Zum Inhalt springen

Auf ein Wort: Gedanken zum Sonntagsevangelium

Jesus rettet den sinkenden Petrus

Nach dem Wunder der Brotvermehrung am See Genezareth drängt Jesus die Jünger, ins Boot zu steigen und an das andere Ufer des Sees vorauszufahren. Jesus bleibt zurück und begibt sich allein auf einen Berg, um zu beten. Die Evangelisten vermerken oft, dass Jesus betet: in der Einsamkeit, in der Nacht und bei wichtigen Ereignissen. Seine Gebete offenbaren einen beständigen innigen Austausch mit dem Vater, der ihn immer erhört.

Weit draußen auf dem See geraten die Jünger in einen schweren Sturm; sie haben große Mühe, das Boot vor dem Kentern zu bewahren. Sie spüren, wie gering ihre Kraft ist, um dem Gegenwind standzuhalten. 

Gegen vier Uhr morgens kommt plötzlich Jesus über das Wasser zu ihnen. Als sie ihn über den See kommen sehen, erschrecken sie gewaltig und schreien vor Angst laut auf. Doch Jesus spricht sie sofort an: „Habt Vertrauen. Ich bin es; fürchtet euch nicht“ (Mt 14,27). Petrus möchte sich vergewissern, dass es wirklich Jesus ist, und sagt zu ihm: „Herr, wenn du es wirklich bist, lass mich über das Wasser zu dir kommen!“ Knapp antwortet ihm der Herr und sagt: „Komm!“

Petrus steigt aus dem Boot und geht auf dem Wasser Jesus entgegen. Als er die hohen Wellen sieht, bekommt er Angst, und im selben Augenblick beginnt er zu sinken. Da ruft er zum zweiten Mal um Hilfe: „Herr, rette mich!“

Jesus streckt ihm sofort die rechte Hand entgegen, ergreift ihn und sagt: „Du Kleingläubiger, warum hast du gezweifelt?“ Jesus will damit zum Ausdruck bringen: Ist dein Glaube wirklich so schwach, Petrus? Hab doch Vertrauen zu mir.

Als Jesus mit Petrus ins Boot steigt, legt sich der Sturm. Spontan bekennen die Jünger ihren Glauben an Jesus und seine Gottheit, indem sie sich vor ihm niederwerfen und ihm zurufen: „Wahrhaftig, du bist Gottes Sohn“ (Joh 14,32).

Aus dem Leben von Reichskanzler Otto von Bismarck wird erzählt (vgl. A. O. Meyer, Bismarcks Glaube, 1933, S.57), dass er die Geschichte vom sinkenden Petrus auf sich selbst bezogen hat. Im Zimmer eines Bekannten, den er besuchte, sieht er sein eigenes Bild. Er betrachtet es, schüttelt den Kopf und sagt: „Das soll ich sein? Das bin ich nicht!“ Dann dreht er sich um, zeigt auf das Bild vom sinkenden Petrus, das im selben Zimmer hängt, und sagt nachdenklich: „Das bin ich.“

Uns mag es mitunter ähnlich ergehen.

Wir sind alle schon einmal mit dem Schiff unseres Lebens in den Sturm geraten und haben keinen Ausweg mehr gesehen. Wir sind alle schon wie Petrus im Glauben schwach geworden. Wir können deshalb die Geschichte vom Sturm auf dem See als unsere eigene Geschichte wieder erkennen.

Petrus geht über das Wasser und droht unterzugehen. Doch Jesus streckt ihm die Hand entgegen und rettet ihn. Jesus ist der tragende Grund für Petrus ebenso wie für eine jede und für jeden von uns. Jesus streckt auch uns die Hand entgegen. Wir dürfen unser ganzes Vertrauen auf ihn werfen. Er lässt uns nicht allein, er lässt uns nicht sinken. Glaube ist das Gegenteil von Zweifel und Angst. Glaube ist das Sich-Festmachen an Jesus.

Wenn von Petrus die Rede ist, geht es auch um die Kirche. Die Kirche erlebt immer wieder stürmische Zeiten. Der selige Charles de Foucauld schrieb in einem seiner Tagebücher den Satz: „Gott bedient sich der Gegenwinde, um uns in den Hafen zu führen.“ Das Schiff der Kirche steuert über das Meer der Zeit der Ewigkeit zu. Sie hat dabei mit Stürmen und hochgehenden Wogen zu kämpfen. Sie geht nicht unter, weil Jesus, Gottes Sohn und ihr Haupt, bei ihr ist und sie durch alle Gefährdungen hindurch ans Ziel trägt.

Msgr. Herbert Lang, Kirchenzeitung vom 10. August 2014

Lesungen zum 19. Sonntag im Jahreskreis am 10. August 2014