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Auf ein Wort: Gedanken zum Sonntagsevangelium

Neu sehen können

Vierter Fastensonntag, 30. März 2014

Wie die Eltern, so die Kinder“; Selbst daran Schuld; Da hat jemand „Tomaten auf den Augen“ und es stellt sich die Frage, ob er den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr sieht – alle diese Redeweisen beschreiben die verschiedenen Wegabschnitte, die Johannes über eine Blindenheilung berichtet, bei der alles mit einer Begegnung beginnt.

Jesus sieht einen Mann, der blind ist und muss sich sofort den Fragen nach dem „Warum es so ist“ stellen. In seiner Antwort zeigt er auf, dass die damals gängige Verknüpfung von Leid und Schuld nicht haltbar ist. Mehr noch: er weist die Umstehenden darauf hin, dass es im Jetzt darum geht, Gottes Willen zu erfüllen und das er das Licht der Welt ist.

So stellt er durch sein Wort und das sich daran anschließende Handeln die rettende Heilmacht Gottes in den Mittelpunkt. Diese ist es auch, die es erlaubt, das Arbeitsverbot am Sabbat für die Hinwendung zum Nächsten aufzuheben, denn der Mensch ist nicht für das Gesetz, sondern das Gesetz für den Menschen da.

Was Jesus tut, lässt sich aus der Praxis der damaligen Zeit erklären, die in einem solchen Gemisch eine Medizin sah. Beim Auflegen des Teigs berührt Jesus den Blinden und er fordert ihn dann auf, selbst aktiv zu werden und der Leidende nimmt die Weisung Jesu an. Was er dann beim Waschen empfunden hat, können wir nur erahnen. Erlebt hat er, der stadtbekannte Bettler, nicht Mitfreude, sondern Misstrauen und Fragen, die an ein Verhör denken lassen. Während er sich dafür entschieden hatte, den Worten des für ihn nicht sichtbaren Jesu sein Vertrauen zu schenken und so aus der Dunkelheit heraus in das Licht zu treten, ist er nun von Menschen umgeben, die sich, selbst durch das Wunder, das sie miterlebt hatten, nicht dazu durchringen können, alles abzuwaschen, was sie beschwert und ihren Blick verfinstert.

Blinder Glaube – sehender Glaube

Nicht nur der Geheilte rückt in das Kreuzfeuer der Fragen, auch seine Eltern müssen sich der Ablehnung stellen. Bei dem Gespräch fällt auf, dass alle Parteien von der unumstößlichen Richtigkeit ihrer Argumente überzeugt sind. Sie alle sind überzeugt, einen klaren und verständigen Blick auf die Lage zu haben. Im letzten geht es dabei um die Frage, wer Jesus ist: jemand, der gegen das Gesetz verstößt und somit nicht der verheißene Messias sein kann, oder doch der Sohn Gottes, der die Vollmacht hat, Sünden zu vergeben.

Nach einem längeren Hin und Her wird die alles entscheidende Frage an den Geheilten gestellt: Wer, glaubst du, ist dieser Jesus? Und als Jesus dazu tritt und ihn fragt, ob er an den Menschensohn, der vor ihm steht und mit ihm spricht, glaubt, bricht sich die Antwort durch Wort und Gesten des Geheilten die Bahn. Das Öffnen der Augen schließt das Öffnen der Augen für den Glauben mit ein.

Die Blindenheilung macht deutlich, dass auch ein Sehender blind sein kann. Es ist dies eine Blindheit, die das Gute nicht sehen will, die an der Not vorbei sieht, die stets an der Oberfläche bleibt. Diese Blindheit macht hart und abweisend. Da, wo sich der/die einzelne nach dem Vorbild des Geheilten der eigenen Blindheit stellt und sich von Jesus Versöhnung und Heilung schenken lässt, da wandelt sich die Blindheit des Denkens in eine neue Sichtweise, die Gefühlsblindheit in Mitgefühl, blinde Angst in die Bereitschaft, den Glauben vor den Menschen zu bezeugen. Aus einem blinden Glauben wird ein sehender Glauben; ein Glauben, der aus der Begegnung und der Berührung lebt.                                

Barbara Bagorski, Kirchenzeitung vom 30. März 2014

Lesungen zum vierten Fastensonntag am 30. März 2014