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Auf ein Wort: Gedanken zum Sonntagsevangelium

Bilderbuchfamilie?

Fest der Heiligen Familie, 30. Dezember 2012

Familie – Wer denkt da nicht an Elterngeld, Betreuungsgeld, Kita-Ausbau ... und es kommen in den Blick auch die vielen Kinder mit einem alleinerziehenden Elternteil, doppelt gefordert von Beruf und Kind, oft ohne Oma und Opa in der Nähe.

Hatte es da die heilige Familie nicht viel besser? Arm und einfach, ohne unseren Stress, Josef, der Bauhandwerker, Einheit von Wohnung und Arbeit, in der Nähe von Mutter und Kind. Und dann diese Szene, Ängste, Vorwürfe: Kind, wie konntest du uns das antun? Der Zwölfjährige, Religionsmündige geht mit zur Pascha-Wallfahrt nach Jerusalem, 150 Kilometer zu Fuß, hin und zurück. Die Tagesmärsche schweißen zusammen, im Reden, Lachen, Beten. Auch der Zwölfjährige ist mit seinen Altersgenossen und Freunden aufgehoben in der Weggemeinschaft.

Dann der Horror für alle Eltern: das Kind ist weg. Zwei Tage der erlittenen Abwesenheit, bis sie ihn am dritten Tag finden. Ein Aufatmen, Gottseidank, doch wirklich ein Happy End? Mit der Antwort Jesu steht nach dem Evangelisten Lukas plötzlich etwas ganz Anderes im Raum. Ein Konflikt, der tiefer reicht als jedes Zerwürfnis in einer Familie. „Wusstet ihr nicht ...“ – Da wo ich jetzt bin, dahin gehöre ich, in das Haus meines Vaters! Die Szene im Tempel, im Haus seines Vaters, bezeugt unüberhörbar die Gottessohnschaft Jesu.

Deshalb verwendet Lukas bereits im 2. Kapitel das Wort „müssen“: der Sohn muss beim Vater sein, so wie er getötet werden muss – und auferstehen. Damit ist dieses Evangelium auch keine Dokumentation eines vorauseilenden Ungehorsams des Zwölfjährigen oder einer ungehörigen Freiheit den Eltern gegenüber. Nicht als  kleiner Rebell gegen die Eltern wird er gezeigt, sondern bewusst, volljährig, gerade als Hörender auf den Willen des Vaters, als Gehorchender. Diesen zu begreifen fordert, ja überfordert den Menschen. Auch Maria. Doch sie verkleinert die Worte Jesu nicht. Sie hat die Demut, zu vertrauen, dass Gott uns Großes zutraut. Indem sie „all diese Worte in ihrem Herzen bewahrt“, steht sie im Lukasevangelium für die Kirche, die das Wort Gottes in ihrem Herzen bewahrt und dann weiterträgt.

Damit ist auch klar: die Heilige Familie ist keine Bilderbuchfamilie. Sie durchlebte Sorgen und Nöte, ja heftige Schicksalsschläge. Gerade darin blieben sie solidarisch, Maria bis unter das Kreuz, ohnmächtig, doch in Liebe.

Generalvikar Dompropst Isidor Vollnhals, Kirchenzeitung vom 23./30. Dezember 2012

Lesungen zum Fest der Heiligen Familie am 30. Dezember 2012