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Auf ein Wort: Gedanken zum Sonntagsevangelium

Das Handeln Gottes sprengt alle Erwartungen

Ist das Gleichnis von den Arbeitern im Weinberg nicht eine Provokation? Wo bleibt denn da die Gerechtigkeit? Alle bekommen den gleichen Lohn, gleich wie viel jeder gearbeitet hat. Wer kann da den Arbeitern im Weinberg verübeln, wenn sie sich beschweren: „Die Letzten haben nur eine Stunde gearbeitet und sie erhalten den gleichen Lohn; wir aber haben den ganzen Tag über die Last der Arbeit und die Hitze ertragen“.

Würden wir anders reagieren? Leistung und Lohn müssen doch einander entsprechen. Neid, Missgunst, mitunter auch Hass entwickeln sich immer dann, wenn sich Menschen ungerecht behandelt fühlen. Geht das Gleichnis am Leben vorbei? Wir müssen zunächst die Frage stellen: Um was geht es im Gleichnis überhaupt, was ist sein tieferer Sinn? Jesus sagt nicht, ihr sollt es in euren Vereinbarungen so machen wie dieser Weinbergbesitzer. Es geht im Gleichnis um das Himmelreich: „Mit dem Himmelreich ist es wie mit einem Gutsbesitzer, der frühmorgens sein Haus verlässt, um Arbeiter für seinen Weinberg anzuwerben.“ Er geht auch zur dritten, sechsten und neunten Stunde auf den Markt, um Arbeiter für seinen Weinberg zu gewinnen. Ja selbst um die elfte Stunde trifft er auf den Markt noch einige, die herumstehen und keine Arbeit haben. Zu ihnen sagt er: „Geht auch ihr in meinen Weinberg.“ Mit allen vereinbart er als Lohn einen Denar. Das war das durchschnittliche Einkommen eines Arbeitstages.

Die Schriftgelehrten und Pharisäer glaubten, wenn man die Gebote und Gesetze genau erfüllt, erhält man von Gott als Gegenleistung einen gleichwertigen Lohn. Die Botschaft des Gleichnisses lautet jedoch: Gott ist anders. Gott ist souverän. Er hat die Freiheit, den Seinen zu geben, was er für gerecht hält.

Meinen nicht auch wir allzu oft, wir könnten Gott durch gute Werke und Verdienste zwingen, uns als Gegenleistung das zu geben, was wir erwarten. Und wenn er es nicht tut, sind wir enttäuscht.

Da denk ich an den Roman „Der veruntreute Himmel“ des Schriftstellers Franz Werfel, den wir im Deutschunterricht am Gymnasium als Lektüre besprochen haben. In diesem Roman schuftet die Magd Teta Linek viele Jahre lang und spart jeden Groschen vom Mund ab, um das Geld ihrem Neffen zu schenken, damit dieser Theologie studiert und Priester wird. Sie meint, durch diese guten Werke könne sie sich einen Platz im Himmel sichern. Doch dieser Himmel kracht über ihr zusammen, als sie dahinter kommt, dass ihr Neffe das ganze Geld durchgebracht und verschleudert hat. Ihr Neffe hat ihr den Himmel veruntreut. Sie meint, der Himmel ist verspielt. 

Durch das Gleichnis von den Arbeitern im Weinberg will Jesus gewiss nicht sagen, wir sollen keine guten Werke tun – ganz im Gegenteil. Aber mit guten Werken kann man nicht die Gnade Gottes erzwingen. Das Himmelreich kann man nicht verdienen, man bekommt es geschenkt. Gott ist wie der Gutsherr, der in seiner souveränen Güte jedem gibt, was er zum Leben braucht. Inhalt des Gleichnisses ist das gütige und alle menschlichen Erwartungen sprengende Handeln Gottes. Gott gibt aus Güte. Gott schaut nicht auf die Leistung. Für Gott geht es immer um die Frage: „Was braucht der Mensch, um an sein Ziel zu kommen?“ Kein Mensch kann dieses Ziel aus eigener Kraft erreichen.

Und Gott schenkt umsonst. Die Gnade ist immer unverdient und ein Geschenk. Gott handelt aus Liebe und Güte und nicht nach wirtschaftlichen Maßstäben. Gott zahlt keinen Lohn, Gott schenkt, was der Mensch zum erfüllten Leben braucht. Vor Gott sind wir alle Empfangende.  

Msgr. Herbert Lang, Kirchenzeitung vom 21. September 2014

Lesungen zum 25. Sonntag im Jahreskreis am 21. September 2014