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Auf ein Wort: Gedanken zum Sonntagsevangelium

Jesu Botschaft – eine Zumutung

Als Zumutung könnte man als „aufgeklärter“ Mensch das Evangelium vom 15. Sonntag im Jahreskreis empfinden: Jesus ruft die Zwölf zu sich und sendet sie aus – jedoch nicht, um den Leuten „ein paar nette Geschichten vom lieben Gott“ zu erzählen, sondern mit der Vollmacht, die unreinen Geister auszutreiben.

Der evangelische Theologe Rudolf Bultmann formulierte schon im Jahr 1941: „Man kann nicht elektrisches Licht und Radioapparat benutzen, in Krankheitsfällen moderne medizinische und klinische Mittel in Anspruch nehmen und gleichzeitig an die Geister- und Wunderwelt des Neuen Testaments glauben.“

Die katholische Kirche aber hält entgegen aller anderen Erklärungen daran fest, dass es den Satan und Dämonen gibt. Im Kompendium des Katechismus heißt es unter Nr. 84, dass diese „von Gott erschaffene gute Engel waren, die aber böse wurden, weil sie in freier und unwiderruflicher Wahl Gott und sein Reich zurückgewiesen und damit die Hölle verursacht haben“ und dass sie versuchen, „den Menschen in ihren Aufstand gegen Gott hineinzuziehen.“ Gewiss geht es dabei nicht darum, bei den bildhaften und oft genug Angst einflößenden Darstellungen einer gewissen Volksfrömmigkeit stehen zu bleiben, sehr wohl aber, eine Warnung ernst zu nehmen, die Jesus nicht nur einmal an seine Zuhörer richtet: sich nicht über den Sinn des Lebens und der Liebe irreführen zu lassen.

In dieselbe Richtung weist die Aufforderung an die Jünger, nichts auf den Weg mitzunehmen – wenn man daran denkt, was man alles einpackt, wenn man für ein paar Tage verreist, die zweite Zumutung des Evangeliums.

Beide Zumutungen „relativieren“ sich, wenn man genauer hinschaut:

Jesus ruft die Jünger zunächst zu sich. Er zeigt damit: er selbst ist der eigentliche „Ort“ der Aussendung, die eigentliche „Heimat“, aus der heraus die Jünger aufbrechen und in die sie zurückkehren sollen. Unterstrichen wird das noch einmal durch die Aufforderung, alles, was nach selbst gemachter Sicherheit aussieht, zurückzulassen. Kein „Ballast“ soll sie einschränken, weder die Aussicht auf bessere Unterkunft noch ein Übereifer, noch mehr Entbehrung auf sich zu nehmen, soll sie von der eigentlichen Aufgabe ablenken. Die Jünger sollen sich nicht auf ihre eigene „Leistung“ berufen können – was sie bewirken werden, ist allein Gnade, freie Gabe Gottes: Allein seine Vollmacht (das griech. Wort „exousia“ lässt sich wörtlich mit „aus dem Wesen heraus“ übersetzen!) befähigt sie, das Wort zu predigen und zur Umkehr aufzurufen, die Kranken zu salben und zu heilen und unreine Geister auszutreiben. Gerade mit Blick auf letzteres heißt es wiederum im Kompendium des Katechismus: „Die Austreibung der Dämonen kündigt an, dass sein Kreuz über den ‘Herrscher dieser Welt’ (Joh 12, 31) siegen wird.“ Um die Existenz von Satan und der Dämonen zu wissen, soll also nicht zu Furcht führen, sondern das Vertrauen in die unwiderstehliche Macht Gottes stärken, der alles nach seinen Absichten ordnet.

Und damit schließt sich der Kreis: Ist dieser Evangelienabschnitt eine Zumutung? Ja! Er ist im wahrsten Sinne des Wortes eine Zu-MUT-ung, denn er macht Mut, das ganze Vertrauen, die ganze Hoffnung auf Gott zu setzen: Wer in ihm seine Heimat findet, der braucht nichts und niemanden, der braucht „weder Tod noch Teufel“ zu fürchten!

Michael Wohner, Kirchenzeitung vom 12. Juli 2015

Lesungen zum 15. Sonntag im Jahreskreis am 12. Juli 2015