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Ein Beruf mit vielen Facetten

Langjährige Pfarrhaushälterinnen erzählen/Eichstätter Berufsverband wird 40 Jahre alt

Die sieben Frauen, die zum Einkehrtag in die Abtei St. Walburg in Eichstätt gekommen sind und gerade im Speiseraum ihren Kaffee trinken, sind zwischen 42 und 84. Sie kommen aus verschiedenen Ecken der Diözese Eichstätt, aber sie haben (oder hatten) alle den selben Beruf: Pfarrhaushälterin. Wie sie zu dieser Aufgabe gekommen sind, was ihnen daran gefällt, welche Herausforderungen es zu meistern gibt, erzählten sie – stellvertretend für viele Kolleginnen – der KiZ anlässlich des bevorstehenden Jubiläums „40 Jahre Berufsverband der Pfarrhaushälterinnen im Bistum Eichstätt“.

Während sich viele Verbandsmitglieder im Ruhestand befinden, steht Johanna Adlkofer (61) noch im Berufsleben. Seit etwa 20 Jahren führt sie den Haushalt von Pfarrer Bernhard Oswald. Sechs Jahre war das oberpfälzische Batzhausen ihr Dienstort, dann die Pfarrei St. Pius in Ingolstadt und nun, seit knapp zwei Jahren, die Münsterpfarrei im Herzen Ingolstadts. Als gelernte Köchin arbeitete Adlkofer lange in Eichstätt: im Internat der Knabenrealschule Rebdorf, bei den Englischen Fräulein und im Salesianum. Dann „wollte ich einfach was Neues ausprobieren“, erklärt sie, warum sie Pfarrhaushälterin wurde.

Wohnte eine solche früher selbstverständlich im Pfarrhaus, so entscheiden sich heute immer mehr Geistliche für eine Teilzeit-Angestellte. Eine von ihnen ist Monika Geißler aus Altenveldorf. Die Mutter dreier erwachsener Kinder ist seit zehn Jahren Haushälterin bei Dekan Elmar Spöttle in Velburg. „Für mich wars der ideale Wiedereinstieg nach der Kinderphase“, erzählt die gelernte Hauswirtschafterin im ländlichen Bereich, die täglich von neun bis 13 Uhr im Pfarrhaus sauber macht, kocht und Gäste bewirtet. Die 50-Jährige ist für ihren Chef aber längst auch zu einer Vertrauten geworden. „Er kommt auch mal Sonntags bei uns daheim vorbei und umgekehrt grillen wir mal mit der ganzen Familie bei ihm“, berichtet Geißler, die seit kurzem Oma ist. Ganz klar, dass Dekan Spöttle ihr erstes Enkelkind taufte.

Über Umwege

Elisabeth Harrer (62) aus Neumarkt, die Vorsitzende der Eichstätter Berufsgemeinschaft der Pfarrhaushälterinnen, entschied sich mit 29 Jahren für ihren heutigen Beruf. Die gebürtige Meckenhausenerin hatte nach dem Realschulabschluss als Angestellte bei der Raiffeisenbank gearbeitet, dann aber im Krankenhaus der Barm-herzigen Brüder in München eine Ausbildung zur Krankenschwester absolviert und später in einer Münchner Sozialstation gearbeitet. Während dieser Zeit fand sie Anschluss an die Cursillo-Bewegung, „und ich hab’ begonnen, mich zu fragen, wohin mein Lebensweg führen sollte“. Die Antwort fand sie 1980 bei einer Bekannten, deren Bruder Richard Distler gerade eine Haushälterin für seine erste Pfarrstelle in Hitzhofen suchte. So zog sie mit ihm in das schöne alte Pfarrhaus, das sich schnell mit Leben füllte: „Im Keller traf sich die Jugend, wir haben eine Bücherei eingerichtet und mit einem Krankenpflegeverein angefangen.“ Weil es keine Pfarrsekretärin gab, übernahm Harrer auch die Büroarbeit. „Was mich überraschte, war das Vertrauen, das die Leute dem Pfarrhaus entgegen bringen“, sagt sie. Als nach knapp zehn Jahren der Umzug in die Neumarkter Hofpfarrei anstand, sei ihr der Abschied sehr schwer gefallen.

In Neumarkt fand sie eine etablierte Pfarrei mit festen Strukturen vor. Das nahm ihr ein Stück beruflicher Vielfalt, schaffte ihr aber Freiraum für eine neue Aufgabe – das Engagement in der Berufsgemeinschaft der Pfarrhaushälterinnen. Über die Diözesanebene hinaus war Harrer zwei Amtsperioden lang (1994 bis 2002) Bundesvorsitzende. In dieser Funktion gehörte sie einige Jahre lang dem Zentralkomitee der deutschen Katholiken an. „Das war schon eine interessante Zeit“, meint sie rückblickend.  

Der Anfang war schwer

Magdalena Hollweck könnte über ihre 53 Berufsjahre „fast einen Roman schreiben“. Die 84-Jährige ist Gründungsmitglied im Berufsverband der Pfarrhaushälterinnen. Die Landwirtstochter wuchs in Richthofen am Fuß des Habsbergs auf. „Da kamen wir öfters auch ins Pfarrhaus, wo die Schwester des Geistlichen, Fräulein Rosa, waltete.  Sie wurde mir zum Vorbild.“ Nach dem Krieg wurde Hollweck Jugend-führerin im Dekanat Velburg. Bei einem Glaubenskurs im damaligen Diözesanjugendhaus Sandsee erzählte sie Jugendpfarrer Dr. Alois Brems von ihrem Wunsch, in einem Pfarrhaus das Kochen lernen zu wollen. „Sofort sagte er mir, ich könnte als zweite Hilfe zu seinem Bruder Rupert Brems und seiner Schwester Maria nach St. Moritz in Ingolstadt gehen.“ 30 Mark Lohn gab es damals, 1951, im Monat. 1953 trat Hollweck eine besser bezahlte Stelle in einem Schweizer Krankenhaus an. Weil aber ihre Mutter schwer erkrankte, kehrte sie in die Heimat zurück und nahm das Angebot des damaligen Kaplans der Ingolstädter Münsterpfarrei, Hans Meyer, an, seine Haushälterin zu werden. „Der Anfang war sehr schwer“, erinnert sie sich daran, dass sie an allen Ecken und Enden sparen musste. „Viel besser wurde es dann, als der Kaplan 1961 Militärpfarrer in Roth wurde“. Rund zehn Jahre dauerte der Einsatz bei den Soldaten, davon drei Jahre in Fürstenfeldbruck. Der Pfarrer genoss es, dass ihm die Haushälterin ein gemütliches Heim bereitete, aber die umtriebige Leni Hollweck füllte sich nicht ausgelastet und hätte sich gerne einen Nebenjob gesucht. Weil ihr Chef dagegen war, übernahm sie Ehrenämter und kümmerte sich als Babysitterin um die Kinder der Offiziere.

1971 wurde Meyer Münsterpfarrer in Ingolstadt. 1992 ging er in Ruhestand, 2008 verstarb er. Hollweck zog in eine kleine Wohnung mitten in Ingolstadt und ist „immer noch neugierig auf Vieles“.

Büro und Zeltlager

Andrea Knipfer, mit 42 die Jüngste in der Runde, ist seit 18 Jahren Haushälterin von Pfarrer Erich Schredl (Ingolstadt/St. Augustin). Sie kennt ihn, seit er Kaplan in ihrer Heimatpfarrei Deining war.  Nachdem er mit der gelernten Bürokauffrau in der Deininger Landjugend stets gut zusammen-gearbeitet hatte, warb er sie gleich als Haushälterin an, als er die Pfarrei Walting übertragen bekam. Knipfer ließ sich auf das Wagnis ein, „obwohl ich im Büro besser verdient hätte“. Aber die Vielseitigkeit ihres neuen Berufs entschädigte sie dafür. Weil es in Walting neben dem Pfarrer keine Hauptamtlichen gab, war sie nicht nur Haushälterin, sondern leitete auch Jugendgruppen, fuhr mit auf Zeltlager und führte das Pfarrbüro. Sie mochte das Pfarrhaus, den großen Garten und die Leute, die sie vor in ihre Gemeinschaft aufgenommen hatten. Am nächsten Dienstsitz in Spalt musste sie fünf Jahre warten, bis eine Stelle im Pfarrbüro frei wurde. Was sie aber nahtlos fortsetzte, war  die Jugend- und Ministrantenarbeit. Elf Jahre währte die Zeit in Spalt, bis 2010 der Ruf nach Ingolstadt kam – und Knipfer erneut begann, sich neben der Hausarbeit Nischen zu erschließen. So hilft sie etwa im Pfarrbüro der Münsterpfarrei aus, nutzt das vielfältige kirchliche Angebot in Ingolstadt und hat das Gefühl, gut leben zu können: „Es stimmt schon, wir verdienen nicht viel. Aber weil ich im Pfarrhaus lebe und esse, passt der Nettolohn unterm Strich“.

„Da hängst in der Luft“

Für Erika Schmidt (70), die aus Großhöbing bei Greding stammt, stand schon als Zwölfjährige fest, dass sie ihrem Bruder Karl, damals Seminarist in Eichstätt, einmal den Pfarrhaushalt führen würde. Karl aber bremste zunächst ihre Ambitionen: „Als Pfarrhaushälterin, da hängst du immer in der Luft“. Aber sie zog trotzdem mit nach Allersberg, wo ihr Bruder eine Kaplansstelle antrat. Die nächste berufliche Station war der Habsberg, wo Erika Schmidt beschloss, selbst noch einmal die Schulbank zu drücken. Regelmäßig besuchte sie Kurse in Regensburg und machte die Prüfung als Hauswirtschaftsmeisterin. Auf dem Habsberg war sie aber nicht nur für Küche und Sauberkeit zuständig, sondern auch fürs Büro. „Es war keine Seltenheit, dass man Sonntags beim Kochen noch 50 Messen aufschrieb“, erzählt sie. 1976 verließen die Geschwister Schmidt den Habsberg und zogen ins Pfarrhaus nach Mündling. 1992 schließlich übernahm Pfarrer Schmidt die Leitung der Diaspora-pfarrei Heldmannsberg mit Kuratie Pommelsbrunn. Als „Mädchen für alles“ sei sie in allen Pfarreien schnell integriert gewesen, meint Erika Schmidt, „ich hatte keine Scheu, auf Leute zuzugehen“. Als ihr Bruder 2006 in den Ruhestand ging, zogen die beiden nach Greding. Die 70-Jährige genießt die Teilnahme an den regelmäßigen Treffen, zu denen der Ortspfarrer alle Geistlichen aus der Seelsorgeeinheit einlädt – vom Ruheständler bis zum Kaplan. Sie fühlt sich wohl in deren Welt, die in 46 Jahren auch zu ihrer eigenen geworden ist.

„Das wär’ was für mich“

Christine Weigl ist erst 45, aber schon mehr als ihr halbes Leben lang Pfarrhaushälterin. Die gebürtige Schnufenhofenerin, für die Heirat und Familie nach eigener Aussage nie ein Thema waren, lebt und arbeitet seit 1988 im Pfarrhaus von Edmund Wolfsteiner. In ihrer Freizeit malt und fotografiert sie und hilft mit beim Schmücken des Gotteshauses. Die Kirchenzeitung ist übrigens nicht ganz unschuldig an ihrem Lebensweg: Denn in ihrem letzten Ausbildungsjahr an der Hauswirtschaftsschule St. Marien in Neumarkt las Weigl in der KiZ einen Bericht über einen jungen Geistlichen, der auf der Suche nach einer Haushälterin für seine erste Pfarrstelle war. „Das könnte doch was für mich sein“, überlegte die religiös interessierte junge Frau und bewarb sich erfolgreich. Auf fünf Jahre Berg folgten 13 Jahre Treuchtlingen „und jetzt sind wir schon wieder sechs Jahre in Nürnberg-Reichelsdorf“.

Ein Beruf im Wandel

Das Berufsbild Pfarrhaus-hälterin „war früher ganz anders als heute“, lautet das Urteil von Magdalena Hollweck. In den Nachkriegsjahren, als viele Heimkehrer und Flüchtlinge zu Priestern geweiht wurden, sei die Nachfrage nach Haushälterinnen groß gewesen. Für christlich erzogene junge Frauen vom Land, die sich in der Landwirtschaft oder als Dienstmägde ihr Geld verdienten, sei es ein sozialer Aufstieg gewesen, Pfarrhaushälterin zu werden“, meint Elisabeth Harrer, „auch wenn sie meist nicht mehr verdienten als vorher“, und oft eisernes Sparen angesagt war, wie Hollweck aus ihrer Zeit in einem Kaplanshaushalt noch weiß. Zudem sei damals große Distanz zum Priester erwünscht gewesen. „Miteinander spazieren gehen“, das wäre nicht drin gewesen“, erzählt die 84-Jährige.

Vor 40 Jahren, als der Eich-stätter Berufsverband entstand, bot sich Pfarrhaushälterinnen ein weites Betätigungsfeld. „Sekretärinnen gabs damals nur in großen Pfarreien“, erzählt Elisabeth Harrrer, „es gab keine Gemeindereferentinnen, höchstens eine Pfarrschwester“. Gerade auf dem Land habe eine Pfarrhaushälterin vielfältige Fähigkeiten und Neigungen einbringen können, vom Jugendchor bis zur  Seniorenarbeit. „Auf allen Gebieten war man gefordert“, bestätigt Leni Hollweck und meint, mit Blick auf die vielen jungen Kapläne, die im Pfarrhaus wohnten: „Manchmal hat man auch ein bissel Mutter sein müssen“. Heute dagegen seien die meisten Neupriester schon etwas älter, schon einem anderen Beruf nachgegangen, „und wollen Selbständigkeit“. Wenn überhaupt, so stellten sie eine Teilzeit-Haushälterin ein.

Die aktuellen Zahlen: Von insgesamt noch 113 aktiven Pfarrhaushälterinnen im Bistum üben nur 30 ihre Arbeit in Vollzeit aus. Von den 83 Teilzeit-Pfarrhaushälterinnen gehören 21 dem Berufsverband an. Viele Gründungsmitglieder sind bereits verstorben. „Als wir mit Diözesanwallfahrten der Pfarrhaushälterinnen anfingen, da sind wir aus den einzelnen Bezirken jeweils mit Bussen gefahren“, erinnert sich Erika Schmidt. „Heute bringen wir insgesamt gerade noch 50 Leute zusammen“.

Zum Positiven entwickelt hat sich dagegen das Finanzielle: „Der bayerische Landesverband der Pfarrhaushälterinnen hat sich sehr für einen Tarifvertrag mit dem Klerusverband eingesetzt“, berichtet Harrer. Die Abwicklung der Gehälter erfolgt über die Besoldungsstelle der Diözese und auch in Sachen Urlaubs-anspruch „ist alles geregelt“, freut sich Andrea Knipfer. Die appelliert zugleich an alle Pfarrhaushälterinnen, ganz gleich ob Voll- oder Teilzeit, sich dem Berufsverband anzuschließen  „Wie sollen wir ohne Mitglieder die Beiträge für den Landes- und Bundesverband bezahlen, der sich wiederum für unsere Bezahlung nach Tarif einsetzt?“.

Gabi Gess, Kirchenzeitung Nr. 14 vom 7. April 2013