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Ein Blick hinter die Mauern

Das Domschatz- und Diözesanmuseum zeigt eine Ausstellung zum 450-Jährigen des Seminars

Grüß Gott liebe Besucher, ich darf mich Ihnen vorstellen. Mein Name ist Michael“ – Aha, ein Namensvetter (Ich hätte auf Willibald gewettet!) begrüßt die Besucher der Sonderausstellung „Das Bischöfliche Seminar Eichstätt. Ein Blick hinter die Mauern einer altehrwürdigen Institution“, die derzeit anlässlich des 450-jährigen Seminar-Jubiläums im Domschatz- und Diözesanmuseum gezeigt wird.

Ein Pastell eines unbekannten Künstlers, das die letzten Jahre im Depot des Museums fristete, zeigt einen unbekannten jungen Mann, ein Muster eines Priesteramtskandidaten um 1850. Er übernimmt, so wollten es die Ausstellungsmacher,  auf großformatigen Tafeln mit nicht gerade wenig Text die Führung durch die Präsentation mit über 100 Fotos und rund 60 Exponaten, beileibe nicht nur Flachware.

Blütezeit – Krisenzeit

Das „altehrwürdig“ im Titel der Ausstellung, so viel wird klar, meinen die Ausstellungsmacher ganz und gar ernst. Sie tun das mit Recht. Bei der Auswahl ihrer Exponate war dann aber hin und wieder schon ein Augenzwinkern mit dabei. „Persönlich, nostalgisch, stellenweise sentimental“ nennt Dr. Claudia Grund den Blick, den der Besucher zusammen mit dem hübschen, höflichen brevierbewaffneten Führer in Pastell auf die „Blütezeiten des Seminars in der zweiten Hälfte des 19. und ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts“ wirft.

Ein Rückblick auf die Anfänge des „Collegium Willibaldinum“, der bis zu Bischof Martin von Schaumberg und ins Gründungsjahr 1564 reicht, in die Zeit, als der Orden der Jesuiten das Heft in Eichstätt in die Hand nahm (1614), in die Zeit des Niedergangs während der Säkularisation. Ab der Mitte des 19. Jahrhunderts wuchs dann zusammen und herrlich heran, was zusammen gehörte: das Seminar als Ort einer umfassenden Ausbildung, vom Knabenseminar bis zur Priesterausbildung. Am Ende stand 1980 gar die Gründung einer Katholischen Universität.

Staat im Staate

Der streng gescheitelte, gescheite Führer zeigt, wie das Seminar („Eine kleine Stadt für sich!“) aufgebaut war und funktionierte, als Bildungseinrichtung, Wohn- und Schlafstätte, als autarker Wirtschaftsbetrieb mit Gärtnerei und Ökonomie. Er stellt uns seine Bewohner, die Lernenden und  Lehrenden, aber auch die nährenden und pflegenden Mitmenschen, Angestellte und Ordensschwestern, vor. Er stellt die Wanderungen dieses Staats im Staate durch verschiedene Gebäude der Stadt, das Auf und Ab, das orts- wie menschenprägende Ineinandergreifen von Bau- und Bildungsgeschichte dar. Man sieht, wie prägend die Präsenz des Seminars in der Stadt war, und erahnt, welche Bedeutung seine Existenz an sich für die Stadt zeitweise hatte.

Michael beschreibt einen beispielhaften Ausbildungsweg, „von Respekt gebietenden Persönlichkeiten begleitet“: von Bischöfen, Regenten und Subregenten, Spiritualen und Mentoren, „Direktoren“ und Präfekten, Rektoren und Professoren. Man erhält Einblick in den von strenger Disziplin geprägten, von Schule, Gebet und Hausaufgaben ausgefüllten Tagesablauf eines Gymnasiasten im Knabenseminar, das Internat und christliche Erziehungsanstalt zugleich war. Sieht große Schlaf-, Studier- und Speisesäle, oder das 1952 von den Seminarbewohnern weitgehend in Eigenleistung errichtete Freischwimmbad, liebevoll „Zöli-Bad“ genannt. Geschichte, ja Legende sind die Aufenthalte in Schloss Hirschberg, oberhalb von Beilngries. Die Seminaristen verbrachten hier – und nicht bei Muttern daheim – mit Sport, Wanderungen, Musik und Theater ihre Sommerferien. Wir erfahren von Michael, welch großen Wert man auf eine umfassende musische Ausbildung der Gymnasiasten wie der Priesteramtskandidaten legte. Die musikalische Erziehung nahm einen gewichtigen Teil der Studienzeit ein. Zuständig war der Musikpräfekt, der auch den Chor und das Seminarorchester leitete. Sogar über einen eigenen, aus Seminaristen und Alumnen gebildeten, Blechmusikzug verfügte das Seminar lange Zeit. Dazu kamen anspruchsvolle Theaterinszenierungen. Im Regelfall gab es jährlich drei Aufführungen – im Herbst, im Fasching und während des Sommeraufenthaltes in Hirschberg. Bis in die Zeit der Wiederbelebung des Seminars im 19. Jahrhundert gehen die sogenannten „Akademien“ zurück, freiwillige kulturelle Zirkel, in denen sowohl die Knabenseminaristen als auch die Studenten ihre literarischen und künstlerischen Fähigkeiten pflegten und unter Beweis stellen konnten. Das vielfältige gesellige Leben im Alumnat oder auch die Teilnahme an den Zusammenkünften derStudentenverbindungen in öffentlichen Lokalitäten Eichstätts werden mit Liebe zum kuriosen Detail dokumentiert.

Glauben und Wissen

Ebenso wird das Alumnat, das eigentliche Priesterseminar, vorgestellt, in Zeiten des „Kulturkampfes“ Zufluchtsstätte für ins-gesamt etwa 1.000 Theologiestudenten aus dem gesamten deutschsprachigen Raum. Das eigentliche philosophisch-theologische Studium fand am Bischöflichen Lyzeum statt, ab 1924 in Philosophisch-theologische Hochschule“ umbenannt. Die Ausbildung orientierte sich an den klassischen Inhalten, die bereits im 16. Jahrhundert im Konzil von Trient für die Priesterausbildung festgelegt worden waren. Neben den theologischen Inhalten, der systematischen und praktischen Philosophie und der Philosophiegeschichte gehörten Psychologie, Pädagogik, Philologie, Welt- und Allgemeingeschichte, Mathematik, Physik, Chemie und Naturgeschichte zum Fächerkanon. Berühmt war die Eichstätter Professorenschaft in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts für ihre Forschungen im Bereich der Neuscholastik. Zu Unterrichtszwecken wurden umfangreiche Sammlungen von einzelnen Professoren angelegt. Die physikalische Sammlung befindet sich nach wie vor im Seminar, während die Naturaliensammlung den Grundstock für das heutige Juramuseum auf der Willibaldsburg lieferte und die für den Kunstgeschichtsunterricht bestimmten Kunstsammlungen die Basis für das heutige Diözesanmuseum bilden. Das alles weiß Michael dem Museumsbesucher zu berichten.

Man kann sich lange aufhalten in dieser Ausstellung, man sieht viel, lernt so manches, unterhält sich dabei bestens und geht bereichert. „Voll freundlicher Ernsthaftigkeit“ schaut einem der Muster-Michael nach. Ich wette, er heißt mit zweitem Vornamen Willibald.

Michael Heberling, Kirchenzeitung Nr. 31 vom 3. August 2014