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Altarstufen als Karrieresprungbrett

Persönlichkeiten aus dem Bistum erzählen von ihrer Ministrantenzeit

Was haben Thomas Gottschalk, Günther Jauch, Hape Kerkeling und Markus Lanz gemeinsam? Klar, alle sind erfolgreiche Moderatoren, Entertainer und Gesichter der Medienbranche. Was die Vier aber zudem eint, ist eine mehr oder weniger ausgeprägte Vergangenheit als Ministrant, denn sie alle haben vor der Karriereleiter die Stufen des Altars erklommen. Markus Schächter, Medienmanager und bis 2012 Intendant des Zweiten Deutschen Fernsehens, widmet sich in seinem Buch „Die Messdiener. Von den Altar-stufen zur Showbühne“ eben diesem Phänomen und geht der Frage nach, ob es eine Verbindungslinie zwischen Showbusiness und Messdienst gibt? (siehe Kasten unten).

Dass der berufliche Weg nach einer Ministrantenkarriere nicht zwangsläufig ins Showgeschäft führen muss, zeigen die Lebenswege von Eichstätts Landrat Anton Knapp, Bischof Dr. Gregor Maria Hanke OSB, Pastoralreferentin Sarah Hairbucher und Prof. Dr. Gernot Michael Müller, Professor für Klassische Philologie an der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt und derzeit einer ihrer Vizepräsidenten.

Wir haben diese vier Persönlichkeiten aus dem Bistum nach ihrer Zeit als Ministrant gefragt und neben Anekdoten und Erinnerungen auch eine übereinstimmende Aussage gehört: Das Miteinander in einer Gemeinschaft voller Zusammenhalt, in der man in feste Strukturen hineinwächst und Verantwortung übernimmt, hat sie alle in ihrer Persönlichkeit geprägt.

Nach Angaben von Buchautor Schächter gibt es derzeit rund 500.000 Messdiener in Deutschland. Die Tatsache, dass es wieder mehr Ministranten als in den Jahrzehnten zuvor gibt, hängt auch damit zusammen, dass es mittlerweile selbstverständlich ist, dass auch Mädchen am Altar stehen. Bedenkt man, dass der Altardienst seit dem Mittelalter die Vorstufe zum Priesteramt bildete, war dies eine revolutionäre Veränderung für die katholische Kirche. Im Bistum Eichstätt sind weibliche Messdiener seit den 1990er-Jahren aktiv an der Eucharistiefeier beteiligt. Etwa 8.000 Ministranten engagieren sich bistumsweit in ihren Jugendgruppen und tun ihren Dienst am Altar. Vom Referat für Ministrantenpastoral des Bischöflichen Jugendamtes Eichstätt erfahren sie Unterstützung und Begleitung. Pastoralreferentin Sarah Hairbucher, die selbst einmal Ministrantin war, leitet das Referat zusammen mit Diözesanjugendpfarrer Christoph Witczak. „Unser Ziel ist es Ministranten in ihrer Freundschaft zu Jesus Christus zu fördern und zu begleiten, Verantwortliche in der Ministrantenarbeit in den Pfarreien konzeptionell und fachlich zu beraten und Weiterbildungsmöglichkeiten anzubieten“, sagt sie. Zudem gibt es an Wochenenden und in den Ferien Veranstaltungen speziell für Ministranten. Als Nächstes steht im Februar der Diözesan-Cup im Ministrantenfußball auf dem Programm.

Auch im Profifußball gibt es übrigens mit Thomas Müller, Miroslav Klose oder Bundestrainer Joachim Löw prominente Beispiele ehemaliger Messdiener. Auch ihnen widmet Schächter einen Abschnitt in seinem Buch und zitiert Löw als ehemaligen Ministranten aus der Schwarzwald-Gemeinde Schönau: „Es nutzt der Gruppendynamik meiner Elf, wenn sich einzelne Spieler für Wertefragen und Spiritualität öffnen.“ Löw bekennt, sein Glaube gebe ihm die Zuversicht, „dass es stärkere Kräfte im Menschen gibt, als den Egoismus“. 

Altardienst als Kraftquelle

Als Sarah Hairbucher im Jahr 2000 mit 14 Jahren ihren Dienst als Ministrantin begann, waren bereits einige Mädchen in ihrer Pfarrei Gersthofen in der Diözese Augsburg als Messdiener aktiv. Erst habe sie sich nicht so recht getraut, erzählt sie. Aber nach ihrem ersten Einsatz bei einer Vorabendmesse sei sie total begeistert gewesen und bis zu ihrer Studienzeit sieben Jahre lang dabei geblieben. „Für mich persönlich waren besonders die Werktagsmessen wichtig, gerade wenn es Stress in der Schule gab, konnte ich dort zur Ruhe kommen und neue Kraft schöpfen“, erinnert sie sich. Besonders in Erinnerung geblieben ist ihr bis heute die Feier des österlichen Triduums mit der Osternacht als Höhepunkt. „Der Ministrantendienst hat mich mit der Liebe zur Liturgie, der Nähe zum Altar zutiefst geprägt und geholfen meinen Glauben tiefer zu verstehen, zu leben und zu feiern. Der Kontakt und die Gespräche mit unseren Pfarrern, Kaplänen und Praktikanten haben meinem Glaubensleben eine Grundlage gegeben. Diese möchte sie als Ministrantenreferentin weitergeben. Ihr sei es wichtig, dass die Ministranten der Diözese immer wieder die Erfahrung machen, dass Gott sie auf ihrem Lebensweg führt: „Es ist mir ein großes Anliegen, dass die Ministranten wissen, was sie glauben, begreifen, welchen Dienst sie tun und dabei hellhörig werden für den Ruf Gottes. Besonders wünsche ich den jungen Minis Menschen an ihrer Seite, die ihnen helfen, den Weg zu finden, ihren Glauben zu leben.“

Mess- und Staatsdiener

Stolze 13 Jahre lang – von 1963 bis 1976 – war Landrat Anton Knapp Ministrant in der Pfarrei Mariä Himmelfahrt in Gaimersheim. Einprägsame Erlebnisse waren für ihn die Primiz von Pfarrer Thomas Gensberger 1986 und seine Zeit als Klosterministrant bei den Armen Schulschwestern. Der Gottesdienst war bereits um sechs Uhr und anschließend gab es immer ein gutes Frühstück. „Am Sonntag durften wir auf den Kirchturm steigen und haben für Dekan Jakob Franz Tauben gefangen und anschließend bei der Pfarrköchin zum Schlachten abgegeben“, erinnert er sich. Begeistern konnten ihn auch die Ministrantenausflüge, Zeltlager und Bergtouren mit den Pfarrern Michael Feierle und Josef Worsch. Am Palmsonntag seien die Ministranten von den Anwohnern reichlich mit Eiern, Schokolade und Geld für ihren Ministrantendienst beschenkt worden. Als Sternsinger habe er immer den Mohr machen dürfen: „Beim Besuch in den Gasthäusern gab es dann auch mal einen Schnaps spendiert“, erklärt der Landrat. Seine Eltern hätten den Ministrantendienst in jeder Hinsicht unterstützt. „Mir hat der Altardienst immer viel Freude bereitet.“ Neben dem Einblick in den kirchlichen Jahreskreis habe er durch den Ministrantendienst vor allem gelernt Verantwortung zu übernehmen: „Es war eine nutzbringende Zeit in der man auch Führungsaufgaben übertragen bekam.“

Teil liturgischen Lebens

Ein Schulfreund und ich wollten bereits in der ersten Klasse Ministrant werden, aber die Zulassung erfolgte nicht vor der Erstkommunion“, erzählt Bischof Dr. Gregor Maria Hanke OSB rückblickend. Wenn die Kinder dem Ortspfarrer im Dorf begegneten, sei es damals üblich gewesen, ihn mit den Worten „Gelobt sei Jesus Christus“ zu begrüßen. Der Pfarrer habe dann die Hand mit der Antwort „In Ewigkeit Amen“ gereicht. „Wir haben dann einmal hinzugefügt, dass wir Ministranten werden wollen. Der Pfarrer lächelte und antwortete: „Da müsst ihr noch viele Knödel essen“, erinnert sich Hanke. Dieses „Aufbauprogramm“ überbrachte der kleine Franz Maria Hanke erwartungsfroh seiner Mutter und durfte dann von der dritten bis zur fünften Klasse den Ministrantendienst in der Pfarrei Elbersroth übernehmen. „Die Feier der Liturgie mit all den Festen und Prozessionen gehörte zur Mitte des dörflichen Lebens. Der Ministrantendienst galt als sehr attraktiv und wurde geschätzt. Wir haben zu den Großen aufgeschaut und wollten es ihnen gleich tun“, erklärt Hanke weiter. Sie seien damals eine durchaus verschworene Gruppe gewesen. An den Kartagen, wenn die Glocken schweigen, seien sie mit den Rädern zum „Ratschen“ durch die Pfarrei gefahren. „Dafür gab es am Karsamstag eine Naturalienkollekte, die ganze Aktion war immer ein großes Hallo“, berichtet der Bischof. Für ihn ergab sich durch das Ministrieren eine äußere und innere Nähe zur Liturgie: „Wir waren als Ministranten bei den verschiedenen Formen der Sakramentenfeiern, wie Eucharistie, Trauung, Taufen, Andachten und Beerdigungen dabei und damit Teil des liturgischen Lebens, das kann einen jungen Menschen prägen.“

Liturgie als Lebensmotiv

Von 1980 bis 1990 war Prof. Dr. Gernot Michael Müller in seiner Heimatpfarrei St. Albert in Augsburg-Haunstetten als Ministrant engagiert. Auf Anfrage des Pfarrers im Religionsunterricht, wer von den Jungen Interesse habe, Ministrant zu werden, hatte er zunächst wenig Lust. „Ich habe mich dann aber meinem Vater zuliebe dafür entscheiden, weil er mir schon in meiner Kindheit erzählt hatte, dass er selbst gerne Ministrant gewesen wäre, was aus bestimmten Gründen in seiner Jugend nicht möglich war. Deshalb hat er mir gegenüber betont, wie sehr er sich freuen würde, wenn ich Ministrant wäre. Er hat nie Druck ausgeübt, aber ich wollte ihm diesen Wunsch dann erfüllen.“ Besonders gefallen haben Müller die zahlreichen Festgottesdienste, bei denen er als Zeremoniar wirkte und die gute Gemeinschaft in der Ministrantengruppe. Ein besonderes Erlebnis war für ihn die Teilnahme am Gottesdienst, den Papst Johannes Paul II. im Augsburger Mariendom 1987 anlässlich seiner Deutschlandreise zelebrierte. „Im Rückblick kann ich sagen, dass der Ministrantendienst prägend für meine Glaubensentwicklung war. Die positive Erfahrung des Dienstes am Altar, aber auch die Gemeinschaft mit meinen damaligen Freunden, die bis heute existiert, waren Motive, die mich dazu bewogen, mich zum ständigen Diakon weihen zu lassen. Ich habe den Eindruck, dass sich hier ein roter Faden durch mein Leben zieht.“

Johannes Heim, Kirchenzeitung Nr. 2 vom 11. Januar 2015