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Auf ein Wort: Gedanken zum Sonntagsevangelium

Verschenkte Zeit ist erfüllte Zeit

18. Sonntag im Jahreskreis, 4. August 2013

Mach du mal! Sag der, was sie tun soll! Kümmere dich endlich darum, dass der zur Sache kommt!“ – Das sind Redewendungen, die alle eins gemeinsam haben: mit ihnen wird versucht, die Verantwortung auf einen anderen abzuschieben. Im Alltag kann das durchaus gelingen, aber bei Jesus funktioniert das nicht. Er lässt sich nicht vereinnahmen, macht sich nicht zum Vollzugsgehilfen menschlicher Wünsche und Forderungen. Er zeigt denen, die so an ihn herantreten, klar auf, wo die Grenzen liegen.

Aber, denkt vielleicht die eine oder der andere, so etwas würde mir nie passieren! Wirklich nicht? Schauen wir einmal auf die eigene Gebetspraxis. Wie oft stehen gerade beim Bittgebet (nur) die eigenen Wünsche und Forderungen im Mittelpunkt: „Mach mal, bitte!“ Anstelle der Fürbitte tritt die Ich-Bitte; mal bewusst, mal unbewusst.

Das Ich leitet zum Beispiel Jesu vom „reichen Mann“. Nicht sein Reichtum als solcher steht hier in Frage, sondern wie mit dem, was Gott einem jeden Menschen schenkt, umgegangen werden kann. Jesus stellt uns einen Menschen vor, der ganz um sich selbst zu kreisen scheint. Bei seinen Überlegungen spielt das Wort „Ich“ die zentrale Rolle. Da ist einer, der nur an sich selbst denkt, der nur auf seinen Besitz, sein Haben-Wollen fixiert ist – und dabei gar nicht merkt, dass er am Leben vorbei lebt. Andere Menschen haben in seinem Denken und Planen keinen Platz.

Und Gott? Auch für ihn bleibt der Blick versperrt. Für den hier vorgestellten Menschen gilt: Hauptsache mir geht es gut, alles andere geht mich nichts an!

„Du Narr!“ Dieses Wort Jesu durchbricht das Um-sich-selbst-kreisen. Es lenkt den Blick weg vom Besitz hin auf das, was das Leben wertvoll macht: das miteinander teilen. Anstelle des Ichs tritt das Ich und Du, das Wir. Lebenstiefe, so sagt es Jesus, hängt nicht vom Besitz als solchem ab, sondern von der Kunst des richtigen Umgangs damit. Selbstverständlich darf sich jede und jeder an dem, was erworben wurde, erfreuen. Falsch dagegen ist es, sich an vergängliche Güter zu klammern, denn dann kann von Jetzt bis Gleich alles – Besitz und Lebenssinn – verloren gehen.

Woran hänge ich mein Herz? Diese Frage, die nur persönlich beantwortet werden kann, lenkt den Blick auf den Sinn und den Inhalt des Lebens. Sie lässt erkennen: Der Reichtum, der jeder und jedem geschenkt ist, ist die Zeit, die Lebenszeit. Zeit aber kann man nicht ansparen, ansammeln, anhäufen. Zeit kann nur genutzt werden: für mich selbst, für die Menschen um mich herum, für das Beisammensein mit Gott. Wer nach dem Beispiel Jesu seine Zeit nur dazu nutzt zu arbeiten und Vermögen zu gewinnen, fragt in der Regel nicht nach bleibendem Sinn, der hat auch für Gott keinen Freiraum zur Verfügung. Der Reichtum der Zeit bleibt leer und ungenutzt. Anders geht es allen, die Zeit schenken. Diese Erfahrungen kann jeder und jede tagtäglich machen: Zeit für eine Begegnung, für ein Lächeln, ein freundliches Wort, ein (kurzes) Gebet, einen Dank usw.. Verschenkte Zeit ist erfüllte, den Reichtum vermehrende Zeit.

Wer sich in die Kunst des Loslassens einübt, kann dreierlei erfahren: Gott hat mir nicht nur das Notwendigste gegeben, sondern vieles mehr. Über dieses Mehr kann ich frei verfügen und entscheiden.

Das Glück, das wir jeden Tag erfahren dürfen, ist nicht Verdienst, sondern unverdientes Geschenk. Das gilt in gleicher Weise für das, was wir erarbeitet haben und das, was uns in den Schoß gelegt worden ist, zum Beispiel Fähigkeiten, Ausdauer, Kraft.

Glück, das geteilt wird, trennt nicht, sondern verdoppelt sich. Dieses Glück ist es, was Gott für uns möchte. Er teilt sich mit, lässt uns im Brot brechen, in der Kommunion, an sich teilhaben. Wer das annimmt, erkennt: Gott ist die Liebe, ist der tragende Grund jedes Lebens. Ohne geteilte Liebe verliert das Leben seine Lebendigkeit, wird leer, wird arm. Die Entscheidung für das eine oder das andere liegt bei jedem und jeder einzelnen. Wofür entscheide ich mich?

Barbara Bagorski, Kirchenzeitung vom 4. August 2013

Lesungen zum 18. Sonntag im Jahreskreis am 4. August