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Auf ein Wort: Gedanken zum Sonntagsevangelium

Hüten wir in Liebe

Vierter Adventssonntag, 22. Dezember 2013

Josef, Sohn Davids, fürchte dich nicht, Maria als deine Frau zu dir zu nehmen “– Was das für den Bauhandwerker Josef bedeutet haben kann, erschließt „Die Geschichte von Mutter und Vater“ des norwegischen Schriftstellers Edvard Hoem. Sie erzählt von der Beziehung seiner Eltern Knut und Kristine. Ihre Ehe wurde nicht aus Liebe geschlossen und war doch lebenslang glücklich. Und es kam so: Kristine hatte sich im Krieg mit einem deutschen Soldaten eingelassen und erwartete von ihm ein Kind. Als die Deutschen abzogen, ließ er sie ohne ein Wort zurück. In ihrem Heimatdorf würde Kristine als ledige Mutter lebenslang sozial ausgegrenzt und stigmatisiert sein. Knut trifft sie in dieser verzweifelten Lage an. Er sagt: Ich kann sie doch heiraten. Keine Spur von romantischer Liebe, wohl aber von Treue und Verlässlichkeit.

Josef, Sohn Davids, sagt er nicht Ähnliches? Maria mit ihrem Kind – ich kann sie doch heiraten! Nicht sentimentale Liebe, aber: Treue, Verlässlichkeit und Beständigkeit! „Josef, der gerecht war“: Gerechtigkeit ist die zentrale Tugend für das Alte Testament. Jesus aus dem Geschlechte Davids verlangt in der Bergpredigt von seinen Jüngern eine neue „Gerechtigkeit, weit größer als die der Schriftgelehrten“ (Mt 5,20). Josef ist damit ein vorbildlicher Jünger schon vor der Geburt Jesu. Dass er gegen Sitte und Recht Maria zu sich nimmt, ist bereits Zeichen der neuen Gerechtigkeit. Eine solche Haltung ruft Kopfschütteln hervor, damals und auch heute. „Es ist Unsinn sagt die Vernunft. Es ist was es ist, sagt die Liebe“. Dieses Gedicht von Erich Fried, von Brautpaaren gern zitiert, zeigte mir eine junge Frau als Tattoo am Arm.

Papst Franziskus sagte am Josefstag bei seinem Amtsantritt zum selben Evangelium: „Gott hat Josef die Aufgabe anvertraut, Hüter zu sein (custos). In den Evangelien erscheint Josef als ein starker, mutiger, arbeitsamer Mann, aber in seinem Innern zeigt sich eine große Zärtlichkeit, die nicht etwa die Tugend des Schwachen ist. Im Gegenteil: Sie deutet auf eine Seelenstärke hin und auf die Fähigkeit zu Aufmerksamkeit, zu Mitleid, zu wahrer Öffnung für den anderen, zu Liebe. Jesus mit Maria zu behüten, die gesamte Schöpfung zu behüten, jeden Menschen zu behüten, besonders den Ärmsten, uns selber zu behüten, das ist ein Dienst, den zu erfüllen der Bischof von Rom berufen ist, und zu dem wir alle berufen sind: „Hüten wir mit Liebe, was Gott uns geschenkt hat“.

Generalvikar Dompropst Isidor Vollnhals, Kirchenzeitung vom 22. Dezember 2013

Lesungen zum vierten Adventssonntag am 22. Dezember 2013