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Wer bleibt?

Fünfter Sonntag der Osterzeit, 6. Mai 2012

Bleiben Sie halt noch!“, beschwichtigen Gastgeber ihre Besucher, wenn diese sich anschicken aufzubrechen. „Ich muss jetzt hier raus“, sagen Menschen in kritischen Situationen. Bleiben oder Gehen, Aushalten oder Fliehen zwischen beiden Polen sind die Jünger nach der Auferstehung hin- und hergerissen. In ihrer Unruhe erinnern sie sich, dass Jesus sie vor seinem Leiden aufgefordert hat zu bleiben; und zwar nicht an einem bestimmten Ort, sondern in einer bestimmten Person, in ihm selbst: „Bleibt in mir, dann bleibe ich in euch.“ Er sagt nicht: „Ich bleibe in euch, egal was ihr tut.“ Jesus gewährt Freiheit. Aber lohnt es, bei Jesus zu bleiben? Die Jünger erleben: Leicht ist das nicht mit Jesus; er handelt oft so unberechenbar; immer wieder verstehen wir ihn nicht.

Die lange Weile des Gebets Jesu am Ölberg lässt sie ihrer Müdigkeit erliegen. Jesus bleibt allein. Das Kreuz zerstreut sie. Allein Johannes und Maria bleiben bei Jesus. Das leere Grab treibt die Jünger hin und her. Erst als der Auferstandene selbst kommt, finden sie Frieden, Friede in ihm. Zwei von ihnen bitten in Emmaus: „Herr, bleibe bei uns“. Bei seiner Himmelfahrt verheißt er: „Ich bleibe alle Zeit bei euch bis ans Ende der Welt.“  Werden die Jünger in aller Welt, bei denen das Evangelium inzwischen angekommen ist, in ihm bleiben? Wenn sie sich taufen haben lassen auf seinen Namen, wenn sie sich stärken haben lassen mit seiner Salbung, wenn sie sich verbünden haben lassen mit seinem Leib zu einem Leib? Oder sagen sie nur: „Danke für das schöne Fest. Es war wirklich sehr, sehr feierlich.“

Liebe Leserinnen und Leser, jährlich erleben wir dasselbe: Nach der meist aufwendigen Vorbereitung auf die Sakramente, beginnt nach der Feier der Rückzug von Tauffamilien, von Erstkommunionkindern und Firmlingen in die eigenen vier Wände. Ehrenamtliche können fragen: „Warum der Riesenaufwand, wenn nur wenige bleiben?“ Doch da weist das Gleichnis vom Weinstock unser Gejammer in die Schranken: Wenn wir uns gemüht haben, liegt nicht mehr die Verantwortung bei uns, wenn viele wegbleiben. Wer letztendlich wegbleibt, das beurteilt der Winzer, also Gott, und nicht die anderen Triebe des Weinstocks, sprich wir.

Unsere Aufgabe ist es vielmehr, selbst am Weinstock auszuharren, dass an uns Früchte wachsen können. Diese Aufgabe fordert uns ganz und genügt.

Kaplan Peter Hauf, Kirchenzeitung

Lesungen zum fünften Sonntag der Osterzeit am 6. Mai 2012