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Auf ein Wort: Gedanken zum Sonntagsevangelium

Der Heilige Geist gründet und erneuert die Kirche

Pfingsten ist das Gründungsfest der Kirche. Der Auferstandene überträgt seinen Jüngerinnen und Jüngern die Gemeinschaft, die er unter ihnen gestiftet hat. Sein Vermächtnis für diese große Aufgabe ist sein Geist, in dem diejenigen leben sollen, die an ihn glauben. Was bewirkt dieser Geist? Im Johannesevangelium wird die Geistübergabe mit einem Thema verbunden, das wir nicht gerne hören: Schuld. Wer den Heiligen Geist empfängt, der erkennt die eigene Sündhaftigkeit. Das ist das Programm der Kirchengründung! Was hat dieses Programm zu bedeuten?

Vielfach wird in unseren Tagen beklagt, dass das Sakrament der Beichte in der Krise ist. Nach einer neuen Befragung der Deutschen Bischofskonferenz empfängt selbst ein großer Teil der Priester das Bußsakrament höchstens einmal im Jahr. Wenn nun aber die Sündenvergebung im Evangelium so eng verknüpft wird mit der Geistsendung und dem Beginn von Kirche, dann ist eine solche Entwicklung wohl mehr als bedenkenswert.

Der Bibel zufolge ist die Ursünde kein moralisches Vergehen. Es geht nicht um Lüge und Betrug, es geht nicht um Nachlässigkeit und Sittenverfall. Es geht bei der Grundschuld von Adam und Eva darum, dass sie ihr Menschsein nicht akzeptieren wollen. Sie wollen sein wie Gott! Aus dem Verlangen also, mehr sein zu wollen, entsteht alles Übel. Das kennen wir zu Genüge. Wir wollen immer anders sein als wir sind: besser, klüger, schöner, reicher usw.. Der Trugschluss, dem wir dabei erliegen ist der, dass wir uns selber erschaffen wollen – nach unserem Bild.

Diese Ursünde herrscht auch in unserer Kirche. Erliegt nicht auch die Kirche der Versuchung, sich selbst zu „machen“? In der Pastoral entwickeln wir Pläne und Strukturen, die kirchliches Leben organisieren sollen. Das ist zum einen notwendig, zum anderen aber nicht genug. Kirche kann den Heiligen Geist nicht verplanen. Es ist vielmehr der Heilige Geist, der seinen ganz eigenen Plan mit unserer Kirche hat. Zu dieser Unterordnung unter das Wirken des Geistes gehört zuallererst die Einsicht in die eigene Sündhaftigkeit und Schuld. Nicht, um sich unnötig zu demütigen, sondern um anzuerkennen, dass Kirche eine Gemeinschaft von Menschen ist.

Unsere menschliche Wirklichkeit wie sie ist, das ist die „Materie“, an der der Geist Jesu wirkt. Wir haben keine andere Wirklichkeit. So sind die Schwierigkeiten, die kleiner werdenden Zahlen, die Unfähigkeit, Menschen für den Glauben zu begeistern, eine Wirklichkeit unserer gegenwärtigen Kirche in Deutschland. Sie sind nicht das Übel. Das Übel ist die Klage über diese Wirklichkeit. Uns unsere Ohnmacht einzugestehen, dass wir bei aller Anstrengung nicht so recht auf den grünen Zweig kommen, uns einzugestehen, dass wir mehr sein wollen als wir sind – das wäre Inhalt einer Beichte unserer Kirche.

Ich erinnere mich an ein Gespräch mit einem Generalvikar einer deutschen Diözese. Bei allen hervorragenden Programmen in seiner Diözese und vielen Glaubensprojekten blieb doch der Priesternachwuchs in dieser Diözese komplett aus. Auf meine Nachfrage, wie er dies interpretiere, sagte er mir: „Vielleicht will Gott eine ganz andere Kirche.“ Es ist der Heilige Geist, der Kirche gründet und erneuert. Und zwar nicht nach unseren Vorstellungen und Wünschen, sondern nach ganz eigenen Ideen. Diesem Geist Raum zu geben, das verlangt nach einem Selbstverzicht, der Gott die Ehre schenkt.

Dr. Bettina-Sophia Karwath, Kirchenzeitung vom 24. Mai 2015

Lesungen zum Hochfest Pfingsten am 24. Mai 2015