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Auf ein Wort: Gedanken zum Sonntagsevangelium

Das Unfassbare wird begreifbar.


Das Evangelium des dritten Ostersonntags beginnt mit der Rückkehr der beiden Emmausjünger nach Jerusalem: außer Atem, euphorisch, aufgeregt werden sie berichtet haben, „was sie unterwegs erlebt und wie sie ihn erkannt hatten, als er das Brot brach.“ Das, womit einige Frauen aus ihrem Kreis sie in der Frühe des Tages in große Aufregung versetzt hatten (Lk 24,22), war auch für sie zur existentiellen Gewissheit geworden: Jesus lebt!
Hatte ihnen – im Rückblick – schon das Herz in der Brust gebrannt, als der Fremde unterwegs mit ihnen geredet und ihnen den Sinn der Schrift erschlossen hatte, so waren ihnen endgültig die Augen aufgegangen, als er, Jesus der Auferstandene, das Brot für sie gebrochen hatte. Noch in derselben Stunde mussten sie aufbrechen, um zu berichten, was ihnen widerfahren war.

Und da waren sie nun. In der Gemeinschaft der Elf, die zu berichten wussten, dass der Herr wirklich auferstanden und dem Simon erschienen war. Drei Zeugnisse also – und dennoch heißt es, dass sie erschraken und große Angst hatten, als der Auferstandene in ihre Mitte trat, weil sie meinten, einen Geist zu sehen!? Die Frauen, Simon, die Emmausjünger hatten den Auferstandenen doch schon gesehen! Warum erschrecken sie dann noch?

Das, was sich da ereignet ist einfach zu „un-fassbar“, zu „un-begreiflich“, aber es wird „be-greifbar“, weil der Herr selbst eine Begegnung schenkt!

Franz Kamphaus, der frühere Bischof von Limburg, hat einmal einen schönen Vergleich gezogen: „Sie kennen die Situation: Sie sind nachts mit dem Auto unterwegs, in fremder Gegend, und auf einmal wissen Sie nicht mehr, wo sie sind. Da taucht plötzlich ein Zeichen im Scheinwerferlicht auf. Sie sehen es und schon sind Sie weiter. Aber der Augenblick, indem Sie es entziffern konnten, genügt. Sie wissen, wo Sie sind und woran Sie sind. Ostern ist ein solches Zeichen und mehr. Wir wissen, wer uns am Ende unserer dunklen Straßen erwartet.“

Doch wie schnell verblassen solche „Lichtblicke“, solche „Glanzmomente“ im Alltag dann doch wieder – und mit ihnen schwindet die durch sie erfahrene Gewissheit. Unser Glaube möchte uns eine Gewissheit schenken, die Papst Johannes Paul II. in seinem eucharistischen Schreiben „Mane nobiscum domine“ in die Worte fasste: „Auf den Straßen unserer Fragen und unserer Unruhe, zuweilen unserer tiefen Enttäuschungen, will der göttliche ‘Wanderer’ uns weiterhin Gefährte sein, um uns durch die Auslegung der Heiligen Schrift in das Verstehen der Geheimnisse Gottes einzuführen.“ Und: „Wenn einmal der Verstand erleuchtet und das Herz erwärmt ist, dann ‘sprechen’ die Zeichen. Die Eucharistie vollzieht sich ganz im dynamischen Kontext von Zeichen, die eine dichte und helle Botschaft in sich tragen. Durch die Zeichen öffnet sich in gewisser Weise das Geheimnis dem Auge des Glaubenden.“

Sonntag für Sonntag sind wir eingeladen, uns in der Eucharistiefeier die Blindheit unserer Herzen lösen und die Augen öffnen, uns von „Gott, der in unzugänglichem Lichte wohnt“, ein „Zeichen im Scheinwerferlicht“ schenken zu lassen, dass im Laufe unseres Leben sein eigentlich unfassbares Geheimnis zumindest den Augen des Glaubens mehr und mehr begreifbar macht!                        

Michael Wohner, Kirchenzeitung vom 19. April 2015

Lesungen zum 3. Sonntag der Osterzeit am 19. April 2015