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Auf ein Wort: Gedanken zum Sonntagsevangelium

Die Frucht des Todes

Zunächst hat Jesus – so sieht es aus – den Wunsch der Griechen, ihn zu sehen übergangen. Stattdessen spricht er vom Sinn seines Sterbens und von dem, wie es jeden von uns treffen wird. Was bedeutet der Tod eines Menschen, vor allem, wenn er gewaltsam ist? Man kann vor Schmerz einfach stumm werden und unfähig zum Handeln.

Der bekannte Schauspieler Joachim Fuchsberger wurde nach dem tragischen Tod seines Sohnes gefragt, ob ihm die Religion helfen könne. Er sagte: „Nein. Es wäre schön, wenn man jetzt an einen Gott glauben könnte. Aber ich kann es nicht. Ich beneide alle Menschen, die ihren Trost in einem starken Glauben suchen und finden“. Wie dieser  Mann ist auch Jesus  „erschüttert“ (Joh 12,27) sogar noch wesentlich  mehr. Er hat seinen eigenen Tod vor Augen. Da taucht ein Bild auf, das die Fassungslosigkeit überwindet. „Wenn das Weizenkorn  nicht in die Erde fällt und stirbt, bleibt es allein." (Joh 12,24). Es erinnert an das Gleichnis von der wachsenden Saat, mit dem Jesus Gottes Wirken in den Herzen der Menschen darstellt (Mk 4, 26-29). Zunächst verschwinden die Körner im Boden. Es scheint nur Erde da zu sein und sonst nichts. Ähnlich ist die Verfassung, die der Tod auslöst. Man hat das Empfinden, als ob nichts mehr da sei an Gefühl, an Hoffnung, an Zukunft. Einige  Tage nach der Aussaat wird ein schüchterner Keim sichtbar. Auf ihn folgt der Halm, auf den Halm die Ähre und dann kommt die Ernte. Die Erde schafft es von selbst. Im Griechischen heißt es „automatä“ (Mk 4,28), „automatisch“, wie man sagt. Wie bei der Saat sprießen nach einiger Zeit der Trauer auch Keime des Neuen auf – gewiss nicht immer. Man wird gefasster, ruhiger, man sieht neue Möglichkeiten. Wie das Weizenkorn aufgehoben ist im Kreislauf der Natur, so weiß auch Jesus sein Leben im Angesicht des Todes angenommen. Er kann seinen Leib der Erde anvertrauen, weil sie für ihn ein Herz hat (Mt 12,40). Das Dunkle des Daseins, Abschied und Tod sind nur die eine Seite. Wir dürfen einem übergreifenden, gütigen Wirken vertrauen. Es wird sein wie mit der Saat. Zunächst sieht es so aus, als ob wir wie das Korn in der Erde verschwinden. In Wirklichkeit werden wir  in eine andere Welt eingetaucht. Aber dort ereignet sich das Entscheidende: es wächst etwas, das stärker und kostbarer ist als das Bisherige. Jesus sagt: „Der Menschensohn wird verherrlicht“ (Joh 12,23). Es geschieht etwas mit ihm, das so gewaltig ist, dass menschliche Worte es nicht fassen können. Um die Bedeutung des Unfassbaren zu betonen, wird es mit Donnerstimme ausgesprochen: „Ich habe ihn schon verherrlicht und werde ihn wieder verherrlichen“ (Joh 12,28). Die Zuhörer erschrecken und dies zu Recht. Es geht um den Tod und  die Auferstehung Jesu, ein Ereignis, das die Welt aus den Angeln hebt und die Türen zu den anderen Völkern – zu den Griechen – öffnet. Es wird die Kraft frei, Menschen von Grund auf zu wandeln. Dies erfahren die beiden Jünger auf dem Weg nach Emmaus, als sie verwirrt und niedergeschlagen dem Fremden begegnen und sie ihn beim Brechen des Brotes als ihren Meister erkennen. Dann ist alle Müdigkeit und Traurigkeit verflogen, ebenso die Angst vor dem Schrecken des Todes.

P. Guido Kreppold OFMCap, Kirchenzeitung vom 22. März 2015

Lesungen zum 5. Fastensonntag am 22. März 2015