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Auf ein Wort: Gedanken zum Sonntagsevangelium

Ein Vorgeschmack des Himmels

7. Sonntag im Jahreskreis, 23. Februar 2014

Liebt eure Feinde und betet für die, die euch verfolgen ...“ Ist das nicht eine Zumutung, wozu uns da das Evangelium auffordert? Wer kann denn auf diese Weise in unserer Welt bestehen? Die andere Backe hinhalten, dem anderen nicht nur das Hemd, sondern auch den Mantel lassen. Wer so handelt, geht doch im gnadenlosen Konkurrenzkampf unserer Zeit zugrunde.

Auf unserer Erde herrscht schließlich das Gesetz des Stärkeren. Wer da nicht mitmacht, der kommt unter die Räder eines unbarmherzigen Systems, das keine Schwächen toleriert. So oder ähnlich werden viele von uns denken und reden, wenn sie diese Worte aus der Bergpredigt Jesu hören.

Und so dreht sich das Rad von Gewalt und Gegengewalt, von Druck und Gegendruck weiter auf der  Welt. Auch wir Christen lassen uns hineinreißen in diesen Teufelskreis, aus dem es scheinbar keinen Ausweg gibt.Eigentlich müsste uns schon längst die Sinnlosigkeit des Prinzips „Wie du mir, so ich dir“ bewusst geworden sein. Trotzdem sind die Menschen wie verblendet und fügen altem Unrecht immer wieder Neues hinzu. Damit ist aber niemandem geholfen. Das erkannte in aller Deutlichkeit der große Apostel der Gewaltlosigkeit Mahatma Ghandi, der einmal sagte: „Mord durch Mord zu sühnen ist unmöglich. Rache oder Sühne mögen eine Gier befriedigen, aber den Frieden schaffen oder die Menschheit auf eine höhere Stufe zu heben, das vermögen sie nicht.“ Dieser große Kämpfer für die Freiheit und Einheit Indiens war ein gläubiger Hindu, aber trotzdem fasziniert von der Bergpredigt Jesu Christi. Wir Christen müssten uns eigentlich vor diesem Hindu schämen, dass wir immer noch so wenig von der Botschaft des Friedens und der Gewaltlosigkeit in unserem eigenen Leben verwirklicht haben. Wir sind oft so kleingläubig und meinen, mit den Wölfen heulen zu müssen.

Dabei hat Jesus uns durch sein eigenes Leben die Wahrheit und Schlagkraft seiner Worte bewiesen. Dadurch dass er sich in die Hände seiner Feinde gab und sich von ihnen verhöhnen und schlagen ließ, hat er ihnen die Maske vom Gesicht gerissen und sie letztlich entwaffnet. Er, der Sohn Gottes, der alle Macht gehabt hätte, wollte kein anderes Mittel einsetzen als seine Liebe. Diese Liebe triumphierte schließlich, verschloss den Mund der Spötter und ließ die drohende Faust der Feinde sinken. Diese gekreuzigte Liebe ließ den römischen Hauptmann in das fassungslose Bekenntnis ausbrechen: „Wahrhaftig, dieser war Gottes Sohn.“ Nicht der furchterregende Anblick eines waffenstarrenden Heeres, sondern allein die gewaltlose Liebe hatten dies vermocht.

Noch ein Wort von Ghandi sei in diesem Zusammenhang erlaubt: „Die Kraft der Liebe und des Mitleids ist stärker als die Macht der Waffen.“ Haben wir also Mut, in unserem Alltag den Worten und dem Geist der Bergpredigt zu folgen.

Wir werden zwar unseren Meister Jesus Christus in seiner Haltung und Gesinnung nie erreichen, aber nachahmen können und sollen wir ihn.

Glauben wir an die entwaffnende Kraft seiner Liebe in unserem Leben, die Krieg in Frieden und Hass in Versöhnung umwandeln kann. Jeder einzelne Christ sowie die ganze Gemeinschaft der Gläubigen ist aufgerufen, auf diese Weise eine neue Welt zu schaffen, ein Reich des Friedens, indem es sich menschenwürdiger leben lässt. Das wäre bereits ein Vorgeschmack des Himmels hier auf Erden.

P. Gregor Lenzen CP, Kirchenzeitung vom 23. Februar 2014

Lesungen zum 7. Sonntag im Jahreskreis am 23. Februar 2014