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Auf ein Wort: Gedanken zum Sonntagsevangelium

“Jeder Mensch als „Ort Gottes in der Welt“

Nicht erst seit dem Pontifikat von Papst Franziskus ist das Evangelium des dritten Fastensonntags hochaktuell. Die religiöse Praxis mit Kommerz zu vermischen, das ist auch für die gegenwärtige Kirche eine große Versuchung –  besonders in Deutschland.

Ist es nicht in der deutschen Kirche viel leichter kirchliche Bauprojekte zu finanzieren und Fassaden zu erneuern, als Wohnungen für Asylanten umzubauen? Eine mir bekannte Asylantenfamilie kommt seit Jahren zu dritt mit einer Unterkunft von 25 qm aus. Nachts wird die Matratze ausgerollt, auf der die kleine Familie gemeinsam die Nacht verbringt. Daneben wird ein Exerzitienhaus umgebaut, damit wir Katholiken geistliche Tage verbringen können. Das Einzelzimmer mit Nasszelle ist ebenso groß angelegt wie das Zimmer der ausländischen Familie. Wir kennen das und wir vermuten alle, dass Jesus darüber ebenso wütend wäre wie bei der Tempelreinigung in der neutestamentlichen Erzählung. In der Handlung Jesu gegen die Händler im Tempel liegt eine Kritik, die zu seiner Zeit die religiöse jüdische Gemeinschaft trifft. Heute aber geht Jesu Kritik weit über die Kirchengrenzen hinaus.

Die Kritik an den Händlern im Jerusalemer Tempel zielt auf eine Perspektive, die nicht nur für Kirchenangehörige, sondern für die gesamte Gesellschaft von Bedeutung ist. Es geht um die menschliche Person als solche. Die Person, so die Botschaft Jesu, ist der Tempel Gottes. Das Zeichenwort sagt es ganz deutlich: Er aber redete von dem Tempel seines Leibes. Nicht der Bau des Tempels, nicht der Verdienst im Umfeld kirchlicher Dienste, nicht der Handel mit Kirchengeldern, ist das Thema. Es geht Jesus darum, dass die Gottesverehrung immer gekoppelt bleiben muss an die Würde der einzelnen Person. Es ist nach wie vor ein Glaubenswunder, dass sich der christliche Gott nicht an einen bestimmten Ort oder gar einen verehrungswürdigen Bau, ein Kunstwerk bindet, sondern an die Präsenz in seinem Sohn. Jesus ist der Christus. Er als menschliche Person ist der Ort der Gegenwart Gottes. Seit ihm ist jeder Mensch der Ort Gottes in unserer Welt. Alle Bauwerke,alle Kunstwerke, alle kirchlichen Räume sind Zeichen dieser personalen Gegenwart.

Da liegt die aktuelle Diskussion um das Kirchenasyl nahe. Der kirchliche Raum ist dazu da, die menschliche Person zu schützen. Nicht, um dem Staat die Stirn zu bieten, sondern, um klar zu stellen, dass es Notsituationen gibt, in denen Personen in Obhut genommen werden müssen. Das ist eigentlich kein großartiger Akt, sondern ein kleiner geringer Widerstand gegen bestehende Asylrechtsverfahren, deren Zeitachsen zu eng gesetzt sind. Papst Franziskus gibt uns in seiner Rede vor dem Europaparlament am 24. November 2014 eine Richtlinie für das, was für unsere Kirche und unsere Gesellschaft richtungsweisend ist: „Heute spielt die Förderung der Menschenrechte eine zentrale Rolle im Engagement der Europäischen Union, mit dem Ziel, die Würde der Person zu stützen, sowohl innerhalb Europas als auch in der Beziehung zu den anderen Ländern. Es handelt sich um ein wichtiges und bewundernswertes Engagement, denn es bestehen immer noch zu viele Situationen, in denen Menschen wie Objekte behandelt werden, deren Empfängnis, Gestaltung und Brauchbarkeit man programmieren und sie dann wegwerfen kann, wenn sie nicht mehr nützlich sind, weil sie schwach, krank oder alt geworden sind.

Liebe Europaabgeordnete, die Stunde ist gekommen, gemeinsam das Europa aufzubauen, das sich nicht um die Wirtschaft dreht, sondern um die Heiligkeit der menschlichen Person, der unveräußerlichen Werte; das Europa, das mutig seine Vergangenheit umfasst und vertrauensvoll in die Zukunft blickt, um in Fülle und voll Hoffnung seine Gegenwart zu leben.   

 Dr. Bettina-Sophia Karwath, Kirchenzeitung vom 8. März 2015

Lesungen zum 3. Fastensonntag am 8. März 2015