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Auf ein Wort: Gedanken zum Sonntagsevangelium

Die Frucht der Liebe

Der deutsche Dichter der Romantik Friedrich Schlegel hat einmal folgende Strophe verfasst: „Es geht ein allgemeines Weinen, soweit die stillen Sterne scheinen, durch alle Adern der Natur. Es ringt und seufzt nach der Verklärung, entgegenschmachtend der Gewährung in Liebesangst die Kreatur.“

Dass es sich bei diesen Worten nicht nur um die wehmütige Stimmung eines Dichters handelt, sondern um Wirklichkeit, kann jeder bestätigen, der mit offenen Augen durch diese Welt geht. Die Schöpfung seufzt in der Tat in all ihren hungernden, kranken, verfolgten und misshandelten Geschöpfen.  Sie liegt nach wie vor in Geburtswehen und wartet sehnsüchtig auf das Offenbarwerden der Kinder Gottes.

Diese Freiheit und Herrlichkeit der Kinder Gottes steht aber als noch zu erreichendes Ziel vor unseren Augen. Wir stöhnen immer noch unter der Last unserer Leidenschaften und ungeordneten Neigungen, die uns in die Sklaverei der Sünde führen. Oft sind wir wie dürres Land, ganz ausgetrocknet und tot in unserem Inneren. Unser Herz und unser Geist lechzen nach Erfrischung und Kühlung der seelischen Wunden.

Nur Gott kann uns letztlich Erquickung geben durch den lebenspendenden Regen seines göttlichen Wortes. Wenn dieser heilsame Niederschlag in unser Inneres fällt, dann beginnen die Wasser des Lebens zu fließen, dann blühen wir innerlich auf und erwachen zu neuem Leben.

Das Wort, das den Mund Gottes verlässt, kehrt nicht leer zu ihm zurück, wie es im Buch Jesaja heißt, sondern bewirkt, was er will, und erreicht all das, wozu er es ausgesandt hat. Gott will – wie der Sämann im heutigen Evangelium – den Samen seines göttlichen Wortes auch in den Boden unserer Weltzeit legen. Dabei fällt das Wort Gottes oft nicht auf guten Boden. Es gibt sehr viele Dornen, die es zu ersticken drohen. Die Sorgen der Welt und der trügerische Reichtum bringen es rasch in Vergessenheit und überwuchern es. Das aber bedeutet den geistigen Tod. Wo das Wort Gottes keinen Eingang mehr findet, wo der Geist Gottes nicht mehr lebendig ist, warten geistiger und sittlicher Verfall.

Angesichts dieser Gefahr sollten wir Christen uns bemühen, ein fruchtbarer Ackerboden zu sein für den Samen des göttlichen Wortes. Bereiten wir die Ackerfurche unserer Herzen durch Gebet und Hingabe an den Willen Gottes. So können wir das Wort Gottes in uns aufnehmen und Frucht tragen.  Nur auf diesem Weg werden wir als Kinder Gottes offenbar. Die Welt braucht das Zeugnis der Christen. Sie braucht die Frucht der Liebe, die herankeimt in einem glaubenden Herzen. In jeder Eucharistiefeier senkt sich Christus, das fleischgewordene Wort Gottes, in unsere Herzen. Nehmen wir ihn freudig auf als den Samen der göttlichen Liebe.

Es gilt, was Silja Walter in ihrem Kommunionpsalter zum heutigen Evangelium geschrieben hat: „Dein Brotkorn fällt in diesem Mahl in unsern Glaubensgrund, und es enthält die dreißig – sechzig – hundertfache Frucht der Herrlichkeit. Lass sie durch dieses Brot und diesen Wein in uns gedeihn. In ihnen essen wir dein Sterben, Auferstehn und Leben. In uns hinein gesät, will es als täglichen Ertrag dreißig – sechzig – hundertfach von dir geerntet sein: Du bist das Korn und du bist auch die Frucht.“

P. Gregor Lenzen CP, Kirchenzeitung vom 13. Juli 2014

Lesungen zum 15. Sonntag im Jahreskreis am 13. Juli 2014