ihrer Heimatkirche St. Johannes in Hilpoltstein seit kurzem eine funktionierende Anlage gibt. „Es ist eine Freude, jetzt als CI- oder Hörgeräteträger den Gottesdienst mitfeiern zu können“, sagt sie.

Alles ganz gedämpft

CI – das ist die Abkürzung für Cochlea-Implantat, eine Innenohrprothese für hochgradig Schwerhörige und Gehörlose, wie sie auch Kerschenlohr trägt. Als Mitglied einer Selbsthilfegruppe nahm sie 2010 an einem Symposium teil und lernte dabei das Prinzip induktiver Höranlagen kennen: Dabei wird ein mit Strom versorgter Draht zu einer Schleife im Fußboden verlegt. Um den Draht baut sich ein Magnetfeld auf. Wird Sprache oder Musik über eine Lautsprecheranlage eingespeist, entsteht ein schwaches, im Rhythmus der Sprache oder Musik pulsierendes Magnetfeld. Dieses kommt über die im Hörgerät eingebaute T-Spule an und verwandelt das Signal in hörbaren Schall. Da das im Hörgerät eingebaute Mikrofon bei induktivem Hören ausgeschaltet ist, sind alle Nebengeräusche ausgeblendet und die Sprache klingt deutlich ans Ohr des Zuhörers. Voraussetzung ist allerdings, dass dieser zum Hörgeräteakustiker geht und die T-Spule seines Hörgeräts aktivieren lässt.

Aber welche öffentlichen Gebäude sind überhaupt mit solchen Anlagen ausgestattet? Kerschenlohr begab sich in ihrer Region auf die Suche, schrieb unter anderem rund 50 katholische Pfarreien im Nürnberger Raum an und besuchte selbst in vielen Kirchen den Sonntagsgottesdienst. Manchmal erfuhr sie erst auf Nachfrage, ob es eine Induktionsanlage gab, weil entsprechende Hinweisschilder fehlten. Anlagen lagen im Dornröschenschlaf oder stellten sich als defekt heraus, was aber niemandem aufgefallen war – weil nie nachgefragt wurde.

In Hilpoltstein bedurfte es eines neuen Verstärkers für die vorhandene, aber nicht genutzte Vorrichtung. Auf Anregung von Hörgeräteträgern sei eine Spezialfirma beauftragt worden, die Anlage durchzumessen, berichtet Pfarrer Franz-Josef Gerner. Dabei habe sich gezeigt, dass „alles ganz gedämpft ankam“ bei Hörgeräte-trägern. Seit der neue Verstärker eingebaut wurde, habe er schon viele positive Rückmeldungen bekommen, berichtet der Pfarrer. Im Kirchenanzeiger wurde auf die Neuerung hingewiesen, woraufhin prompt einige Kirchgänger zu ihrem Hörgeräteakustiker marschiert seien, um die T-Spule ihres Hörgeräts aktivieren zu lassen.

Von Hörschäden seien längst nicht nur Senioren, sondern wegen des „Freizeitlärms“ auch immer mehr junge Leute betroffen, meint Gerner. „So traurig wie’s klingen mag: Hörgeräteakustiker ist heute ein sicherer Beruf.“ Laut Statistik sind heute 19 Prozent der deutschen Bevölkerung über 14 Jahren hör-geschädigt. „Wir haben gerade in der Hörgeschädigten-Seelsorge ganz viele junge Leute und auch die Zahl der Tinnitus-Patienten steigt“, sagt Pfarrer Alfred Grimm, der Leiter der Behindertenpastoral im Bistum Eichstätt. Alle, die aufgrund von Schwerhörigkeit dem Gottesdienst nicht mehr folgen können, ermuntert er, „dass sie sich trauen, dem Pfarrer zu sagen: Bei Euch versteh’ ich nur Bahnhof“. Hörprobleme dürften nicht der Grund sein „warum Leute nicht mehr in die Kirche gehen“.

Zusätzlich zu seiner Tätigkeit als Behindertenseelsorger ist Grimm auch Pfarrer der Nürnberger Gemeinde Maximilian Kolbe. Dort sei unter einem Teil der Bankreihen bereits eine Induktionsschleife verlegt gewesen, als er die Pfarrei übernahm, berichtet er. Mit dem Sachausschuss Behindertenpastoral des Diözesanrats hat er angeregt, dass die Erfassung von induktiven Höranlagen in die Baubegehungen der kirchlichen Gebäude im Bistum aufgenommen wird. Es lägen aber noch keine Zahlen vor.

Interessierte könnten jedoch bei den Mitarbeitern des Diözesanbauamts nachfragen, ob es in ihrer Kirche eine Induktionsanlage gibt, sagt Adolf Metz, der sich mit mehreren Kollegen die Zuständigkeit für die Diözese aufteilt. Eine gute Gelegenheit zum Einbau einer induktiven Höranlage biete sich „wenn man sowieso eine Sanierung plant“, regt der Bautechniker an.

Es seien nur ganz dünne Kabel, die unter Steinfugen und Kabelkanälen versteckt oder unter hölzernen Sitzbank-Podesten verlegt werden könnten.

Aufklärung nötig

Damit die Anlage später auch funktioniert, sollte sie jedoch von Spezialisten installiert werden und der DIN-Norm entsprechen. Ein Mitbruder habe ihm einmal vorgeschlagen, den Draht nach einem Bauplan aus dem Internet selbst zu verlegen, erzählt Pfarrer Grimm. „Das ist natürlich gut gemeint, aber da bedarf es der Profis.“

Wie viel sich mit dem Einbau für Betroffene verbessert, berichtet der junge Pfarrgemeinderat Martin Schmidt aus Schönfeld bei Eichstätt, wo es seit 2012 eine Induktionsanlage in der Kirche gibt: „Ich bin an Taubheit grenzend schwerhörig, von Kindheit an. Die Schwerhörigkeit hat sich immer mehr verschlechtert. Vor der Installation der Induktionsanlage habe ich nur sehr wenig verstanden, fast gar nichts. Nun bekomme ich ziemlich gut mit, was über die Induktionsanlage läuft. Vor allem bei der Predigt ist das wichtig. Die Möglichkeit einer Induktionsanlage kenne ich aus meiner Heimatpfarrei Denkendorf.“ In der Pfarrei Schönfeld sei kaum Überzeugungsarbeit nötig gewesen, freut er sich. Allerdings gebe es außer ihm nur ältere Betroffene in der Pfarrei, für die die Technik offenbar noch eine Hürde darstelle. Entweder besitze ihr Hörgerät keine T-Spule oder diese sei nicht aktiviert. Hier müsse  noch Aufklärungsarbeit geleistet werden, etwa im Pfarrbrief. Schönfelds Kirchenpfleger Franz Bayer bedauert, dass es bislang keine Zuschüsse der Diözese für Induktionsanlagen gibt. „Es kostet nicht die Welt. Und es wäre auch eine Anerkennung dafür, dass man ‘was tut.“

Gabi Gess, Kirchenzeitung Nr. 34 vom 25. August 2013