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Auf ein Wort: Gedanken zum Sonntagsevangelium

Verbundenheit, die Grenzen überwindet

Siebter Sonntag der Osterzeit, 12. Mai 2013

Aus den Augen, aus dem Sinn – diese oft gebrauchte Wendung kennzeichnet in der Regel das Ende einer eher oberflächlichen Begegnung. Eine tiefe und von gegenseitiger Wertschätzung geprägte Verbundenheit dagegen bleibt, wenn auch in veränderter Form nach einer räumlichen Trennung, bestehen. Und genau diese Form der Verbundenheit ist es, um die Jesus im hohepriesterlichen Gebet den Vater bittet. Er tut dies, weil er weiß, dass eine dauerhafte Bezogenheit nur in der Liebe Gottes gründen kann. Sie ist eine Liebe, die eint, ohne die Unterschiede zu ignorieren, eine Liebe, die zur Klarheit im Glauben ermutigt, zum Mut, auf alle Verwässerungen zu verzichten, zur Bereitschaft, das gemeinsame Ziel nicht aus den Augen zu verlieren.

Die Fürbitte Jesus für alle Glaubenden am Ende der johannäischen Abschiedsreden ist von Aufbau her so gestaltet, dass deutlich wird: hier geht es nicht um einen Abschied auf „Nimmerwiedersehen“, hier geht es um eine veränderte Gegenwart – von der persönlichen Begegnung hin zur Begegnung in den Gemeinden. War es bisher der Kreis der Jüngerinnen und Jünger, die die Einheit mit Jesus vorlebten, sind es nun die Gemeinden, die die Aufgabe übertragen bekommen haben, Zeugen für die Einheit Jesu mit dem Vater zu sein.

Gemeinden setzen sich aus ganz unterschiedlichen Menschen zusammen. Schnell werden die in Schubladen eingeordnet: Konservative und Moderne, Traditionalisten und Fernstehende, Fromme und weniger Fromme – die Liste ließe sich noch weiterführen. Aber wie soll bei einer solchen Sortierung innerhalb einer Gemeinde Verbundenheit sichtbar werden? Wie steht es mit der Bereitschaft, Zeichen der Einheit miteinander zu setzen, das je Eigene Ernst zu nehmen und im gegenseitigen Respekt aufeinander zu hören? Hier gilt es, nicht in die Ferne zu schauen, sondern den Blick auf das Nächstliegende zu werfen. Einheit und/oder Zerrissenheit haben ihren Ursprung im Einzelnen. Wer innerlich unausgeglichen, mit sich selbst uneins ist, kann wenig zum Aufbau einer Gemeinschaft beitragen, die die Andersartigkeit und Einzigartigkeit jedes Menschen anerkennt.

Eine solche Verbundenheit, die menschliche Grenzen überwindet, kann weder befohlen noch vorgetäuscht werden. Diese Einheit, um die Jesus betet, kann nicht von Menschen gemacht werden, sondern wird von Gott geschenkt. Sie wird in einem Tun der Liebe gelebt, das aus dem Glauben erwächst, und nach außen hin erfahrbar. Wer so lebt, lebt das Leben von Ostern her. Der Evangelist Johannes fasst diese Grundaussage in dem Spannungsbogen „glauben – erkennen – lieben“ zusammen. 

Nur in einem echten Einssein, das bunt und verschieden ist, kann etwas verändert werden. Wer glaubt, erkennt: Gottes Herrlichkeit ist auch nach der Himmelfahrt Jesu mitten in dieser Welt erfahrbar. Nicht nur in der Person Jesu hat sich Gott dem Menschen in besonderer Weise geoffenbart; er tut es auch heute noch in den zahlreichen oft unbeachteten kleinen und in den zum Staunen einladenden großen Wundern um uns herum.

Da, wo sich Menschen mit dem Auftrag Jesus, Zeichen der Einheit zu sein, auf den Weg machen, wo sie bei allen Unterschieden mit ihm in Liebe verbunden sind, lassen sie andere erkennen, das Gott mitten unter uns war, unter uns ist und unter uns bleiben wird.

Barbara Bagorski, Kirchenzeitung vom 12. Mai 2013   

Lesungen zum siebten Sonntag der Osterzeit am 12. Mai 2013