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Den Weg mutig weitergehen

Fragen an die Theologin Ute Eberl, die an der Familiensynode im vergangenen Jahr teilnahm

Sie war eine der wenigen Frauen und die einzige Deutsche, die an der außerordentlichen Bischofssynode im Oktober vergangenen Jahres im Vatikan teilnahm: die Diplomtheologin und Leiterin der Abteilung Erwachsenenpastoral im Seelsorgeamt der Erzdiözese Berlin, Ute Eberl. Jetzt war die gebürtige Weißenburgerin auf Einladung des Zentralinstituts für Ehe und Familie in der Gesellschaft (ZFG) und der Frauen- und Gleichstellungskonferenz der Katholischen Uni Eichstätt-Ingolstadt in Eichstätt, um an der Hochschule über Ihre Erlebnisse und Erfahrungen bei der Synode zu berichten. Im Gespräch mit der KiZ blickt sie auf das bevorstehende Folgetreffen im kommenden Oktober und auf die Vorbereitungen in den deutschen Bistümern.

KiZ: Frau Eberl, mit welchem Gefühl haben Sie im letzten Jahr die Einladung nach Rom entgegengenommen und wie haben Sie diese außergewöhnliche Erfahrung verarbeitet?

Ute Eberl: Papst Franziskus hat  für diese Synode und ihr Thema ein partizipatives Element eingeführt, etwa auch durch die Fragebogenaktionen, das wir so noch nicht gekannt haben. ‘Sprecht frei und offen und hört einander zu’ sagte er in seiner fulminanten Eröffnungsrede. Das allein war, ist zunächst schon mal großartig. In eine solche Synode eingeladen zu sein, war natürlich etwas ganz Besonderes, ein absolut neues Erlebnis, mit 190 Synodenvätern, 60 weiteren Gesandten und dem Papst zusammenzusitzen, als Familienreferentin, Frau, Ehefrau und Mutter Stimmungen und Stimmungsschwankungen in diesem Plenum zu erleben, wie die Bischöfe, gleich aus welchem Land, welchem Lager, sich wirklich einen Kopf machen, wie ihnen das Thema am Herzen liegt.

Das sogenannte „Instrumentum laboris“, die Diskussionsgrundlage für die Synode ist veröffentlicht. Kardinal Reinhard Marx hat die Stoßrichtung dieses Arbeitspapiers mit den Worten ‘Ermutigung durch Barmherzigkeit’ zusammengefasst.

Eberl: Ich habe mir das „Instrumentum“ angeschaut und ich stelle zufrieden fest: die wichtigen Themen sind weiterhin alle erfasst, nichts wird unter den Tisch gekehrt und man merkt den Formulierungen an, sie sind weiterdiskutiert worden. Barmherzigkeit und die kirchliche Lehre werden ja des öfteren im Gegensatz zueinander gestellt, da wird Barmherzigkeit als Gnadenerweis von oben nach unten gesehen. So betrachtet ist der Begriff wenig hilfreich. Wahrheit und Barmherzigkeit gehören letztlich immer zusammen, wie Kardinal Walter Kasper das formuliert hat, ein rein rechtliches Denken ohne Barmherzigkeit kann in der Kirche Christi keinen Platz haben. Und letztlich, sagt wiederum Kardinal Marx, gehe es darum, dass sich die Lehre weiterentwickelt, was sie im übrigen auch schon immer getan hat.

In der großen katholischen Weltkirche gibt es, je nach Land, Mentalität, Tradition durchaus unterschiedliche Problemlagen und Konfliktlinien beim Thema Familie. Ist da eine gemeinsame Lösung denkbar?

Eberl: Ich denke, es gibt mindestens drei Ansätze, die zu berücksichtigen und miteinander ins Gespräch zu bringen sind. Da ist zuerst einmal die Betrachtung der Familie im Kontext der sozialen Situation in den jeweiligen Ländern, im Kontext konkreter sozialer Ungerechtigkeiten. Einige Synodenväter haben schon im letzten Jahr gesagt ‘Müssen wir nicht erst einmal das Evangelium anschauen, was darin steht zum Thema Gerechtigkeit, bevor wir den Familien etwas Theoretisches, Ideales oder womöglich Utopisches auferlegen?’. Das würde ich als die politische Komponente der Debatte sehen: Dass erst einmal allgemeine Lebensbedingungen in Angriff genommen werden, die zum Himmel schreien. Das findet sich auch im ersten Teil des „Instrumentum laboris“, wo die ganz unterschiedlichen Lebenssituationen von Familien in den Blick genommen werden, etwa Familien in Krisensituationen, im Krieg, auf der Flucht und so weiter. Eine zweite Linie debattiert auf der Ebene der theologischen Gesetzmäßigkeit, etwa bei der Frage sogenannter irregulärer Situationen von Partnerschaften oder geschlossener Ehen. Und dann gibt es noch die dritte Perspektive, die heißt: ‘Schauen, was da ist’. Ein aufmerksamer, wertschätzender, nicht idealisierender Blick in die Familien: Wie leben die Menschen miteinander, was treibt sie um, vor welchen Herausforderungen stehen sie, und dabei registrieren, was sie Gutes und Richtiges tun. Denn es kann doch heute niemand sagen, dass ein Paar, das nicht katholisch getraut zusammenlebt und Kinder hat, automatisch schlechter lebt, als jemand der verheiratet ist, womöglich gar unglücklich.

Und so diskutiert die Synode über das reale Leben?

Eberl: Ja, weil es eben eine ganze Menge Synodenväter gibt, die dieses Leben kennen und das auf den Tisch legen.

Was würden Sie als Erfolg der Synode verbuchen?

Eberl: Die Synode berät ja den Papst, ich fände es einen spürbaren Erfolg, wenn die Versammlung ihm am Ende etwas in die Hand gibt, mit dem die Kirche auf die Lebenssituationen der Menschen reagieren kann. Es geht doch nicht um eine Revolution, wir haben eine Ehelehre und wir haben das Wort Jesu ‘Was Gott verbunden hat, soll der Mensch nicht trennen’. Das ist ja kein Rechtssatz, sondern ein Grundsatz, also etwas viel Größeres, nicht etwas, aus dem wir so kleine Folgegesetzchen herausholen, festschreiben und ihre Einhaltung abprüfen sollen. Diesen Grundsatz darf die Kirche in den kulturellen Situationen, die sich immer wandeln werden, zur Geltung bringen. Genauso wie die Vollmacht ‘zu binden und zu lösen’, auch die hat Christus seiner Kirche gegeben.

Übrigens leben viele Paare ihre Ehe genau in dieser Haltung. Und diese Perspektive ist etwas ganz wunderbares, nur ist das Leben eben manchmal auch anders. Wir sollten vermitteln können, dass die Getauften, die hier mit den Tatsachen und den Ansprüchen kämpfen, zu ihrer Kirche gehören und zwar nicht in einer bestimmten abgestuften Form, sondern ganz und gar.

Welche Erwartungen, Wünsche, Hoffnungen haben Sie, die Sie dieses Mal ja nicht am Ort des Geschehens sein werden?

Eberl: Wenn ich über den Oktober 2015 und seine möglichen Ergebnisse hinweg in die Zukunft schaue, etwa so 20 Jahre weiter, dann wünsche ich mir erst mal, dass wir noch sagen können ‘Wir haben ganz viele Getaufte und wir sind miteinander als Volk Gottes unterwegs’. Ich wünsche mir, dass auf die Vorschläge, die in Rom unterbreitet werden, zum Beispiel zum Thema konfessionsverbindende Ehen, solche mutigen Schritte weitergegangen werden, wie sie das „Instrumentum laboris“ formuliert. Ich wünsche mir das zum Thema Scheidung-Wiederheirat-Zulassung zum Sakrament der Buße und der Eucharistie, dass eben der Bußweg, den das „Instrumentum“ enthält, mutig weitergegangen wird. Wir werden Ende Oktober nicht die katholische Welt verändert haben, aber es werden möglicherweise Anstöße gegeben worden sein, die den Papst in die Lage versetzen, zu sagen ‘Wir wollen schauen, dass ihr diesen Weg ausprobiert, und ihr jenen ...’. Denn das Evangelium wird ja immer in die jeweiligen realen, aktuellen Kontexte hinein verkündet und wird dort konkret zu leben sein. Was gar nichts damit zu tun hat, dass man dem Zeitgeist oder der Melodie der Welt folgen würde. Hier wird die Pastoral, werden Seelsorger als geistliche Begleiter gefordert und geprüft.

Interview: Michael Heberling, Kirchenzeitung Nr. 28 vom 12. Juli 2015