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Ein theologisches Kreuzworträtsel

Wenn die Kirche den Sonntag nach Pfingsten als Dreifaltigkeitssonntag begeht, dann stellt sie das zentrale Geheimnis des christlichen Glaubens in den Mittelpunkt: „Gott ist einer in drei Personen“!

Der deutsche Theologe Gisbert Greshake fragt in der Einleitung seiner Hinführung zum Glauben an den drei-einen Gott: „(...) muss man das glauben, soll man das glauben, kann man das überhaupt glauben? Vor allem aber: Was soll’s? Was kann man mit einem solch unverstehbaren Gottesbild, was kann man mit dem sogenannten ‘trinitarischen’ Glauben anfangen?“

Für ihn ist jedoch klar, dass der Glaube an den dreifaltigen Gott eben nicht „als eine Art theologisches Kreuzworträtsel (zu verstehen ist), das keine Bedeutung für das Leben hat“, sondern dass gerade dieser Glaube eine alles erfassende, umwälzende Bedeutung für das eigene Leben und für den Umgang mit der Welt hat.

Papst Franziskus brachte es beim Angelusgebet am 26. Mai 2013 mit den Worten auf den Punkt: „Die Allerheiligste Dreifaltigkeit ist kein Produkt menschlichen Nachdenkens; sie ist das Antlitz, mit dem Gott selbst sich offenbart hat, nicht von einem Lehrstuhl herab, sondern indem er mit der Menschheit geht.“ Und auch Gisbert Greshake versucht „anschaulich zu formulieren: Gott ist der uns entzogene, unendlich erhabene Gott ‘über uns’: der Vater, der gleichwohl sich uns ganz mitteilen will; der Gott ‘vor uns’ und ‘neben uns’: Jesus Christus, das Wort Gottes, das uns anspricht, der Herr, der uns vorangeht, unser Bruder, der mitgeht; der Gott ‘in uns’, der Heilige Geist, der von innen her Gottes Wort verstehen lehrt, der für das göttliche Leben öffnet und uns zur Antwort befähigt.“

Am Dreifaltigkeitssonntag, so wieder Papst Franziskus, „preisen wir Gott nicht wegen eines besonderen Geheimnisses, sondern um seiner selbst willen (...). Wir loben ihn und danken ihm, weil er Liebe ist und weil er uns dazu beruft, in die Umarmung seiner Gemeinschaft einzutreten, die das ewige Leben ist.“

Befähigung zur Antwort und Einladung zur Liebe – gerade diese beiden Aspekte führen zum zweiten wichtigen Gedanken des Evangeliums – dem Gedanken der Mission, der heute nicht mehr hoch im Kurs steht, weil er für viele nach Fundamentalismus klingt. Doch gerade wenn wir uns bewusst sind, dass Gott die Liebe ist, dass er uns und unserem Leben gegenüber nicht gleichgültig, dass er uns nahe, dass er immer an unserer Seite ist und mit uns geht, um unsere Freuden und Leiden, unsere Hoffnungen und Mühen zu teilen, dann müssen wir diese Frohe Botschaft weitersagen.

Bei jeder Messfeier werden wir daran erinnert: wenn uns der Priester oder Diakon am Ende der Messe „Gehet hin in Frieden!“ zuruft, dann ist das nicht der Hinweis darauf, dass wir von Gott und Kirche bis zum nächsten Sonntag unseren Frieden haben sollen. „Ite, missa est“ heißt es im Lateinischen, wörtlich übersetzt „Geht hin, es ist Sendung/Mission!“ Als Getaufte und Gefirmte sind wir alle gesandt, in seinem Frieden hinauszugehen, unseren Mitmenschen diesen Frieden vorzuleben und sie in die Gemeinschaft des Lebens einzuladen – in die Gemeinschaft des dreifaltigen Gottes, der über uns, vor uns, neben uns und in uns ist, um uns Schritt für Schritt zur Fülle des Lebens zu geleiten, die er selber ist!  

Michael Wohner, Kirchenzeitung vom 31. Mai 2015

Lesungen zum Dreifaltigkeitssonntag am 31. Mai 2015