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Auf ein Wort: Gedanken zum Sonntagsevangelium

Das Licht der unbekannten Farbe

Heute wird uns eine Geschichte erzählt, die viele lieber als Fantasie der Jünger, als Traum oder als Legende abtun möchten als sie anzunehmen als eine Gegebenheit, die uns etwas angeht. Es beginnt damit, dass sich Jesus mit den engsten Vertrauten, mit Petrus, Johannes und Jakobus in die Einsamkeit zurückzieht. Es wird betont  „auf einen hohen Berg“ und dass nur diese drei dabei sind. Allem Anschein nach geht es Jesus darum, ein Geheimnis zu offenbaren, das nur sie erfahren und wovon sie niemand etwas mitteilen dürfen. 

Was auf dem Berg geschieht, kann der Erzähler schlecht in Worte fassen. „Er wurde vor ihren Augen verwandelt. Seine Kleider wurden strahlend weiß, so weiß, wie sie auf Erden kein Bleicher machen kann“ (Mk 9,2). Es ist eine Farbe, die es in unserer gewohnten Umgebung nicht gibt, eine Eigenschaft, für die geläufige Bezeichnungen nicht ausreichen. Der französische Journalist André Frossard, der völlig atheistisch aufgewachsen war, hatte  eine Vision, die ihn in einer Viertelstunde zum gläubigen Christen machte. Um das Erlebte zu schildern, so berichtet er, gehe es ihm wie einem Maler, der unbekannte Farben schaut, aber mit seinen bescheidenen Möglichkeiten nicht imstande ist, sie zu malen. Es ist eine Kraft am Werk, die keine billige Erklärung zulässt, sondern als das unaussprechliche und unbeschreibbare Wesen Jesu verstanden werden muss.

Matthäus fügt noch hinzu: „Sein Gesicht leuchtete wie die Sonne“ (Mt 17,2). Hier kann uns noch eher ein Zugang gelingen. Wir kennen strahlende Gesichter am Bahnhof, wenn der ersehnte Mensch auftaucht; die leuchtenden Augen der Kinder am Geburtstag, die Augen, die sich in Liebe gefunden haben. Das erste Lächeln eines Neugeborenen bezeichnen viele Eltern als das schönste und wichtigste Geschenk ihres Lebens.

Es ist ein Licht, das die Herzen zutiefst berührt und bezaubert, das die Stimmung verändert. Wenn nun das Gesicht Jesu wie die Sonne leuchtet, dann übertrifft das alles, was je ein Lächeln, was je strahlende Augen empfunden oder ausgelöst haben. Es ist das innere Licht in Jesus selbst. Es ist so stark wie die Sonne. Es wird nach außen sichtbar, was die Stimme aus der Wolke sagt: „Dieser ist mein geliebter Sohn, auf ihn sollt ihr hören“ (Mk 9, 7).

Das Ureigenste, das Jesus in sich trägt und seinen „Vater“ nennt, ist  durchgebrochen. Es ist ein absolutes Ja: Nähe, Jubel, Dichte, Erfüllung, alles, was je Menschen an Liebe erfahren können. Seine Begleiter sind hingerissen. Petrus kann nur sagen: „Es ist gut, dass wir hier sind” (Mk 9, 5). Es ist wunderbar. Ein Glück, dass man vor Freude weinen könnte.

Es ist uns die Chance gegeben, das Licht in uns zu entdecken, das vom Antlitz Jesu ausgeht, „Taborlicht“ genannt. Wir müssen in der Tiefe des Herzens suchen. Dies  beginnt damit, indem wir uns anziehen lassen von dem, was echt und stimmig ist, was uns bereichert und zuinnerst erfüllt. Dann erwacht in uns eine Kraft, die uns auch in schwierigen Situationen lächeln lässt und eine Atmosphäre schafft, wo man aufatmen kann, wo Gespräche möglich sind, wo es einfach anders ist als im Gehetze und Getriebe der Arbeitswelt. Vieles schwindet, was uns bisher bestimmt und bedrückt hat. Wir werden andere Menschen.

P. Guido Kreppold OFMCap, Kirchenzeitung vom 1. März 2015

Lesungen zum 2. Fastensonntag am 1. März 2015