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Auf ein Wort: Gedanken zum Sonntagsevangelium

Das Feuer der Wende

Vor uns steht heute Johannes der Täufer, der große Mann aus der Wüste, der eine neue Zeit ankündigt, dessen Worte in die Dörfer und Städte dringen und die Herzen bewegen. Man hört von Gerüchten, was sich da am Jordan zuträgt. Er wird zum Gespräch in den Synagogen, auf dem Marktplatz, bei abendlichen Runden am Stadttor. Mit dem Mann am Jordan erwacht neue Hoffnung, die für Aufregung sorgt und zum Umdenken Anlass gibt. Ist er einer der Propheten oder sogar der, auf den Jesaja hingewiesen hat, der Messias, der die große Wende herbeiführt?

Es bildet sich eine Stimmung voller Spannung. Ein großes Ereignis steht bevor, eine neue Zukunft soll beginnen, so sprach man überall. Der Eindruck dieses Mannes ist so gewaltig, dass selbst anrüchige Gestalten, wie die Zöllner und Soldaten, die im Dienst der Römer stehen und als Ausbeuter und Verräter verrufen sind, weich werden und an den Jordan kommen. Als Johannes gefragt wird, wer er sei, steigert er noch die Erwartung. Dann nennt er das große Ereignis, das der Erwartete herbeiführen wird: „Ich taufe nur mit Wasser. Er wird euch mit dem Heiligem Geist und mit Feuer taufen“ (Lk 3,16). „Wie ich euch jetzt in Wasser eintauche, werdet ihr in Feuer getaucht“. Das klingt eher nach Katastrophe als nach großer Zukunft.

Aber denken wir an die Szene, als der Heilige Geist in Feuerzungen auf die Jünger Jesu herabkommt. Sie werden mit Feuer getauft, aber nicht verbrannt. Sie waren schon beim Tod Jesu wie durchs Feuer gegangen. Dann hat sich alles umgedreht: die Angst ist verflogen. Der Apostel, der seinen Meister verleugnet hatte, hält die große Rede. Die Leute sind erschüttert und folgen ihm. Die Jünger, die geflohen waren, sind zusammen „ein Herz und eine Seele“ und getrauen sich, dem Hohen Rat Widerstand zu leisten. Wenn sie beten, bebt sogar die Erde; so groß ist die Kraft. Im griechischen Urtext heißt sie „dynamis“, das Wirken des Geistes „energeia“ – Dynamik und Energie, mit der die Jünger nun auftreten.

Sie sind nicht mehr wehrlose Opfer, über die man verfügt, sondern sie gestalten die Zukunft. Das Feuer, in das sie eingetaucht wurden, zünden sie überall, wohin sie kommen. Es ist das Feuer der Liebe. Darin eingetaucht sein ist wie ein Schwimmen in einem Meer von Liebe, in einer Atmosphäre, in der man sich nicht mehr kalt und gleichgültig gegenübersteht, wo Trennendes abfällt, wo man leuchtende Augen sieht, wo man voller Freude aufeinander zugeht, wo man aufatmen kann, wo Misstrauen und Hass geschwunden sind. Es geht um eine Dichte und Steigerung des Lebens, die nicht übertroffen werden kann.

Das ist die große Verheißung, die mit dem Wort Messias und bei uns im Geheimen mit Weihnachten verbunden ist. Aber trotzdem bleibt noch der Satz: „Die Spreu wird er in nie erlöschendem Feuer verbrennen“ (Lk 3,1f). Er passt gar nicht in die Stimmung des heutigen Sonntags. Eher werden Ängste wach. Wir sollten darin jedoch einen Weckruf hören. Wenn in einem Haus laut „Feuer“ gerufen wird, werden wir herausgerissen aus unserem Schlaf, aus unserer Arbeit oder Freizeit. Jeder weiß: Jetzt geht es ums bloße Überleben. Es ist höchster Alarm. Wir sollten wach werden, hinschauen auf das, was uns auf den Nägeln und im Herzen brennt.

P. Guido Kreppold OFMCap, Kirchenzeitung vom 13. Dezember 2015

Lesungen zum 3. Adventssonntag am 13. Dezember 2015