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Auf ein Wort: Gedanken zum Sonntagsevangelium

Gott bittet mich um Aufnahme

Was würden Sie sagen, wenn Sie jemand nach einer Zusammenfassung des Evangeliums fragen würde? Worauf kommt es an, was ist das Wichtigste, welche ist die zentrale Botschaft? Das Evangelium des 2. Sonntags nach Weihnachten ist wie eine Zusammenfassung der gesamten Frohen Botschaft, wie wir sie in der Schrift lesen.

Der Evangelist Johannes eröffnet seine Erzählung von Jesu Leben und Sterben mit knappen, prägnanten Sätzen, die alles auf den Punkt bringen. Der Text sammelt, wirkt wie  ein Konzentrat dessen, was im Folgenden des Evangeliums näher ausgeführt wird.

Viel ist über diesen wunderbaren Text geschrieben worden, vielleicht gerade weil er so kurz ist und fast kryptisch klingt. Es ist ein mystischer Text, eine Schau dessen,  was Jesus, der Christus, in seinem kurzen Leben vollbracht hat. Der Text fasst allerdings nicht nur das Leben Jesu und seine Frohe Botschaft zusammen, sondern er gleicht dem Schöpfungsbericht.

Das, was der Evangelist in den folgenden Kapiteln schildern wird – so die Aussage – ist eine neue Schöpfung. Gott hat die Welt nicht nur vom Himmel her erschaffen, sondern er erschafft sie in der Geburt seines Sohnes von der Erde her neu.

Zwei Sätze sind es, die mich immer wieder beim Hören oder Lesen bewegen:

Er war in der Welt
und die Welt ist durch ihn geworden,
aber die Welt erkannte ihn nicht.
Er kam in sein Eigentum,
aber die Seinen nahmen ihn nicht auf.

Gott ist in unsere Welt gekommen. Er ist der Schöpfer, durch ihn ist alles geworden. Gerade aber weil Gott in Jesus ein Mensch geworden ist, können wir ihn nicht mehr als Gott identifizieren. Er ist ein Mensch wie du und ich.

Diese Ungeheuerlichkeit ist eigentlich wunderbar. Gott ist nicht fern, nicht abgehoben, nicht distanziert. Er wird einer von uns. Und doch ist diese wunderbare Botschaft auch eine große Herausforderung für uns alle. Ich bin selber aufgerufen, mir Gott nicht vom Leibe zu halten, sondern ihm in jedem Menschen zu begegnen. In jedem Menschen!

Das scheint allerdings schier unmöglich. Doch Jesus hat uns gezeigt, dass es gerade die Sünder, die Verbrecher und Kriminellen sind, in denen sich Gott verbirgt und nicht die Gerechten, die Gott gar nicht nötig haben. Wie trostreich dieses Vorgehen Gottes ist, wird nur denjenigen offenbar, die selbst einmal am Boden zerstört waren und sich wirklich vergangen haben. Wenn ich mit mir selbst am Ende bin, treffe ich an der eigenen Grenze auf Gott. Erst dann verstehe ich quasi am eigenen Leib, wie wertvoll es ist, dass Gott auf mich zukommt und bei mir, ja sogar in mir sein will. Denn im Letzten gilt nur das Versprechen Gottes und seine Zusage einer unumstößlichen Barmherzigkeit als ganz sicher und auf ewig verlässlich.

Ist das die Zusammenfassung des Evangeliums? Ja, in gewisser Weise ist sie es. Denn mehr ist nicht zu sagen als dies: Gott bleibt nicht fern. Er kommt in sein Eigentum, das heißt, er kommt zu mir und bittet mich darum, ihn aufzunehmen. Wie einfach ist doch dies. Gott bittet mich um Aufnahme. Und weil ich ihn nicht als Gott erkennen kann, deswegen ist jeder Mensch, der mich um Aufnahme bittet, ein Anruf, ein Klopfzeichen Gottes. Gebe Gott uns allen, dass wir dieses Klopfzeichen hören und ihm Folge leisten, gerade in unseren  Zeiten des Flüchtlingsandrangs. Die Verheißung ist groß, denn es heißt:

Allen aber, die ihn aufnahmen,
gab er Macht, Kinder Gottes zu werden,
allen, die an seinen Namen glauben.                      

Dr. Bettina-Sophia Karwath, Kirchenzeitung vom 3. Januar 2016

Lesungen zum 2. Sonntag nach Weihnachten am 3. Januar 2016