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Auf ein Wort: Gedanken zum Sonntagsevangelium

Nicht aufgeben

Was ist das denn für eine Geschichte? Sie passt aber so gar nicht zu meinem Jesusbild! Ganz im Gegenteil – sie erschreckt. Worum geht es hier eigentlich? Diese und vergleichbare Reaktionen erstaunen nicht, denn diese Erzählung erschließt sich nicht automatisch beim ersten Lesen. Worum geht es hier?

Zuerst wird betont, dass Jesus sich zurückzieht. Der Grund dafür bleibt im Verborgenen: Erschöpfung, der Wunsch nach Ruhe, nach Zeit für sich selbst können die Auslöser dafür gewesen sein. Einfach einmal heraus aus dem alltäglichen Trott – und dann das. Eine Frau, unddazu noch eine Ausländerin, eine mit einer anderen Religion, eine Heidin, kommt zu ihm und – das erstaunt – redet ihn nicht nur korrekt an, sondern bittet ihn um seine Hilfe. Vielleicht hat sie von ihm und seinen Taten gehört, ihn von Ferne beim Umgang mit Menschen jeder Couleur beobachten können; vielleicht hat sie schon einmal eine seiner Predigten gehört, wir wissen es nicht.

Doch anstatt Ernst genommen zu werden, muss sie erfahren: Dieser Jesus reagiert nicht auf ihre Bitte, würdigt sie und ihr Anliegen mit keinem Wort. Ist es, weil er Ruhe braucht und auf dem Weg in die Zurückgezogenheit ist? Liegt es daran, dass sie eine Frau ist, die sich nicht an die Regeln hält, da sie ohne Scheu einen Mann anspricht? Was soll sie tun? Sich beleidigt zurückziehen oder sich weiter für ihr Herzensanliegen, die Gesundheit ihrer Tochter, einsetzen? Sie entscheidet sich für letzteres und bringt das, was für sie (lebens-)wichtig ist, so lautstark immer und immer wieder vor, dass sie die Jünger Jesu gegen sich aufbringt. Um nicht in ein falsches Licht zu geraten, bitten sie Jesus, etwas gegen diese aufdringliche Person, die sie in ihrem Wohlergehen stört, zu tun. Jesus erfüllt diesen Wunsch sofort. Dagegen ist seine Antwort der Frau gegenüber rau, abweisend, ja, genau genommen beleidigend. Kehrt jetzt endlich Ruhe ein?

Weit gefehlt! Die Frau lässt sich davon nicht abschrecken. Ihr Anliegen ist ihr so wichtig, dass sie über alles andere hinwegsehen und ihre Bitte noch einmal vortragen kann. Hat sie diesmal mehr Erfolg? Nein, denn wiederum erhält sie von Jesus eine Antwort, die ihr die Luft nehmen muss. Er vergleicht sie mit einem Hund. Eine gröbere Beleidigung ist in der damaligen Zeit kaum vorstellbar. Also: alles Bitten zwecklos?

Die Frau lässt sich trotzdem wieder nicht abschrecken. Geschickt nutzt sie die Antwort Jesu, um die Richtigkeit ihres Vorgehens zu unterstreichen. Ja, du hast Recht, aber … Was für eine Klugheit, Beharrlichkeit; welcher Mut zeichnet diese Frau aus. Sie lässt sich nicht abweisen, sie kämpft für ihre Tochter, sie gibt nicht auf  - und erreicht ihr Ziel. Jesus Haltung schlägt von Zurückweisung in helfende Zuwendung um. Er kann nicht anders als das unerschütterliche Vertrauen dieser Frau anzuerkennen und ihrer Bitte Folge zu leisten.
Gott um etwas für jemanden bitten – diese Haltung prägt bis heute oft das Gebetsleben. Aber steht dabei nicht häufig die Erwartung im Hintergrund, dass das Erbetene so schnell wie gewünscht geschehen soll? Und wie ist es, wenn sich nach menschlichem Ermessen nichts bewegt? Aufgeben, sich abwenden – oder weiter bitten?

Wer mit Gott um etwas ringt, braucht einen langen Atem, ein festes Vertrauen und einen tiefen Glauben. Er/sie muss bereit sein, Durststrecken zurück zu legen, sich von keiner wie auch immer gearteten Äußerlichkeit abschrecken zu lassen und wenn nötig, so zeigt das Beispiel dieser Frau, auch einmal aus dem Rahmen zu fallen. Sie/er braucht den Mut, hinter die Oberfläche zu schauen und auch ein „ja, aber …“ in Worte zu fassen. Dann – und nur dann, so zeigt diese Erzählung, kann es zu einem Happy End kommen. Wann dazu der richtige Augenblick gekommen ist, bestimmt nicht der Bittende. Die Zeit der Erfüllung und die Art der Erfüllung liegen allein in Gottes Hand. Bis dahin gilt es, nicht aufzugeben und das jeweilige Anliegen immer wieder neu in Worte zu fassen.

Barbara Bagorski, Kirchenzeitung vom 17. August 2014

Lesungen zum 20. Sonntag im Jahreskreis am 17. August 2014