Zum Inhalt springen

Auf ein Wort: Gedanken zum Sonntagsevangelium

Das Brot der Liebe

Ist Ihnen das nicht auch schon einmal so gegangen? Nach einer schlimmen Nachricht, nach einem großen Verlust, wenn einen ein besonderer Schlag getroffen hat, dann möchte man gern allein sein und mit niemandem reden müssen. Man möchte einfach seine Ruhe haben, um nachdenken, verarbeiten oder trauern zu können.

Vielleicht ist es Jesus damals genauso ergangen, als er von der Enthauptung des Täufers Johannes erfuhr. Der Mann, der ihn im Jordan getauft und der sein Kommen vorausgesagt hatte, wird ihm sicher nicht gleichgültig gewesen sein. Kein Wunder also, dass er in eine einsame Gegend fuhr, „um allein zu sein“.

Doch da geschieht etwas Bezeichnendes. Die Menschen hören von seinem Vorhaben und gehen ihm nach. Sie lassen ihn nicht in Ruhe. Sie spüren instinktiv: da ist jemand, der hat uns etwas zu sagen und etwas zu geben. Diese Menschen haben Hunger, Hunger der Seele, und sie wissen: da ist einer, der kann diesen Hunger stillen.

Und was tut Jesus? Reagiert er ärgerlich oder gereizt? Nach dem Motto: Können diese Leute mich nicht einmal in Frieden lassen! Habe nicht auch ich Anrecht auf ein bisschen Ruhe und Stille, um zu mir zu kommen?

Wer von uns hätte nicht Verständnis für solche Gedanken und Gefühle oder wer von uns hat nicht oft schon selbst so in ähnlichen Situationen gedacht? Doch nicht der Herr! Er hatte Mitleid mit ihnen. Er speiste die lästigen Leute nicht einfach ab. Im Gegenteil: er heilte sie.

Hier gibt er seinen Jüngern und auch uns eine große Lehre. Nie darf die Sehnsucht nach Einsamkeit zum Vorwand oder als Ausflucht genommen werden, um sich dem Anspruch der Nächstenliebe zu entziehen. Damit ist auch die Einsamkeit mit Gott gemeint. Gebet und Frömmigkeit entbinden uns nie vom Dienst am Nächsten. Sie sollen uns vielmehr noch mehr dazu befähigen.

Jesus macht im heutigen Evangelium ganz deutlich, was er von seinen Nachfolgern erwartet. Als die Jünger am Abend die vielen Menschen wegschicken wollten, sagt er zu ihnen: „Sie brauchen nicht wegzugehen. Gebt ihr ihnen zu essen!“ Dabei spielte er wohl auf einen doppelten Hunger an: den Hunger des Leibes und den Hunger der Seele.

Das Brechen des Brotes und seine wunderbare Vermehrung waren die äußeren Zeichen für eine innere Wahrheit: Wer teilt, verliert nicht, sondern gewinnt. Das gilt für die materielle wie für die geistige Ebene.

Im Abendmahlssaal hat sich uns Jesus selbst als Brot des Lebens gereicht. Er hat sich brechen lassen am Kreuz als Mittel zum Leben für die Welt. Er will, dass auch seine Jünger zum Brot werden, zum Lebensmittel, und sich austeilen lassen an ihre Umgebung. Die Welt hat Hunger nach diesem Brot der Liebe.

„Gebt ihr ihnen zu essen!“ – Geben wir den Menschen also Anteil an unserer Liebe, an uns selbst und an unserem Leben. Nur auf diesem Weg der Selbsthingabe nach dem Beispiel unseres Meisters kann der Hunger dieser Welt gestillt werden. Ohne den Mut zur Selbstüberschreitung, bei der wir unser Leben nicht festhalten, sondern zunächst scheinbar verlieren, lassen wir die Menschen oft am ausgestreckten Arm verhungern. Der Herr stärkt uns zu solcher Hingabe und führt uns auf diesem Weg zur Vollendung.

Ernst Wiechert sagt: „Und gib, dass es mir niemals fehlt an dem, wonach ihr Herz sich quält: ein bisschen Brot und viel Erbarmen“.                                    

P. Gregor Lenzen CP, Kirchenzeitung vom 3. August 2014

Lesungen zum 18. Sonntag im Jahreskreis am 3. August 2014