Zum Inhalt springen

Ein Zeichen der Menschlichkeit

Im Pfarrhaus der Pfarrei Heilig Geist in Fischbach findet muslimische Großfamilie neues Zuhause

Ein neues Zuhause auf Zeit hat eine syrische Flüchtlingsfamilie im Pfarrhaus Heilig Geist gefunden. Sieben Erwachsene und sechs Kinder leben jetzt in dem Haus, das seit dem Auszug von Diakon Andreas Dahmer leer stand. Wasim Al Mukdad, der mit seiner deutschen Frau seit sechs Jahren in Nürnberg wohnt, hat alle Hebel in  Bewegung gesetzt, um seine Lieben, die im syrischen Bürgerkrieg alles verloren haben, in Sicherheit zu bringen. „Für meine Familie ist jetzt Deutschland die Heimat“, sagt Wasim.

Wasim Al Mukdad ist 34 Jahre alt. Er ist in Nürnberg gut integriert, spricht flüssig deutsch und hat die deutsche Staatsbürgerschaft. Ihm war es unerträglich, hier sicher zu leben und gleichzeitig seine Angehörigen zu Hause in Lebensgefahr zu wissen. Täglich hörte er in den Medien die Schreckensnachrichten aus seiner Heimat und machte sich große Sorgen. In Bosra Al Sham in der Gegend des geschichtsträchtigen Dara hatte die Familie wohlsituiert gelebt, bis der Krieg sie zur Flucht zwang. Irgendwie gelang es ihnen, in Kontakt zu bleiben. Wasim hatte keine Ruhe, als er erfuhr, dass Verwandte gestorben waren, seine Eltern und Geschwister ihren Besitz verloren und kein Dach mehr über dem Kopf hatten.

Not hat keine Konfession

Seit fest stand, dass kein Kaplan mehr in den Pfarrverband Altenfurt kommen werde, sann man in der Gemeinde Heilig Geist nach einer neuen Nutzung für das Pfarrhaus. Kirchennahe Leute als Mieter zu finden, die gewisse Aufgaben in der Pfarrgemeinde hätten übernehmen können, erwies sich als nicht machbar. Dann gab es die Idee, Raum für eine gemischte Kindergarten- und Hortgruppe zu schaffen, was aber an den Auflagen scheiterte. Also beschloss die Pfarrei, den Wohnraum im christlichen Sinn sozial bedürftigen Menschen zur Verfügung zu stellen und bot ihn der Stadt als Flüchtlingsunterkunft an.

Als in der Gemeinde bekannt wurde, dass Muslime ins Haus neben der Pfarrkirche einziehen sollten, regte sich Widerstand. Warum man nicht Christen den Vorzug gegeben habe, wurde immer wieder unmissverständlich gefragt. Die Religionszugehörigkeit dürfe kein Kriterium für Hilfeleistung sein, sagten Pfarrer, Pfarrgemeinderat und Kirchenverwaltung unisono. „Not ist nicht konfessionell gebunden“, so drückt es Pfarrer Burkhard Lenz aus, „wir wollen ein Zeichen setzen und einer Familie ein schützendes Dach gewähren.“ „Wir differenzieren nicht nach Religion“, bestätigt Kirchenpfleger Helmut Gierse. Man wolle dieser Flüchtlingsfamilie eine menschenwürdige Unterkunft bieten.

Gierse verweist auch darauf, dass die Al Mukdads anerkannte Asylanten seien und keine Bewerber mit ungewissem Status. Das heißt, Integrationsbemühungen für die Familie können und werden beginnen. Für die Kleinen müssen Kindergartenplätze gefunden und den Schulkindern Unterrichtsbesuch in einer Übergangsklasse ermöglicht werden. Vorbereitungen laufen bereits.

Außer Wasim wohnt auch sein Bruder, Diaa Al Mukdad, seit zwei Jahren in Nürnberg; er spricht deutsch und ist gut integriert. In Russland hat er Medizin studiert und absolviert derzeit ein Praktikum in der Uniklinik Erlangen. Seine Motivation: In Deutschland ein guter Arzt werden und vielen Menschen helfen.

Bei einer Infoveranstaltung in Heilig Geist erläuterte Reinhard Hofmann vom Amt für Existenzsicherung, wie schwierig es für die Stadt ist, passenden Wohnraum für Flüchtlinge aufzutreiben. 160 Personen müsse man wöchentlich unterbringen, berichtet Hofmann. Auf die Frage, warum die Stadt keine Christen ins Fischbacher Pfarrhaus geschickt habe, sagt der Experte: „Wir können uns nicht aussuchen, wen wir unterbringen, wir nehmen die, die gerade Bedarf haben.“ Das Pfarrhaus der Gemeinde Heilig Geist sei für die Stadt „ein Glücksfall“ gewesen, so Hofmann. Die Kirchenverwaltung vermerkt außerdem positiv, dass mit der Stadt als Wohnungsnehmer die Mieteinnahmen gesichert seien.

Gerne in Deutschland

Die syrischen Flüchtlinge sind auf jeden Fall froh, in Sicherheit zu sein – das bestätigt der Senior, ein ehemaliger Richter, sowie seine Frau. Die frühere Lehrerin lächelt und lässt den Sohn übersetzen: „Ich fühle mich gut.“ Deutschland ist für sie „das Land Nummer Eins“. Die Al Mukdads hatten zu Hause viel Kontakt zu deutschen Touristen, die immer freundlich gewesen seien. Während ihrer Flucht kamen sie bei deutschen Christen eine Zeitlang unter.
Sie haben kein Problem damit, in einer christlichen Pfarrgemeinde aufgenommen zu sein. Ja, sie seien Muslime, meint Wasim, aber religiös offen und kommunikativ. Als Erstes wolle die Familie die Sprache erlernen, „weil wir uns integrieren wollen“. Über Hilfen seitens der Gemeinde würden sie sich freuen. Der Freundeskreis Flüchtlinge, den Tonia Schellenberger ins Leben gerufen hat, hat Kontakt aufgenommen, um konkrete Bedürfnisse zu erfahren. Einige Leute aus der Gemeinde planen schon, wie man die neuen Nachbarn kennenlernen kann. Es soll demnächst eine gemeinsame Kaffeestunde geben und auch zu Festlichkeiten will man die Familie Al Mukdad einladen. Das kommende Weihejubiläum in Heilig Geist bietet da eine gute Gelegenheit. Ein wichtiges Anliegen sei den Al Mukdads, „allen für die freundliche Aufnahme zu danken, der Stadt Nürnberg, der Gemeinde Fischbach und allen lieben Menschen, die uns so toll unterstützen.“

Uli Pilz-Dertwinkel/kk, Kirchenzeitung Nr. 11 vom 15. März 2015