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Auf ein Wort: Gedanken zum Sonntagsevangelium

Mich selbst suchen und gefunden werden 

24. Sonntag im Jahreskreis, 15. September 2013

Wo hab ichs denn bloß – den Schlüssel, die Geldbörse, die Brille, ...? Wer hätte nicht schon einmal etwas verlegt oder verloren und dann gesucht! Diese Alltagserfahrung greifen die drei Gleichnisse auf, die der Evangelist Lukas zusammengeordnet hat. So gelingt es ihm die unterschiedlichsten Gruppen von Zuhörern anzusprechen: die Fragenden, die auf der Suche nach dem Sinn der Botschaft sind; die Armen, also all jene, die jeden Cent zusammenhalten müssen, um das tägliche Leben zu sichern; die Suchenden bei ihrer Suche nach sich selbst, nach Gott, nach einem tragenden Lebensgrund.

In der Mitte dieser Reihe steht, oft wenig beachtet, ein Frauengleichnis, das sich durch seine besondere Nähe zum alltäglichen Leben auszeichnet. Da wird uns eine Frau vorgestellt, die alles Menschenmögliche unternimmt um eine verloren gegangene Drachme wiederzufinden. Geht es bei diesem Bild nur um das Wiederfinden dieser unscheinbaren Münze? Das Bildwort Jesu lässt zwei verschiedene Deutungsansätze zu.

Ein erster will den Blick auf den Menschen in seiner Ganzheit richten. Ganz sein, heil sein, kann aber nur, wer weiß, wer er/sie ist und was ihr/ihm geschenkt worden ist. Nur wer um seinen Reichtum (und der ist nicht nur materiell zu denken) weiß, kann spüren und erfahren, was er/sie verloren hat. Schnell fallen einem da Dinge ein wie Besitz, Status, Gesundheit und vieles mehr: aber haben diese Dinge wirklich etwas mit der jeweiligen Identität zu tun? Bin ich eine/ein andere/r, wenn ich nicht mehr auf Statussymbole zurückgreifen kann? Was macht eigentlich meine Persönlichkeit, meine Identität aus?

Die Frau, die uns hier vorgestellt wird, steht für den Menschen, der spürt, dass ihm etwas wirklich Wichtiges verloren gegangen ist. Diese Frau zündet ein Licht an, um genau hinschauen zu können auf das, was angeschaut werden muss. Und sie hört nicht eher auf als bis sie die verlorene Drachme gefunden hat, oder anders gesagt: Bis sie sich selbst (wieder) gefunden hat. Dieser Augenblick ist ihr so wichtig, dass sie ihn nicht für sich behält, sondern mit anderen teilt.

Das Gleichnis kann den Blick aber auch auf die Drachme lenken. Da ist nicht die Münze als solche gemeint, sondern das Bild lädt dazu ein, sich einmal mit dieser – für viele nicht sehr wertvollen Münze – zu identifizieren. Ich bin verloren gegangen – vielleicht auch deshalb, weil ich mir selbst fremd geworden bin. Möglicherweise ist jede Hoffnung verloren gegangen, fehlt es an Lebensmut, erscheint alles nur dunkel. Und genau in diese Dunkelheit trifft die Erfahrung: Da ist jemand, der/die mich sucht. Die Frau in diesem Gleichnis steht für das Handeln Gottes, dem jeder und jede einzelne so wichtig ist, dass er – wie durch die Frau verdeutlicht wird – keine Zeit und keine Mühe scheut um das Verlorene zu suchen. Die Drachme selbst kann nichts tun – nur warten, bis sie gefunden wird. Aber sie kann warten, weil sie weiß, dass Gott seine Suche nicht aufgibt. Es ist der Augenblick des Gefundenwerdens, der alles verändert. In diesem Moment geschieht, was Jesus in diesem Gleichnis als Umkehr/Neuanfang bezeichnet. Und wie die Frau ihre Freude mit ihren Freundinnen teilt, so darf man sich die Freude vorstellen, die im Himmel über solch eine befreiende Umkehr herrscht.

Suchen und Finden: Dieses Thema findet sich ansonsten nur in den Bildern, die von Gott als dem guten Hirten sprechen (so wie es das erste der drei Gleichnisse tut). Sowohl dieses Bild als auch die anderen im Gleichnis benutzten Bilder zeigen auf, dass nicht nur der Mensch Gott sucht, sondern Gott in gleicher Weise den Menschen sucht und findet. Mit Blick auf die Gleichnisse vom Verlorenen kann man fasst von einem Rollentausch sprechen, der zeigt: Gott kommt auf den Menschen zu. Er sorgt sich um das Verlorene. Dadurch ermöglicht er immer wieder einen Neuanfang hin zu einem Leben in Ganzheit und Freude.

Barbara Bagorski, Kirchenzeitung vom 15. September 2013

Lesungen zum 24. Sonntag im Jahreskreis am 15. September 2013