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Auf ein Wort: Gedanken zum Sonntagsevangelium

Miteinander im Vertrauen verbunden

Vierter Sonntag der Osterzeit, 21. April 2013

Schafe: diese Tiere wecken ganz unterschiedliche Gefühle; als Vergleich mit Menschen sind sie jedoch auf den ersten Blick wenig schmeichelhaft. Und Hirt: das ist heute ebenfalls nichts, womit sich jemand identifizieren möchte. Will man auf dieser Erfahrungsgrundlage das Jesuswort in seiner Tiefe ausloten, ist es notwendig, die hier verwendete Bildsprache vor dem Hintergrund ihrer Zeit zu sehen.

Der Titel „Hirt“ war im Alten Orient weit verbreitet und bezeichnete Könige und Machthaber aller Art. Im Alten Testament werden uns unter anderen Mose und David als Hirten vorgestellt und in den Psalmen wird Gott selbst als „Hirte“ beschrieben (z.B. Ps 23). Die Aufgabe eines „guten Hirtens“ ist es, seine Herde zu versorgen und zwischen den Schafen für Recht und Gerechtigkeit zu sorgen (vgl. Ez 34,17) – von Idylle keine Spur.

Die Herde – also die Schafe – sind das Volk, was zu der Zeit, als diese Worte gesprochen und aufgeschrieben wurden, keinerlei Abwertung oder gar Beleidigung bedeutete. Für die Hörerinnen und Hörer dieser Stelle des Johannesevangeliums war klar: Hier wird ein bekanntes Bild benutzt und aktualisiert. Jesus ist der Hirte, aber nicht im Sinne von weltlicher Macht. Er ist der verheißene Messias. Die Schafe sind die Seinen, d.h. alle, die an ihn glauben. Damit ist eine erste Aussage dieses Textes, dass Verstehen und Glauben zusammen fallen.

Hirt und Schafe stehen in einer besonderen Beziehung zueinander. Der Hirt, Jesus, ruft die Suchenden, schenkt ihnen Orientierung und lässt sie Geborgenheit erfahren. Die Schafe, die Glaubenden, hören auf seine Worte und vertrauen ihm in der Gewissheit, von ihm gekannt zu sein.

„Kennen“ geht im biblischen Kontext über ein bloßes „bekannt sein“ hinaus. Es kann problemlos durch „lieben“ ersetzt werden, was die Bedeutung der Aussage Jesu weiter erschließt. Es geht dabei um eine Liebe, die der Tod nicht vernichten kann, da niemand von außen die Zusammengehörigkeit von Hirt und Schafen zerstören kann. Aus dieser Liebe heraus handelt Jesus in allem was er tut, nach dem Willen und Auftrag des Vaters. In ihm begegnen sich Gott und Mensch.

Der Hirt und die Schafe – Jesus und alle, die in seine Nachfolge eintreten – sind durch das „rufen“ und „hören“ miteinander verbunden. Diese Verbundenheit wird durch den Begriff „Berufung“ zum Ausdruck gebracht. Er weist darauf hin, dass jedes „Schaf“ ein einmaliges, unübertragbares Charisma hat, das mit Leben gefüllt werden will: ob als Priester oder Laie, Frau oder Mann. Es geht darum, sich immer wieder unter der Leitung des Hirten einzusetzen für die Geringgeachteten und Notleidenden; sich stark zu machen für die, die keine Chance haben; alle, die sich danach sehnen, die Geborgenheit und Tragfähigkeit der „Herde“ spüren zu lassen.

So verstanden schenkt das alte Bild vom Hirten mit seiner Herde Hoffnung und Zuversicht und hilft, in der Gemeinschaft mit Gott immer wieder neue Facetten des Zusammenlebens und Zusammenwirkens zu entdecken.

Barbara Bagorski, Kirchenzeitung vom 21. April 2013   

Lesungen zum vierten Sonntag der Osterzeit am 21. April 2013