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Auf ein Wort: Gedanken zum Sonntagsevangelium

Gesandte aus der Wüste

Wir begegnen heute einem Mann, der von Gott gesandt ist. Bei ganz vielen lässt beim Wort „Gott“ die Aufmerksamkeit schon nach. Was kann mir ein solcher Mensch schon sagen?

Wir müssen erst mühsam lernen, uns einzugestehen: Gott ist anders als das Bild, das wir von ihm haben. Wer immer in seinem Leben Gott nahe gekommen ist, redet anders, handelt anders, ist anders. Er passt nirgends mehr dazu.

Johannes, der Täufer wie er genannt wird, ist ein solcher Mensch. Er gehört zu jenen, die außerhalb eines offiziellen Rahmens auftreten. Er hat keine Bevollmächtigung. Er kann kein Dokument vorweisen. Er kann sich auf keinen bekannten Namen berufen, vielmehr nur aus seinem Innersten schöpfen. 

Die Wüste als die Stätte der Einsamkeit ist der ihm entsprechende Ort. Sein Kommen von dort weist darauf hin, dass es allein die Kraft Gottes ist, die anzieht. Er verbreitet eine Atmosphäre, die aufhorchen lässt. Es spricht  sich herum, die Leute kommen zu ihm und er ist nicht mehr zu übersehen. Er empfindet sich selbst aber nur als die Stimme eines andern.  „Ich bin nicht der, für den ihr mich haltet. Ich erfülle nicht eure Erwartungen, die ihr auf den Messias, auf Elias und auf einen kommenden Propheten setzt.“ In aller Bescheidenheit  trägt er die Überzeugung in sich: Es kommt noch etwas Größeres, im Vergleich zu dem meine Erscheinung nur ein Tropfen ist im großen Strom der Geschichte.

Der Mann, der dieses Ereignis herbeiführen wird, ist schon da, aber niemand weiß um ihn. Er sieht nicht wie der Messias aus, schon gar nicht wie der Sohn Gottes. Der Weg zu ihm öffnet sich nur denen, welche den Blick dem Innern der Seele zuwenden und deren Vorgänge wahrnehmen.

Auch heute könnte es die Chance für jene sein, denen der Name Gottes kraftlos geworden ist, welche die Geschichte mit Gott abgeschrieben haben. Es seien zu viele Enttäuschungen geschehen, als dass man noch an einen gerechten und gütigen Gott glauben könnte.

Doch es gibt welche, die den Unbekannten auf ihre Weise gefunden haben, durch Schmerz und Trauer gegangen und zu tiefem Glauben und zu menschlicher Größe gelangt sind.

Eine davon ist die jüdische Frau Etty Hillesum   aus Amsterdam, deren Tagebuch aus dem Konzentrationslager den Leser zutiefst berührt. Sie schreibt: „Das Leben ist schön, reich und  voller Sinn. Wenn ich in einer Ecke des Lagers stehe, die Füße auf deiner Erde, das Gesicht zu deinem Himmel erhoben, dann laufen mir manchmal die Tränen über das Gesicht, entsprungen aus innerer Bewegtheit und Dankbarkeit.“

Ihre Nähe zu Gott ist stärker als das Elend ringsum. Die von Gott Erfüllte ist auch die von Gott Gesandte. Ihre Stimme kommt buchstäblich aus der Wüste des Leids und hat Gewicht, sogar größeres als die der großen Vordenker, wenn von Auschwitz und Gott, wenn  vom Leid der Menschen und vom Kommen Gottes die Rede ist.

P. Guido Kreppold FMCap, Kirchenzeitung vom 14. Dezember 2014

Lesungen zum dritten Adventssonntag am 14. Dezember 2014