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Auf ein Wort: Gedanken zum Sonntagsevangelium

Zwei Seiten einer Medaille

30. Sonntag im Jahreskreis, 27. Oktober 2013

Zwei Menschen, die unterschiedlicher nicht sein können, werden uns von Jesus vorgestellt: der eine, der vor Selbstherrlichkeit nur so zu strotzen scheint und der andere, bescheiden, realistisch und um sich selbst und seine Grenzen wissend. Die auf den ersten Blick ganz klar erscheinende Be- oder Verurteilung der jeweiligen Verhaltensweisen, führt auf den zweiten Blick hinter das äußere Bild und macht aufmerksam darauf, dass es Jesus bei weitem mehr als um nur ein äußerliches Entweder-oder geht.

Da wird ein Mensch vorgestellt, der eine besondere Vorliebe für das Wort Ich zu haben scheint, dreimal wird es in nur zwei Sätzen benutzt um die eigene Leistung herauszustellen. Mit Gebet hat eine solche Aufzählung wenig zu tun, denn wer so redet, will höchstens eine Bestätigung, aber bestimmt keine ehrliche Rückmeldung. Er oder sie stellt sich selbst dar und um die eigene Bedeutung zu maximieren. Sie oder er scheut sich nicht, andere Menschen einer niedrigeren Stellung und Wertigkeit zuzuordnen. „Ja, ich bin toll – aber der oder die da?“ – so wird Distanz zur Umgebung geschaffen. Aber: Wer andere klein macht um selbst groß dazustehen, hat nie gelernt, sich selbst ernstzunehmen und sich selbst anzunehmen. Es ist ein Zeichen persönlicher Schwäche, niemanden neben sich haben zu können, sein Verhalten nach oben und unten zu verändern um selbst – und nur selbst – im richtigen Licht dazustehen. Das gilt nicht nur für das menschliche Miteinander, sondern in gleicher Weise für die Beziehung zu Gott. An die Stelle des sich von der Barmherzigkeit Gottes umfangen lassen tritt ein „Ich weiß selbst alles am Besten.“

Die zweite Person, die vorgestellt wird, ist von ganz anderer Natur. Hier steht ein Mensch, der um seine dunklen Seiten, seine Erlösungsbedürftigkeit, um das heilende Mitsein Gottes weiß. Er spürt, dass er dem nicht gerecht wird, was ihm an Talenten mit auf den Weg gegeben ist, dass das Leben Brüche hat und er immer wieder um seinen Glauben ringen muss. Und dennoch hat er den Mut, sich selbst realistisch wahrzunehmen, so wie er ist und sich mit seinen dunklen Seiten in die Hand Gottes fallen zu lassen.

Zwei Personen – zwei Lebensmodelle? Oder zwei Seiten ein und derselben Medaille? Zwei Teile, die sich gegenseitig ergänzen?

Blickt man einmal auf seine eigene Persönlichkeit so wird man Anteile beider von Jesus als Beispiel genommenen Bilder in sich entdecken und so sich selbst mit seinen Licht- und Schattenseiten neu sehen und verstehen lernen. Das ist die Grundlage für eine wirkliche Veränderung: weg von einem Urteilen hin zu einem sich verändern. Bin ich jemand, der die Anerkennung von außen braucht und alles nur Erdenkliche dafür ohne Rücksicht auf Verluste tut, weil ich mich sonst minderwertig fühle? Bin ich jemand, der/die bereit ist, an seinen/ihren dunklen Seiten zu arbeiten und sich dabei vertrauensvoll von Gott führen zu lassen?

Mit dem Bild, das Jesus seinen Hörerinnen und Hörern hier vorstellt, lädt er dazu ein, ihr alltägliches Tun und Lassen sowohl auf die Beziehung zu den Menschen in der eigenen Umgebung, als auch auf das eigene Gottesbild hin zu überprüfen. Die vorgestellten Personen können als eine Art Spiegel benutzt werden, die helfen, weder in die Falle der Überheblichkeit, noch in die Falle der Selbstentwertung zu tappen. Entscheidend ist vielmehr, dass jede und jeder den einmaligen Wert erkennt, den sie und er in den Augen Gottes hat und das er und sie in allen Situationen des Lebens darauf vertraut, von Gott angenommen und geliebt zu sein. 

Barbara Bagorski, Kirchenzeitung vom 27. Oktober 2013

Lesungen zum 30. Sonntag im Jahreskreis am 27. Oktober 2013