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Auf ein Wort: Gedanken zum Sonntagsevangelium

Denn er ging uns voraus ...

Hart sind die Worte, die Petrus im Evangelium des 24. Sonntags im Jahreskreis von Jesus vor versammelter Mannschaft zu hören bekommt: Hatte er selbst Jesus beiseite genommen, um ihm wegen der Ankündigung von Leid und Kreuz Vorwürfe zu machen, heißt es von Jesus, dass er zunächst die Jünger ansah und dann Petrus mit den Worten zurechtwies: „Weg mit dir, Satan, geh mir aus den Augen!“ Die Parallelstelle im Matthäusevangelium erwähnt diese Zurechtweisung nur ganze sechs Verse nachdem Jesus den Petrus zuvor wegen seines „Messiasbekenntnisses“ seliggepriesen hatte (Mt 16,17). Lob und Tadel „in Extremform“ und doch nur wenige Augenblicke voneinander entfernt.

Der Grund für diesen raschen „Gesinnungswandel“ Jesu ist in seinen begründenden Nebensätzen zu finden: Selig zu preisen ist Petrus, wenn er nicht aus sich selbst spricht, sondern im Heiligen Geist Jesus als den Messias bekennt, wenn er im Heiligen Geist den Erlösungswillen Gottes für die Welt und die Menschheit erkennt und bekennt. Aufs Schwerste zu tadeln dagegen ist er, wenn er das will, was allein die Menschen wollen.

Und woran scheiden sich die Geister (bis heute)? Am Kreuz! Am Kreuz Jesu wie auch am eigenen persönlichen Lebenskreuz: Jesus „musste“ leiden und sterben, um dann aufzuerstehen. Und den Jüngern ist kein anderes Los verheißen: „Wer mein Jünger sein will, der verleugne sich selbst, nehme sein Kreuz auf sich und folge mir nach. Denn wer sein Leben retten will, wird es verlieren; wer aber sein Leben um meinetwillen und um des Evangeliums willen verliert, wird es retten.“

Nachfolge bedeutet Kreuzesnachfolge: „Geh weg, hinter mich!“ ist die Reaktion Jesu auf die doch zutiefst menschliche Scheu des Petrus vor Leiden und Kreuz: Er gibt den Weg vor, nicht wir Menschen! Aus dem Christentum als der Religion des Kreuzes, die immer wieder quer steht zu den Wünschen und Vorstellungen der Welt, eine Religion der bürgerlichen Zufriedenheit, eine Wellness-Religion zu machen, ist eine Versuchung, die von allem Anfang an besteht; eine Versuchung, die von Jesus energisch zurückgewiesen wird. Christentum ist nicht bürgerlich gemächliche Sittsamkeit, nicht geruhsames Entfalten „edler Menschlichkeit“, sondern Aushalten in Leiden und Kreuz, getragen von einer Hoffnung, die über den Tod hinausweist.

Die Leidensvorhersagen Jesu in den Evangelien zeigen uns, dass sein Leiden und Sterben tiefstes, echtes menschliches Leiden und alles andere als Schwächlichkeit oder stumpfes Sich-Fügen ins Unvermeidliche ist, das allen Mut und alle Kraft verloren hat, sich dagegen zu wehren; es ist vielmehr höchste Tat, heroisches Sich-Opfern, „Liebe bis zur Vollendung“!

In diesem Sinne heißt Jesus nachfolgen, zu dienen, zu teilen, zu sterben und so Leben zu gewinnen, heißt Hingabe als Gewinn, heißt nur das zu retten, was man gibt, heißt durch Loslassen neues Leben und Wachstum zu ermöglichen, heißt in der Nachfolge Jesu die tägliche Verzweiflung und die Ängste der Verlierer und Fremden, der Kranken und Alten, der Leidenden und Sterbenden, aber auch und als erstes im eigenen Leben wahrzunehmen und (mit) zu tragen aus der Gewissheit und Hoffnung heraus, dass Gott uns gerade in diesen Situationen nahe ist und uns Kraft schenkt: denn Jesus Christus ist uns diesen Weg vorangegangen.

Michael Wohner, Kirchenzeitung vom 13. September 2015

Lesungen zum 24. Sonntag im Jahreskreis am 13. September 2015