„Wenn ihr euch nicht bekehrt ...“
Dritter Fastensonntag, 3. März 2013
Diese Worte sind uns nicht neu. Wir haben sie wieder und wieder gehört. Sie sind Teil unseres religiösen Wortschatzes. Doch begreifen wir auch, was damit gemeint ist? Regt sich da nicht sogar ein gewisser Widerstand in uns? Das klingt doch alles sehr negativ, fast wie eine Drohung.
Machen wir denn immer alles falsch? Kann der Mensch überhaupt nichts recht machen? Warum sollen wir uns ständig bekehren?
Für viele unserer Zeitgenossen ist dieser Appell nur schwer nachvollziehbar. Sie sehen schlicht und einfach die Notwendigkeit für eine solche Bekehrung nicht gegeben. Und wenn wir ehrlich sind, dann kommen wir uns selbst doch auch ganz ordentlich, anständig und harmlos vor.
Karl Rahner schrieb einmal im Blick auf diese Spannung in seinen „Betrachtungen zum ignatianischen Exerzitienbuch“: „Weil wir Sünder sind, haben wir uns auch hinsichtlich des Erkennens der Sünde noch sehr zu bemühen.“
Man muss jedoch nicht unbedingt religiös sein, um zu bemerken, dass mit dem Menschen irgendetwas nicht stimmt. Manche gehen soweit zu sagen, er sei eine Fehlkonstruktion. Jedenfalls ist er keinesfalls vollkommen. Er ist oft so schwach, richtet soviel Unheil an und ist zu soviel Bösem fähig.
Gott aber hat auch nach dem Sündenfall den Menschen nicht aufgegeben. In seiner Menschwerdung ist er uns nachgegangen, um uns in Jesus Christus einen Ausweg aus unserer menschlichen Misere zu zeigen. Mit unendlicher Geduld bemüht er sich um uns, gräbt den Boden des Lebensalltags um uns herum auf und düngt ihn mit seiner Gnade, damit wir doch noch Frucht bringen.
In der Taufe sind wir, ob bewusst oder unbewusst, dem Ruf Christi zur Bekehrung bereits grundsätzlich gefolgt. Dies konnte aber nur ein Anfang sein. Denn wenn durch die Taufe auch die Erbsünde getilgt wird, so verbleiben doch deren Folgen für unsere menschliche Natur in uns und verpflichten uns zu einem lebenslangen geistlichen Kampf. Die Taufe stellt also nicht nur einen einmaligen Akt, sondern eine beständige Aufgabe dar. Es geht immer wieder darum, unsere Taufgelübde zu bestätigen. Es geht darum, immer wieder mit Christus der Sünde zu sterben, um auch mit ihm zu leben.
Der Umkehrruf Jesu steht deshalb im Zentrum seiner Botschaft vom nahen Reich Gottes. Umkehr ist letztlich die einzige Haltung, die uns Menschen den Weg zum Heil eröffnet und uns heil werden lässt. Dies gilt für jeden Menschen insofern er Mensch ist. Diese Bekehrung muss im Herzen des Menschen seinen Anfang nehmen und sich dann im konkreten Tun auswirken.
Ausdruck einer solchen Umkehr-Gesinnung sind beispielsweise die vielfältigen Formen der Buße, unter denen das Fasten, das Gebet und das Almosengeben besonders herausragen. Die Fastenzeit will uns helfen, uns wieder neu einzuüben in diese für uns so notwendige Haltung der Umkehr. „Wenn ihr euch nicht bekehrt“ ist keine Drohung, sondern ein Aufruf, nicht stehenzubleiben, sich vielmehr zu erneuern und mit der Gnade Gottes mitzuwirken.
Dabei geht es nicht in erster Linie um unser Werk und unsere Leistung, sondern darum, das Geschenk Gottes anzunehmen, das in einem neuen Herzen besteht. Bekehrung ist Antwort auf Gottes vorausgehende Versöhnung. In Jesus Christus hat er die Welt schon mit sich versöhnt.
P. Gregor Lenzen CP, Kirchenzeitung vom 3. März 2013