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Auf ein Wort: Gedanken zum Sonntagsevangelium

Kommt zu mir alle, die ihr beladen seid

Wir hören heute, wie die ersten Jünger zu Jesus finden und ihm folgen. Es geschieht Nachfolge im ganz wörtlichen Sinn.

Nun hat dieses Wort in unserer Zeit, in der Freiheit und Selbstbestimmung an erster Stelle stehen, eher einen abweisenden Charakter. Dazu steht eine Aussage Jesu im Raum, die man in der Verkündigung und sogar in einem Kirchenlied allzu sehr in die Mitte gerückt hat: „Wer mir nachfolgen will, verleugne sich selbst, er nehme täglich sein Kreuz auf sich und so folge er mir nach“ (Mt 16,24).

Am Vorbild der Heiligen wurde dieser Satz so ausgelegt, dass man seinen eigenen Bedürfnissen, Interessen und Wünschen radikal abschwören müsse, nie an sich selbst, nur an andere denken dürfe und für sie da zu sein habe. Der Eindruck wird vermittelt, als würde Nachfolge die eigenen Gefühle abschnüren und die Lebensfreude verhindern.

Schauen wir genauer hin, was die ersten Jünger bewegt, sich für ihren Meister zu entscheiden. Zuerst ist da der Hinweis des Johannes auf den Fremden: Er ist das Lamm Gottes! Er ist der, den ihr sucht! Da wollen sie ihn selbst kennenlernen. Sie erleben ihn als einen Mann, der ihr Erstaunen und ihre Bewunderung weckt.  Sie fragen nach dem Ort, wo er wohnt, betreten sein Haus, das von seiner Wesensart geprägt ist. Man stelle sich eine Atmosphäre vor, die frei ist von Druck, von Hektik, von Angst, wo es allen ein Stück leichter wird, wo man aufatmen kann. Hier dürfen wir an die Kirche mit dem Grab von Anna Schäffer in Mindelstetten denken. Es ist ein Ort, der erfüllt ist von einer Kraft, die einen ergreift und froh stimmt.

Es wird verständlich, dass die Jünger den ganzen Tag bleiben und überzeugt sind, dass sie das gefunden haben, wonach sie sich im Innersten gesehnt hatten. Es geht von diesem  Mann aus, der eine unübertroffene Ausstrahlung hat. Er muss der sein, von dem die Propheten reden und der Messias genannt wird.

Hier dürfen wir die Züge des Göttlichen an Jesus erkennen. Es ist die Atmosphäre, die in den Worten ausgedrückt ist: „Kommt zu mir alle, die ihr voll Mühsal und beladen seid; ich will euch ausruhen lassen“ (Mt 11, 28). „Mein Joch ist mild und meine Last ist leicht“  (Mt 11,30).

Demnach ruft Jesus zu einer Lebensweise auf, die das Dasein nicht schwerer macht. Vielmehr fallen alte, bedrückende Lasten ab. Es wird einem in seiner Nähe anders. Die Gegenwart Jesu öffnet eine neue Lebensqualität, die von Achtung voreinander und gegenseitigem Verstehen geprägt ist, von Liebe als Anziehung und Freude aneinander, als Nähe und Freiheit zugleich.

Die Nachfolge beginnt nicht mit einer Anstrengung, die einen  überfordert, sondern mit einer tief gehenden  Begegnung. Sie ist als erstes ein Eintauchen in die Atmosphäre Jesu. Für die ersten Jünger ist das so überwältigend schön, dass sie wiederkommen und es ihren Verwandten und Freunden weitersagen. Entscheidend ist, dass in ihnen selbst neue Räume des Erlebens entstehen, dass Ängste und Unsicherheiten abfallen, dass in ihnen Freude und Hoffnung erwachen. Wer diese Innenräume in sich kennt, dem werden die hohen Ideale der Nachfolge wie von selbst möglich.

P. Guido Kreppold OFMCap, Kirchenzeitung vom 18. Januar 2015

Lesungen zum 2. Sonntag im Jahreskreis am 18. Januar 2015