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Auf ein Wort: Gedanken zum Sonntagsevangelium

Die Tür zum Leben

Vierter Sonntag der Osterzeit, 11. Mai 2014

Der 1914 im Krakauer Lazarett auf tragische Weise verstorbene Dichter Georg Trakl schrieb einmal folgende Zeilen: „Mancher auf der Wanderschaft kommt ans Tor auf dunklen Pfaden. Golden blüht der Baum der Gnaden aus der Erde kühlem Saft. Wanderer tritt still herein; Schmerz versteinerte die Schwelle. Da erglänzt in reiner Helle auf dem Tische Brot und Wein.“
Aus diesen Versen spricht deutlich eine große Sehnsucht nach Geborgenheit, Licht und Wärme. Zu allen Zeiten haben Menschen danach gesucht und auf dieser Suche immer wieder Irrwege beschritten. Wie oft klopft man im Leben an die falsche Tür oder rennt offene Türen ein. Wie oft hofft man, hinter so manchem Eingang die Erfüllung seiner Träume zu finden. Stattdessen warten auf einen Enttäuschung und Schmerz.
Vor dem Hintergrund solcher Erfahrungen unserer irdischen Wanderschaft sagt uns der Herr heute dieses Wort: „Ich bin die Tür; wer durch mich hineingeht, wird gerettet werden; er wird ein und aus gehen und Weide finden.“
Mit dem für ein Hirtenvolk selbstverständlichen Bild vom Hirt und seiner Herde
will Jesus uns klarmachen, dass er für uns da ist und für uns sorgen will. Wer sich seiner Herde anschließt, der steht unter seinem Schutz und empfängt Leben in Fülle. Durch ihn treten wir ein in das Reich seines Vaters im Himmel.
Das ist die froh machende Botschaft dieser österlichen Zeit, dass wir durch Christus, den Sieger über den Tod, Zugang haben zum neuen, unvergänglichen Leben. „Er ist die Tür, die zum Vater führt. Durch diese Tür gingen Abraham, Isaak und Jakob, die Propheten, die Apostel, und durch diese Tür geht die Kirche.“, schreibt Ignatius von Antiochien in seinem Brief an die Gemeinde von Philadelphia.
Zögern auch wir nicht, an diese Tür anzuklopfen und durch sie einzutreten. Immer wenn wir beten, klopfen wir bei Jesus an. Immer wenn wir über unseren Alltag hinaus den Blick zu Gott erheben, treten wir ein in die größere Wirklichkeit des Lebens der Gnade.
Sollte unser Alltag auch noch so mühevoll und eng sein: Diese letzte Freiheit des Lebens mit Gott kann uns niemand nehmen. Den Weg zu Gott kann uns niemand versperren, außer wir selbst. Folgen wir also der Stimme des Hirten und Bischofs unserer Seelen und kehren wir heim zu ihm, der uns eine Wohnung bereitet hat.
Gerade in der Eucharistiefeier, wo wir uns um seinen Tisch versammeln, treten wir ein in jene „reine Helle“, von der Trakl geschrieben hat. Die Gestalten von Brot und Wein auf dem Altar künden von Christi Nähe. Er schenkt uns in seiner Liebe die Geborgenheit, das Licht und die Wärme, die wir suchen. Wenn wir in der Kommunion den Herrn leibhaft empfangen, betreten wir durch ihn das Haus des Lebens.
Am heutigen Guthirtensonntag beten wir besonders um geistliche Berufe. In Jesus sehen wir das Urbild eines jeden geistlichen Berufes. An ihm können wir ablesen, was es heißt, Diener Gottes zu sein inmitten der Menschen.
In der Nachfolge des guten Hirten stellen sich Priester und Ordensleute auf der ganzen Welt an die Seite der körperlich und seelisch Leidenden, um ihnen die erlösende Liebe Jesu Christi zu vermitteln. Jesus, der göttliche Hirte, braucht Menschen, die seine Hirtensorge fortsetzen, die den Menschen den Weg zu der Tür weisen, die er selber ist.    

P. Gregor Lenzen CP, Kirchenzeitung vom 11. Mai 2014

Lesungen zum vierten Sonntag der Osterzeit am 11. Mai 2014