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Auf ein Wort: Gedanken zum Sonntagsevangelium

Ich will es – Werde rein!

Alle Vergleiche mit der heutigen Zeit, die mir zunächst einfallen zu diesem Evangelium, hinken. Sicherlich gibt es rein medizinisch gesehen heute ebenfalls Krankheiten, die Menschen ausschließen aus unserer Gesellschaft. Nach wie vor gilt bei Aids-Kranken das Vorurteil der Distanz und die Vorsicht bei Berührung. Wesentlich extremer beschäftigt uns nach wie vor der hoch ansteckende Ebola-Virus in Afrika und selbst die im Evangelium gemeinte Lepra ist im asiatischen Raum nicht gebannt. Näherliegend ist vielleicht der Vergleich mit dem sozialen Ausschluss: Psychisch Kranke, Gewalttäter, Homo-sexuelle oder Transsexuelle, Asylanten und Ausländer, Angehörige radikaler Gruppen religiöser oder politischer Färbung, Alte und Sterbende. Die Liste ließe sich noch sehr verlängern.

All diese Vergleiche mit heutigen ansteckenden Krankheiten oder tabuisierten Personengruppen treffen jedoch nicht den Kern des Evangeliums. Denn zu Jesus kommt ein Kranker, der nicht um Heilung bittet, sondern um Reinigung! Und Jesus entspricht genau dieser Bitte: Ich will es – werde rein!

Das Judentum der jesuanischen Zeit deutet den Aussatz als eine religiöse Erkrankung. Die Folgen einer solchen Deutung sind existenzbedrohend. Der Kranke wird von der Teilnahme an den religiösen Riten ausgeschlossen und damit von der Möglichkeit, mit Gott in Kontakt zu treten. Dadurch aber verliert er jegliche religiöse und soziale Daseinsberechtigung. Die Krankheit des Aussätzigen – so das damalige Denken – beruht auf einer Schuld des Kranken oder seiner Vorfahren. Nun wird auch klar, warum der Aussätzige nicht um Heilung, sondern um Reinigung bittet. Er erhofft sich Hilfe von Jesus, der ihn rein machen soll von seinen Sündern. Denn Jesus ist ja auch derjenige, der Dämonen austreibt, der sich also auskennt mit Gut und Böse.

Und an diesem Punkt fällt mir ein Vergleich ein zu unserer heutigen Zeit. Wer sich schuldig gemacht hat in den Augen der Öffentlichkeit, der ist raus! Raus aus dem gesellschaftlichen und damit auch sozialen Netz. Raus aus Ansehen, Achtung und Ehre. Ein solcher Rauswurf kann auch heute noch krank machen, kann Menschen in die Verzweiflung und Verbitterung treiben. Denn eines ist klar: es bleibt ein Makel zurück am eigenen Namen, der irgendwann einmal in der öffentlichen Meinung als „non grata“ betitelt wurde.

Vielleicht liegt es daran, dass sich kaum jemand wirklich zu seiner Schuld bekennt. Angeklagte Politiker, Banker, auch Kirchenverantwortliche beteuern stets ihre Unschuld, die ihnen allerdings sowieso niemand glauben will. Damit kein Missverständnis entsteht. Schuld und Vergehen müssen aufgedeckt und geahndet werden – keine Frage. Doch diese Ahndung muss ein Ende haben können, wenn der/die Schuldige die Schuld bekennt und um Hilfe bittet. Hier liegt der Schlüssel des Evangeliums für uns. Jesus tritt für den Kranken bei Gott ein, er reinigt den Aussätzigen nicht selbst, sondern er bittet Gott um die Reinigung. Der Fachterminus dafür heißt: passivum divinum. Jesus will, dass Gott wirkt.

Wollen auch wir diese Reinigung für die „Unreinen“, für die Schuldigen unserer Gesellschaft und Kirche? Wollen wir, dass Gott sie reinigt, dass Gott eine Schuld vergibt, die wir selbst nicht vergeben können? Wer von uns spricht dieses Gebet für die Schuldigen: Ich will es – werde rein?

Dr. Bettina-Sophia Karwath, Kirchenzeitung vom 15. Februar 2015

Lesungen zum 6. Sonntag im Jahreskreis am 15. Feburar 2015