Wozu ein Heiligenschein so nützt
Waren Maria und Josef „Helikopter-Eltern“? In seinem gleichnamigen Buch wendet sich Josef Kraus, gebürtiger Eichstätter, Präsident des deutschen Lehrerverbandes, gegen den von vielen Eltern betriebenen „Förderwahn, gegen Überbehütung und Verwöhnung“. Wie ein Helikopter würden solche Eltern ständig über ihren Kindern kreisen, um jederzeit eingreifen zu können.
Überbetreuung des kleinen Jesus – kaum möglich für Maria und Josef in der damaligen Familienstruktur. Liebe und Sorge sehr wohl. „Das Kind wuchs heran und wurde kräftig“ – mehr sagt unser heutiges Evangelium nicht. Die Evangelisten überlassen den Alltag dieser Familie unserer Fantasie.
„Er hat wie wir als Mensch gelebt, in allem uns gleich, außer der Sünde“, so fasst es das 4. Hochgebet der Messe zusammen. In seinem neuen Buch „Stille Nacht. Die Weihnachtsgeschichte ohne Worte“ hat der Comiczeichner Frank Flöthmann die Alltagsrealität dieser jungen Familie liebevolle gezeichnet. Das nächtlich schreiende Baby: Wie sind damit Maria und Josef umgegangen? „Liebt man als Ersatzvater den Gottessohn auch noch, wenn er mal nicht in himmlischer Ruh schlafen will?“ Frank Flöthmanns Stummcomic „um die beliebteste Patchworkfamilie der Welt“ nimmt den Alltag auch dieser „heiligen“ Familie ernst: das schreiende Baby wird ruhig durch „Nuckeln“ an einem Ring. Es ist kein gewöhnliches Spielzeug, sondern der„Heiligenschein“, der Ring des göttlichen Nimbus dieses Kindes.
Was originell-spielerisch daherkommt, bringt die Tiefenschicht des Glaubens ins Bild: „In unser schwaches Fleisch und Blut sich kleiden will das höchste Gut!“ Jesus, hineingeboren in eine menschliche Familie! Damit ist jede Familie, mit ihrem Alltag, mit ihren Freuden und Leiden, mit ihren Lasten, Konflikten und auch mit ihren heutigen Gefährdungen ganz in die Nähe Gottes gerückt.
Die Beschreibung dieser Familie als „heilig“ entspringt damit keinem zusätzlichen religiösen Förderwahn auf moralische Vollkommenheit. Sie ist vielmehr Ermutigung: Wenn Gott den Weg des Menschen ganz ging, auch als kleines hilfsbedürftiges Kind, dann lädt er uns zugleich ein, in jedem Kind seinen menschgewordenen Sohn zu erkennen: „denn seine Gnade ruhte auf ihm!“
Generalvikar Dompropst Isidor Vollnhals, Kirchenzeitung vom 28. Dezember 2014