Was Gott verbunden hat
Hochaktuell ist das Evangelium dieses Sonntags. Mit dem 4. Oktober beginnt in Rom die Bischofssynode zum Thema „Be- rufung und Mission der Familie in der Kirche und der heutigen Welt“. Und genau an diesem Sonntag werden wir mit den Worten Jesu zur Ehe und zur Ehescheidung konfrontiert!
Ehescheidung war zur Zeit Jesu bei Juden wie Heiden nichts Ungewöhnliches. Dass es im Judentum bei der Begründung dafür eine strengere und eine mildere „Schule“ gab, wussten die römischen Christen, für die Markus sein Evangelium geschrieben hat, zweifellos nicht so genau. Deswegen steigt Markus auch gleich mit der grundsätzlichen Frage ein, ob eine Scheidung überhaupt möglich sei.
Jesus stellt darauf zunächst eine Gegenfrage, um denen, die ihn in Widerspruch „zum Gesetz“ bringen wollen, das Heft aus der Hand zu nehmen. Dann greift er bis an den Anfang der Schöpfung zurück: „Vom Anfang der Schöpfung her“ – wie eigentlich wörtlich zu übersetzen wäre – ist und bleibt es über alle Zeiten und Orte hinweg der eigentliche Wille Gottes, dass sich im Augenblick der Vereinigung von Mann und Frau Gottes Schöpfertat am Menschen vollendet. Als Mann und Frau hat er sie erschaffen, um sie innigst zu verbinden und mitwirken zu lassen an seiner schöpferischen Liebe. Mit ganzer Wucht stellt Jesus also Gott selbst vor die Ehe – seinetwegen ist Treue verlangt.
Im Gottesdienst wird uns leider nicht Mk 10,1 verkündet. Dieser Vers wäre eigentlich ein Schlüssel zum tieferen Verständnis: mit besonderer Betonung heißt es darin, dass Jesus aufbrach und nach Judäa und in das Gebiet jenseits des Jordan kam. Jesus macht sich endgültig auf den Weg nach Jerusalem, um den Menschen dort seine Liebe „bis zur Vollendung“ zu erweisen. Indem er sich am Kreuz für seine Kirche hingibt, greift er das tief im Alten Testament verankerte Bild von der „Ehe zwischen Gott und Israel“ auf und schafft ein Urbild der Verbindung von Mann und Frau, wie es gewaltiger nicht ausgedacht werden könnte. Von da an sollen – wie es in Eph 5,25-27 heißt – die Männer ihre Frauen lieben, „wie Christus die Kirche geliebt und sich für sie hingegeben hat, um sie im Wasser und durch das Wort rein und heilig zu machen. So will er die Kirche herrlich vor sich erscheinen lassen, ohne Flecken, Falten oder andere Fehler; heilig soll sie sein und makellos.“
Das Sonntagsevangelium liefert keine Antwort auf Fragen, die sich uns heute angesichts vieler in eine Krise geratenen oder gescheiterten Ehen stellen. Es stellt uns vielmehr konzentriert den ursprünglichen, wunderschönen Plan Gottes für die Ehe vor Augen, ihre Berufung und Mission. Die Väter des Zweiten Vatikanischen Konzils haben in der pastoralen Konstitution „Gaudium et spes“ versucht diese Berufung u. a. mit den Formulierungen zum Ausdruck zu bringen, dass die Ehe durch die gleichsam sakramentale „Weihe“ im gegenseitigen Tragen und Ertragen zum Ort lebendiger Begegnung mit Christus werde, zum Raum für gegenseitige Hilfe und gegenseitigen Dienst, zu einer Art Schule reich entfalteter Humanität – zum Ort eigener Vervollkommnung, gegenseitiger Heiligung und gemeinsamer Verherrlichung Gottes!
Michael Wohner, Kirchenzeitung vom 4. Oktober 2015