Zum Inhalt springen

Auf ein Wort: Gedanken zum Sonntagsevangelium

Ganz und gar auf die Beziehung zu Jesus setzen 

Die Reaktion der Bewohner von Nazareth ist für uns nur all zu verständlich. Da ist einer aus den eigenen Reihen, ein „Junge von nebenan“, dessen Familie bekannt ist. Und dieser ganz normale Mann, Sohn eines Handwerkers aus dem Dorf, führt sich auf, wie wenn er die Weisheit persönlich sei! Das ruft Neid und

Missgunst hervor. Außerdem ist ja gar nicht klar, ob dieser Jesus nicht ein Scharlatan ist, jemand, der nur vorgibt, etwas Besonderes zu sein. Viele Heilige haben die gleiche Ablehnung erfahren, der auch Jesus in seinem Heimatort begegnet. Der heilige Franziskus galt als verrückt und als ein Narr, weil er sich mit den Armen und Aussätzigen abgab. Die heilige Therese von Lisieux wurde von den eigenen Mitschwestern als durchschnittliche brave Nonne beurteilt, über die es nach ihrem Tod nicht viel zu berichten gäbe. Der heilige Papst Johannes der XXIII. wurde als unscheinbarer Übergangspapst gewählt und leitete doch die größte Kirchenreform der vergangenen Jahrhunderte ein.

Es ist für uns ein Ärgernis, dass Menschen von Gott erwählt werden, die in unseren Augen völlig unfähig oder nichtssagend sind. Dass Gott ein Auge hat für die Kleinen, für die Ohnmächtigen, für die Verrückten – das gehört eigentlich zur Frohen Botschaft. Für uns jedoch ist es immer wieder eine Herausforderung und eine Aufforderung zur Bekehrung. Es sind eben nicht wir, die eine Berufung machen oder ein Charisma, sondern es ist der Heilige Geist, der ruft und befähigt, wen und wo er will.

Die Leute aus Nazareth lehnen Jesus und seine Begabung ab. Sie können einfach nicht glauben, dass ein Nachbar tatsächlich in einer besonderen Beziehung zu Gott steht und Gutes bewirkt unter ihnen. Diese Ablehnung ist nicht nur eine Verurteilung, sie ist eine Form der Nicht-Beziehung. Und darauf reagiert Jesus. Weil die Bewohner von Nazareth in keine Beziehung zu ihm treten wollen, deswegen will er dort auch keine Wunder vollbringen.Sein Wirken ist gekoppelt an die Beziehung, die Menschen zu ihm aufnehmen. Die Wundererzählungen sind immer gebunden an ein Anliegen, das ein hilfsbedürftiger Mensch hat. Die blutflüssige Frau oder der blinde Bartimäus erwarten alles von diesem Mann aus Nazareth. Sie setzen ganz und gar auf die Beziehung, die der Heilige Gottes zu ihnen aufnehmen kann. Es ist ihr Vertrauen, ihre Hoffnung und ihre Beziehungsfähigkeit, die es Jesus ermöglicht, seine Macht als Sohn Gottes zu entfalten. Gegen den Willen von anderen aber setzt Jesus seine Wirkungsmacht nicht durch. In diesem Verhalten erzählt uns Jesus von Gott selbst. Denn Gott drängt sich nicht auf, er handelt nie gewalttätig, sondern wartet wie ein Bettler vor der Tür – bis wir öffnen. Gott gibt die Beziehung zu uns nie auf und lässt nicht ab von uns, aber er bleibt unaufdringlich im Hintergrund – solange bis wir in die Beziehung einwilligen. Und oft sind es eben die Kleinen und Unscheinbaren unter uns, die dieses leise Anklopfen Gottes hören. Die Ohren der Mächtigen sind vom Getöse des eigenen Ansehens verstopft.

Im Letzten aber zählt nur eines: die Beziehung zu Gott, dem Vater Jesu Christi.

Dr. Bettina-Sophia Karwath, Kirchenzeitung vom 5. Juli 2015

Lesungen zum 14. Sonntag im Jahreskreis am 5. Juli 2015