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Das Wort ergreifen, Gehör finden

Studientag in Eichstätt ermunterte Frauen, das Gesicht der Kirche noch mehr mitzuprägen

Die meisten Probleme der Welt können weder von Barack Obama noch vom Papst gelöst werden, sondern nur von Frauen.“ Diesen Satz hat der berühmte Gitarrist Carlos Santana kürzlich in einem Interview gesagt. Der Eichstätter Generalvikar Dompropst Isidor Vollnhals fand den Spruch so bemerkenswert, dass er ihn beim Studientag „Frauen und die Kirche“ in Eichstätt zitierte. Zwei Männer und zwei Frauen beleuchteten das Thema.

In dem kleinen Konferenzraum in der Abtei St. Walburg hatten sich fast nur weibliche Zuhörer eingefunden, so wie Christine Thummet. Warum sie gekommen ist? „Ich bin Frau und in der Kirche“, lachte die Ingolstädterin, die selbst kirchlich engagiert ist und unter anderem die „Scherbenandachten“ in der Pfarrei St. Augustin organisiert. Die Diskussion um eine aktivere Rolle der Frauen in der Kirche müsse weitergehen, meinte Thummet in der Kaffeepause und zeigte sich zugleich positiv überrascht, „was die katholische Kirche eigentlich schon festgeschrieben hat in Sachen Gleichberechtigung“.

Dies ging besonders aus dem Impulsreferat von Dr. Ludwig Brandl, Direktor des Diözesanbildungswerks, hervor. Er sprach über das Zweite Vatikanische Konzil und dessen Folgen für das Miteinander von Frauen und Männern in der Kirche. Das Thema Frauen habe nicht gerade zu den zentralen Anliegen gehört, die deutsche Bischöfe für das Konzil vortrugen, meinte Brandl nüchtern. Was gesellschaftspolitisch kaum verwunderlich scheint angesichts der Tatsache, dass der deutsche Gesetzgeber erst ein paar Jahre zuvor das Letztentscheidungsrechts des Mannes in allen Eheangelegenheiten gekippt hatten. Papst Johannes XXIII. persönlich sei es gewesen, der 1963 mit der Enzyklika „Pacem in terris“ der Frauenfrage Schub gegeben habe, stellte Brandl fest. Als erster Papst spreche er darin von den gleichen Rechten der Frau im staatlichen als auch privaten Bereich. Seinen Ausdruck fand dieses neue Denken auch in den Konzilsdokumenten „Lumen gentium“, „Gaudium et spes“ oder „Apostolicam actuositatem“ (Dekret über das Laienapostolat). Vor dem Konzil sei keine einzige Frau zur Kirchenlehrerin erhoben worden, berichtete Brandl. Heute gebe es derer vier.

Ordinariatsrätin Barbara Bagorski hatte in ihrem Vortrag das Rad 2.000 Jahre zurückgedreht und an das Engagement von Frauen in frühen christlichen Gemeinden erinnert. Von Beginn der Kirchean hätten sich Frauen nach dem Zeugnis des Neuen Testaments verantwortlich in den Gemeinden engagiert und verschiedene Funktionen übernommen. Eine Zuordnung zu einer „Ämterstruktur“ lasse sich jedoch nicht nachweisen.

Prof. Dr. Hildgund Keul, Leiterin der Arbeitsstelle Frauenseelsorge der Deutschen Bischofskonferenz, sprach über die Bedeutung und Wirkung der Frauenmystik, insbesondere am Beispiel der heiligen Mechthild von Magdeburg. Die Frauenmystik des Hochmittelalters habe sich dafür stark gemacht, dass Armut und Spiritualität stärker miteinander verbunden werden, erläuterte Keul einen Ansatz, der den Zuhörern hochmodern erschien.

Generalvikar Vollnhals ging auf die Veränderung der Geschlechterrollen ein, die „in vollem Gange“ sei und übte Kritik an einem Menschenbild, das rein ökonomistisch ausgerichtet sei.

Nachgefragt

Frauen reden nicht nur, sie „fangen einfach an“

Als einzige Frau in der Diözese Eichstätt trägt sie den Titel Ordinariatsrätin: Die Theologin und langjährige Frauenseelsorge-Referentin der Diözese Eichstätt, Barbara Bagorski, die auch die „Arbeitsgruppe für Geschlechtergerechtigkeit der Diözese Eichstätt leitet.

KiZ: Bestimmt sind Sie oft die einzige Frau in einer Männerrunde. Gibt es Situationen, in denen Sie merken: „Jetzt muss ich ‘mal die weibliche Sichtweise einbringen!“?

Ordinariatsrätin Barbara Bagorski: Die sogenannte weibliche Seite bringe ich ganz automatisch ein. Dabei ist auch die Sprache ein wichtiger Akzent. Es stimmt: Männer und Frauen drücken ein und dasselbe sehr unterschiedlich aus. Das zeigt sich gerade dann, wenn das Lebensumfeld mit einbezogen werden muss. Mir ist es dann sehr wichtig, dass die sehr unterschiedlichen Lebenswelten von Frauen mit in den Blick genommen werden.

Ist eine Tendenz zu erkennen, dass Frauen in den Pfarreien ihre Spielräume bei der Mitgestaltung kirchlichen Lebens stärker nutzen als früher und auch Gehör finden bei Pfarrern und Kaplänen?

Bagorski: Über die Jahrzehnte hinweg durfte ich mehr und mehr erleben, wie sich Frauen mit ihren Ideen, ihrer Spiritualität und ihren Aktivitäten in das pfarrliche Leben eingebracht haben. Die große Mehrheit von ihnen ist auf diesem Weg auf wenige Hindernisse gestoßen. Aber es fehlt manchmal an anerkennenden Rückmeldungen, immer wieder an Ermutigung und manchmal knirscht es auch gewaltig. Die heute engagierten Frauen zeigen, dass sie um die Bedeutung ihrer Arbeit wissen.

Wo täte in der hauptamtlichen Struktur der Diözese noch „Frauen-power“ gut? Wo gäbe es noch Entfaltungsräume?

Bagorski: Entfaltungsmöglichkeiten gibt es überall dort, wo eine Aufgabe nicht an das Weiheamt gebunden ist. Für alle diese Bereiche wünsche ich mir Frauen (und Männer), die gerne Führungsaufgaben und die damit verbundenen Gestaltungsmöglichkeiten übernehmen. Ideal wäre es, wenn es dazu keine Quote braucht, sondern grundsätzlich Frauen auch in die engere Wahl einbezogen, gefördert und dann mit den Aufgaben betraut werden.

Auf der Homepage der Bischofskonferenz ist vom „visionären Potential“ der Frauen die Rede. Was verstehen Sie darunter?

Bagorski: Frauen entwickeln Strategien, die drängenden Probleme anzupacken: Armutsbekämpfung, Einsatz zum Schutz des menschlichen Lebens, Schöpfungsverantwortung. Sie bleiben dabei nicht in der Theorie stecken, sondern fangen einfach an: mit kleinen Projekten, die etwas in Bewegung bringen. Frauen suchen gemeinsam nach Räumen, um ihre Spiritualität zu leben und den Schatz der Sakramente intensiver zu erleben. Im Mittelpunkt steht der Mensch – und damit unausgesprochen die Frage, wie der/die Einzelne Kirche als tragende Gemeinschaft erfahren kann.“

Verantwortlich mitgestalten

Die KiZ stellt Frauen in der Diözese vor, die auf diesem Weg vorangehen

Wie sie an ihrem jeweiligen  Platz Mitverantwortung in der Kirche übernehmen, darüber gaben haupt- und ehrenamtlich tätige Frauen im Bistum Eichstätt der KiZ Auskunft.

Barbara Buckl hat als stellvertretende Hauptabteilungsleiterin eine Führungsposition in der Schulabteilung der Diözese Eichstättinne. Die Mutter dreier erwachsener Kinder ist studierte Religionspädagogin und hat schon damals während ihres Jahrespraktikums am Beispiel ihrer Mentorin erfahren, „dass sich Familie und Beruf in der Kirche miteinander verbinden lassen. Dort konnte ich auch erstmals bewusst erleben, wie eine Frau jeden Tag im Lebensraum Schule die Frohe Botschaft verkündet“. Für ihre Situation als berufstätige Mutter habe sie bei ihrem Dienstgeber jederzeit Verständnis gefunden, lobt Buckl, „die Möglichkeit der Teilzeit in unterschiedlichen Variationen war immer gegeben.“ Die Erfahrung, die sie selbst im Schulunterricht sammelte, gibt sie heute an junge Lehrkräfte weiter. „Für eine wachsende Zahl, bis zu 90 Prozent, von Kindern und Jugendlichen ist der Religionsunterricht der wichtigste und oft auch einzige Ort der Begegnung mit dem Glauben“, weiß Buckl und ist deshalb überzeugt, „dass gerade auch dieser Dienst der Kirche in der Gesellschaft ein Gesicht gibt“.

Unbestrittene Managerqualitäten hat Schwester Gerda Friedl, trägt sie doch schon seit 25 Jahren als Gesamtleiterin von Regens Wagner Zell Personalveranwortung für heute etwa 650 Mitarbeiter, gehört dem Stiftungsrat von Regens Wagner an und hat sich ganz nebenbei große Kenntnisse im Nachhaltigkeitsmanagement erworben. So ist sie auch Mitglied im Sachausschuss Kirche und Umwelt des Eichstätter Diözesanrats. Auch in ihrem Orden hat sie als Oberin und Mitglied der Provinzleitung Verantwortung übernommen. „Man wächst mit seinen Aufgaben“, hat sie erfahren. „Leitmotive meiner Arbeit sind Wagemut und Gottvertrauen.“

Über ihren Weg in die Kirche erzählt Schwester Gerda, die in Eichstätt Sozialpädagogik studiert hat: „Als junges Mädchen habe ich gerne die Bergpredigt gelesen und in ihr Orientierung für das Zusammenleben in Familie und Gesellschaft gefunden. Ich habe mich in der katholischen Jugendgruppe meines Dorfes und später auch in der Katholischen Hochschulgemeinde in Eichstätt engagiert.“ Trotz allen Respekts vor Ordensfrauen im Verwandten- und Bekanntenkreis habe sie als Außenstehende das Ordensleben als ‘eng’ empfunden, erzählt sie. In Zell aber, wo sie 1978 ihr Berufsleben als Erziehungsleiterin begann, habe sie diese Lebensform als „weit, offen, lebendig, glaubwürdig und manchmal auch kritisch gegenüber der Institution Kirche“ erlebt. Davon war sie so berührt, dass sie 1981 selbst Dillinger Franziskanerin wurde. Auf die Frage der Mitverantwortung der Frauen in der Kirche antwortet sie: „Von vielen wichtigen Gremien sind Frauen immer noch ausgeschlossen, obwohl sie von vielen Fragestellungen und Entscheidungen, die in der Kirche diskutiert und umgesetzt werden, betroffen sind. Was spricht dagegen, dass Frauen zum Beispiel auch in das Domkapitel oder in die Bischofskonferenz gewählt werden und dort innerkirchliche und theologische Fragen mit diskutieren und entscheiden?“

Die gebürtige Kölnerin Elke Lütkehermölle, ist Buchhändlerin und Mutter eines Sohnes. Sie engagiert sich seit Jahren ehrenamtlich in der Kirche, derzeit als Vorsitzende des Dekanatsrats Herrieden. Lütkehermölle zog 1991 mit ihrer Familie nach Heilsbronn und meldete sich dort schon wenig später als ehrenamtliche Betreuerin der Sternsingergruppen. Sie wurde Elternbeiratsvorsitzende des katholischen Kindergartens und kandidierte 1994 für den Pfarrgemeinderat, dessen Vorsitz sie seit zwölf Jahren hat. Sie ist auch Teamsprecherin des Ortsvereins Heilsbronn der Katholischen Arbeitnehmerbewegung (KAB), stellvertretende Vorsitzende der KAB Eichstätt, Delegierte im Diözesanrat. Als Motivation nennt sie: „In Gemeinschaft mit vielen anderen Engagierten Kirche gestalten, sich nicht scheuen, Verantwortung zu übernehmen und erleben, dass man dadurch andere motivieren kann, mitzumachen.“ Sie freut sich über „die wachsende Anzahl von Frauen, die im Gemeindeleben und in den Räten trotz vielfältiger Verpflichtungen in Beruf und Familie Verantwortung übernehmen“. Durchsetzungsprobleme von Frauen sind für die Dekanatsratsvorsitzende Schnee von gestern. Ernst genommen zu werden sei vielmehr eine Frage des Auftretens.

Die Pastoralreferentin Gabriele Siegert ist Leiterin der Ehe-, Familien- und Lebensberatung in Schwabach und Roth und zudem Referentin im Bistum Eichstätt für den Bereich „Prävention sexualisierte Gewalt“. Ihr Interesse an der Kirche sei im Elternhaus geweckt worden, erzählt die studierte Theologin. „Wir waren als Familie eingebunden in das Leben von Pfarrei, Bistum und Kirche. Alle damit zusammenhängenden Themen wurden gerne auch kontrovers diskutiert.“ Ihre berufliche Entscheidung hat sie nicht bereut:„Als hauptamtliche Mitarbeiterin in der Kirche begegne ich Menschen immer auch im Namen der Kirche. Wenn ich geglückte, heilsame, offene und wegweisende Beziehungen zu Klientinnen und Klienten herstellen kann, dann erleben diese durch mich Kirche. Wenn ich mich in der Präventionsarbeit den Fragen und Anliegen der Menschen stelle, mich mit ihnen auf den Weg mache, grenzüberschreitendes Verhalten zu erkennen und möglichst zu vermeiden, dann gestalte ich direkt innerkirchliches Verhalten mit.“ Zum Thema „Frauen als Führungskräfte in der Kirche“ meint die Theologin: „Für mich ist die Frage nach Führungskräften grundsätzlich nicht an das Geschlecht gebunden, sondern an Qualifikation und persönliche Eigenschaften, die durch Ausbildung und Selbstreflexion geschult wurden. Insofern kann ich mir Frauen in jeder Führungsposition und auf jeder Ebene vorstellen, die nicht wirklich den geweihten Priestern vorbehalten sein muss.“

Gabi Gess, Kirchenzeitung Nr. 32/33 vom 10./17. August 2014